zum Fußball 2014
20.12.2014 * Royal Antwerp FC - Eendracht Aalst 0:0 * 20:00 Uhr * 2. Liga * Bosuilstadion, Antwerpen * Zuschauer: 3 245 * Eintritt: 20 EUR * Anreise: mit der Bahn zu 40 EUR *
Nach über 20 Jahren seit dem letzten Besuch dort, verspürte ich plötzlich das dringende Bedürfnis in mir, noch- mals das Bosuilstadion in Antwerpen anzusteuern. Das lag wohl zum einen daran, daß es sich hier um einen einzigartigen Ground handelt, von dem ich keine Fotos in meiner Sammlung hatte. Zum anderen drohte in der Vergangenheit wegen Baufälligkeit die Schließung der so imposanten Tribüne. Also hin, bevor vielleicht die Tribüne wegen Abriss oder Sanierung ihr "Gesicht" verlieren sollte.
Im April 1993 war ich übrigens mit Kumpel Karsten im Auto nach Antwerpen gerast. Weil der sich mit der Anstoß- zeit vertan hatte, kamen wir damals erst zur Halbzeitpause an und konnten die Tante im Kassenhäuschen, die gerade ihre Abrechnung fertig hatte, überreden, noch zwei tickets herauszurücken. Wir waren uns nicht unbe- dingt im Klaren darüber, daß wir ein historisches match sehen würden. Denn der 3:1-Sieg im Rückspiel gegen Spartak Moskau (nach 0:1 Rückstand und 0:1 im Hinspiel) und somit der Einzug ins Finale des Europapokals der Pokalsieger bedeutete für den RFC den Höhepunkt in seiner Vereinsgeschichte. Den entscheidenen Treffer erzielte übrigens Hans Peter Lehnhoff per Elfmeter. Das Endspiel in Wembley gegen Parma ging verloren. Seit dem hat kein belgisches Team mehr das Finale eines europäischen Wettbewerbs erreicht.
Derzeit dümpelt der Club mit der Stammnummer 1 im Mittelfeld der 2. Liga, ebenso wie der Gegner aus Aalst. Stimmung im Antwerpener Block kam nur auf, als die Mannschaften einliefen und ein Bengalo gezündet wurde. Das Gekicke auf dem Rasen war nur mäßig, aber ich genoß die zwei Stunden im Bosuilstadion genauso wie zwei Hamburger zu je 4,50 EUR.
Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Das Stadion ist einfach toll: Zwar wurden die Tribünen hinter den Toren bereits erneuert und an der Haupttribüne wird fleißig gewerkelt. Doch die große Gegentribüne ist unverändert alt und marode (nur das Dach wurde bisher renoviert). Die Treppenstufen sind schief, genauso wie die Holzbänke. Kurios finde ich, daß die meisten Sitzreihen unüberdacht und so dem Wetter schutzlos ausgeliefert sind. Wo es doch in unseren Breiten ständig regnet. Hatte der Regen mal eine Holzplanke aufgeweicht, wurde einfach eine neue draufgeschraubt. Das nenne ich kompromisslos.
Nach dem Spiel railte ich zurück nach Brüssel Süd, wo ich mir für die Nacht ein Hotelzimmer reserviert hatte.
21.12.2014 * FC Sobemai Maldegem - The Camerados Saint Margriet 3:1 * 9:30 Uhr * Freizeitliga * Edelhart de Lille Stadion, Maldegem * Zuschauer: 20 * Eintritt: frei * Anreise: von Antwerpen bis Brüssel im Zug zu 7,30 EUR, ÜmF im Hotel Continental**, Brüssel zu 59 EUR *
Am nächsten Morgen wurde ich am Hotel von Edvin, der mit Ingo unterwegs war, abgeholt. Die Tour hatten wir über eine Gruppe bei facebook abgesprochen. Ziel: Das absolut einzigartige Stadion des FC Sobemai in Maldegem! Das Städtchen zwischen Gent und Brügge verfügt über keinen Bahnanschluß mehr, seit die Strecke über Eeklo stillgelegt wurde. Deswegen gestaltet sich die Anreise für einen Hopper ohne Führerschein schwierig, so daß ich mich als Beifahrer in einem Auto arrangieren mußte.
Der FC Sobemai ist eine Art Thekenmannschaft (in Belgien "café-ploeg voetbal" [Kaffee gegen den Kater am Sonntagmorgen] genannt) eines inzwischen pleite-gegangenen Kranherstellers gleichen Namens und kickt in einer Freizeitliga. Der Platz ist nach dem verstorbenen Besitzer der Firma NV Sobemai benannt und liegt direkt neben der ehemaligen Werkshalle. Das Besondere an dem Platz ist, daß er umgeben wird von alten Bahnwaggons, Lokomotiven und Kränen. Was es damit auf sich hat? Edelhart de Lille wollte mit den Waggons einen Freizeitpark errichten. Dazu ist es jedoch nie gekommen und seitdem stehen die Schlaf- oder Liegewagen-Waggons herum und verrotten. Irgendwie kultverdächtig.
Nachtrag vom 26.1.2015
Wir wußten damals noch nicht, daß wir das vorletzte Spiel sehen würden, bei dem all die Waggons den Ground umgaben. Inzwischen wurden einige Waggons, nachdem er 40 Jahre lang dort gestanden hatte, entfernt.
Was wir auch nicht wußten, ist die Tatsache, daß es sich bei den Lokomotiven nicht um irgendwelche, sondern um ganz besondere handelte. Einst zogen sie Nazi Hermann Göring durch den Krieg, danach fuhren sie Dwight D. Eisenhower durch Europa. Einer der Waggons war einer aus einem Zug, den sich Queen Elizabeth herrichten ließ und wo hohe Gäste empfangen wurden. Verrückt, oder? Nun sollen die Waggons restauriert werden und an ein Eisenbahnmuseum in Litauen gehen.
Das Spiel war ganz nett, wobei die Jungs und alten Männer für meinen Geschmack gar nicht so schlecht kickten. Doch tatsächlich war ich die meiste Zeit damit beschäftigt, den Platz und seine Umgebung zu fotografieren. Vermutlich handelt es sich bei dem ground um die weltweit einzige Spielstätte mit nur einem Sitzplatz. Statt mal einem All-Seater ein echter Only-One-Seater.
Meinem Steuermann und meinem Mitfahrer hatte der Ausflug in die tiefsten Niederungen des Fußball genauso wie mir ausgesprochen gut gefallen. Noch vor dem Mittag ging es zurück auf die Autobahn gen Brüssel.
21.12.2014 * KSC Grimbergen - RCS Verviétois 0:1 * 14:30 Uhr * 3. Liga * Prinsenbos Voetbalstadion, Grimbergen * Zuschauer: 200 * Eintritt: 10 EUR * Rückfahrt als Beifahrer von Edvin zu 25 EUR *
Nördlich von Brüssel, in Grimbergen, sahen wir uns noch eine Begegnung zweier Kellerkinder der 3. Liga an. Nichts besonderes, nur eine kleine Zugabe zum Hauptspiel in Maldegem.
Leider ist mir hier das passiert, was ich bisher seit Beginn meiner Zeit als Stadionbesucher vermeiden konnte. Es ist schrecklich! Ich hab meine Eintrittskarte ver- loren!!! Unglaublich! Sollte jemand in der Frittur vor dem Stadion oder am Bahnhof von Köln-Longerich ein neongelbes Papierschnipselchen finden, auf dem was mit "KSC Grimbergen" steht, bitte melden! Es winkt eine Belohnung von 10 EUR. Hinweise bitte an jede Polizeidienststelle oder an mich!
3.12.2014 * Maritimo SC - CU Micaelense 1:3 * 20:00 Uhr * Jugend * Estádio Municipal Jâcome Correia, Ponta Delgada / Azoren * Zuschauer: 40 * Eintritt: keiner * Hin- und weg: Düsseldorf -> Ponta Delgada und retour mit Air Berlin zu 138,21 EUR / pro Person; 7 x ÜF im The Lince Hotel****, Ponta Delgada zu 333,20 EUR *
Wenn ein Fleckchen Erde die Bezeichnung "Außenposten Europas" verdient hat, dann sind es zweifelsohne die Azoren. Diese neun portugisischen Inseln liegen einsam im Atlantik und sicherlich weit außerhalb des Bewußtseins der meisten von uns. Von dem Hauptort Ponta Delgada auf der Insel Saô Miguel bis nach Lissabon sind es stolze 1 445 km. Und der äußerste Zipfel der Azoren befindet sich nochmals knapp 600 km entfernt in der Gegenrichtung. Wenn man von den französischen Übersee-Departments mal absieht, ist die Westküste der Insel Flores gleichzeitig der westlichste Punkt unseres Kontinents. Von dort bis nach Nordamerika sind es keine 2 000 km mehr.
Somit wurden die Azoren das Ziel meiner bisher weitesten Fußballtour innerhalb Eurpoas: 2 945 km Anreisestrecke (noch vor Volgograd mit 2 674 km und Larnaca mit 2 745 km). Und das zu einem Preis, mit dem man per Bahn nicht einmal von Köln nach München kommt. Und weil die Inseln so schön sind, wollten Frau und der kleine Sohnemann gleich mit.
Am Abend unserer Ankunft gingen wir etwas spazieren und kamen dabei an einer Stelle vorbei, an der drei Flutlichter weithin sichtbar leuchteten. Martin (3) wußte inzwischen schon, daß hier ein Stadion sein mußte. Zielsicher flitzte er darauf zu und verschwand hinter einem geöffneten Tor. Seine Eltern, ich voran, hinter ihm her und plötzlich witterte ich die Chance, unverhofft einen Ground machen zu können.
Den Akteuren nach zu urteilen, mußte es sich hier um ein Jugendspiel handeln. Weil mich sowas eigentlich ähnlich wie Damenfußball nicht sonderlich interessiert, hatte ich das Match nicht auf dem Plan gehabt. Aber wenn ich nun mal hier war... :-)! Ich fragte einen Zuschauer, was hier lief und er war so nett, es mir aufzu-schreiben. Es hatte gerade erst begonnen, so daß mir nach meinen eigenen Hopperregeln eine Halbzeit reichen würde, um einen Haken hinter einem Ground zu machen. Micaelense war Tabellenführer in dieser Junioren-Liga und bekam zwei berechtigte Elfer zugesprochen, womit der Halbzeitstand hergestellt war. Daheim konnte ich die Marke "westlichster Ground" von Reykjavik auf den Jâcome Correia ground auf Ponta Delgada verschieben.
6.12.2014 * Grupo Desportivo Saõ Roque - Santiago FC 2:2 * 19:00 Uhr * Amateure * Campo de Jogos, Saõ Roque / Azoren * Zuschauer: 50 * Eintritt: 2 EUR * An- und Abreise: zu Fuß
Bei der Suche nach der Spielstätte im benachbarten Saõ Roque hatte ich die Gegend auf Google Map unter die Lupe genommen und war dabei auf einen Platz gestoßen, der offenbar gar nicht mehr genutzt wurde. Am Nachmittag machte ich mit Martin einen kurzen Ausflug vom Hotel zu diesem nur 800 m entfernten "Lost Ground". Er lag direkt an der neuen, garantiert EU-finanzierten Umgehungsstraße von Ponta Delgada und wir brauchten nur über ein kleines Mäuerchen zu klettern, um reinzukommen.
Die netzlosen Tore standen noch da und der ganze Platz war hüfthoch mit Gras bewachsen. Ich machte eine Fotoserie, wobei ich mir das Highlight, zwei vor einem Tor weidende Kühe, bis zum Schluß aufbewahren wollte. Mit Martin stand ich am anderen Rande des Spielfeldes und wir wollten gerade zu den Kühen gehen, als ich zwei weitere ebenfalls schwarz-weiße Tiere bemerkte, die aber wesentlich kleiner waren. Mist, das mußten Hunde sein! Ich ging mit Martin möglichst unauffällig und langsam zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren, als ich begriff, daß die Hunde auf uns zuliefen. Panisch schnappte ich mir den kleinen Martin unter den Arm und rannte ebenfalls los. Gerade als ich meinen dreijährigen Sohn über das Mäuerchen geworfen hatte und ich selber drübergehechtet war, waren die Köter bei uns. Ich danke allen Mächten des Universums, daß es DIESE Kreaturen nicht über das Mäuerchen schafften. Zum Glück hat Martin von der Gefahr durch die Hunde gar nichts mitbekommen, so daß nur ich in den nächsten Minuten reichlich Pudding in den Knien hatte.
Heute war wirklich nicht mein Tag. Obwohl der Campo de Jogos von Saõ Roque nur etwa 1 km Luftlinie von unserem Hotel entfernt lag, brauchte es den halben Abend und mindestens 4 km Fußweg, um endlich da anzukommen. Ich nahm so jede Sackgasse, in die man laufen konnte und schließlich mußte ich eine große Kreuzung passieren, gegen die das AK Breitscheid recht mickrig erscheint. Und das dauerte...
Vor dem Ground stand ein alter Mann am Parkplatztor, daß er in den nächsten zwei Stunden gefühlte einhundert Mal sehr geräuschvoll aufzog und zudonnerte. Bei ihm drückte ich das Geld für den Eintritt ab und erhielt sogar ein Ticket. Im Vereinsheim wärmte ich mich bei einem Espresso auf. Weil es auf den Azoren eine Stunde früher ist als auf dem portugisischen Festland (und man so z.B. auch beim Fernsehgucken immer eine "falsche" Uhrzeit vor der Nase hat), war ich mir nicht ganz sicher, auf welche Zeitzone sich die mir bekannte Anstoßzeit 19:00 Uhr bezog. Inzwischen kamen immer mehr Leute und ich hatte berechtigte Hoffnung, daß das Spiel bald beginnen sollte.
Der Platz liegt inmitten von Gewächshäusern für Ananasfrüchte. Dementsprechend ist er von hohen Maschendrahtzäunen umgeben. Wahrscheinlich war es dem Club irgendwann zu aufwändig, fehlgekickte Bälle am nächsten Tag anhand durchschlagener Glasdächer zu lokalisieren und aus den Obstanpflanzungen herauszu-angeln. Der örtliche Glaser soll allerdings pleite gegangen sein.
Obwohl ich schon den vierten Tag auf der Insel war, hatte ich schon wieder den Wind unterschätzt. Es war heftig kalt und ich war froh, nach einem unterhaltsamen und mich dennoch wenig erwärmenden Spiel zum Hotel zurücklaufen zu können. Hatte ich hin noch über anderthalb Stunden gebraucht, schaffte ich es zurück, den richtigen Weg kennend, in zwanzig Minuten.
7.12.2014 * CD Santa Clara - Leixões SC 2:0 * 15:00 Uhr * 2. Liga * Estádio de Saô Miguel, Ponta Delgada / Azoren * Zuschauer: 150 * Eintritt: Freikarte * An- und Abreise: im Taxi zu insgesamt 19 EUR
An diesem Heimspieltermin von Santa Clara hatte sich meine, ähm... unsere ganze Urlaubsplanung orientiert. Das Estádio ist das größte seiner Art auf der Insel Saõ Miguel und folglich auch aus größte auf den Azoren überhaupt. Die UEFA-taugliche Spielstätte faßt etwa 15 000 Zuschauer (und war am heutigen Tag zu sensatio-nellen 1% ausgelastet). Kurz nach der Jahrtausendwende kickte Santa Clara drei Spielzeiten in der 1. Liga, 2002 erreichte man sogar die 2. Runde des UEFA Inter- toto Cups.
Als ich aus dem Taxi gestiegen war und auf das Kassenhäuschen zusteuerte, kam mir ein Mann entgegen und steckte mir eine Freikarte zu. Prima, so hatte ich vermutlich die Taxifahrt wieder raus. Noch vor dem Anpfiff gab ein Sänger live eine Gesangseinlage zum Besten. Vor einer so schmale Kulisse hat man das bisher nur selten gesehen. Die erste Hälfte verbrachte ich wegen starker Regenfälle unter dem Dach der Haupttribüne. Die Ultras der heiligen Clara taten daß, was Ultras für gewöhnlich nicht tun: Sie saßen die ganze Zeit ziemlich still auf ihren Sitzen und hielten ihre Fahne fest. Dagegen gab es, man staune, sogar mehr als ein Dutzend Anhänger aus Leixões (bei Porto), die - von der Polizei bewacht - im Block der Away Supporters lärmten.
Meine besondere Aufmerksamkeit erregte ein Glaskasten, der architektonisch überhaupt nicht in das Stadion passte. Es sah so aus, als hätte man hier einen kleinen Uni-Zuhörersaal nachgebaut: Schmale Pulte und Sitzreihen mit Klappstühlen. Um Plätze für die schreibende Zunft kann es sich eigentlich nicht gehandelt haben, denn die location für die Presse befand sich mittig auf der Haupttribüne. Umso merkwürdiger, daß der Glaskasten mit einem Rudel Kleinkindern angefüllt war, die unter Aufsicht hier herumfetzten. Als so ne Art Kids Corner zur Entlastung fussballinteressierter Väter schien mir das Ding aber denkbar ungeeignet. Dann würde sich das Ding doch eher, analog zu den Drahtverhauen in unterklassigen polnischen Ligen, als Luxus-Variante eines Affenkäfigs für Ultras vom Festland taugen, oder?
26.10.2014 * UE Santa Coloma - UE Engordany 4:0 * 12:00 Uhr * 1. Liga * Estadi Comunal, Andorra la Vella * Zuschauer: 15 * Eintritt: keiner * Hin und weg: Köln/Bonn -> Girona und retour mit Ryanair zu 40,78 EUR; 2x Ü im Hotel Europa** in Girona zu je 40 EUR; Bus von Girona nach Andorra (via Barcelona El Prat) zu 52,50 EUR; 1x ÜF im Hotel Festa Brava*** zu 32 EUR in Andorra la Vella; Bus von Andorra direkt nach Girona zu 33 EUR
Der trip nach Andorra war für mich mehr eine Unumgänglichkeit denn eine Lustreise. Jedenfalls "nicht vergnügungssteuerpflichtig", wie es ZDF- Chefredakteur Peter Frey ausdrücken würde. Die erste Liga spielt dort wohl immer nur sonntags, so daß ich darauf gehofft hatte, am Samstag vorher in Spanien noch was mitnehmen zu können. Doch leider wurden die Heimspiele von Espanyol und Girona ebenfalls auf den 7. Tag der Woche terminiert.
Zwischen Andorra und Girona fahren derzeit nur am Freitag und am Sonntag Busse und dann auch nur zwei am Tag. Der letzte verläßt das Fürstentum in den Pyrenäen schon um 15 Uhr, so daß von den Sonntagspielen nur die erste um 12 Uhr angesetzte Partie machbar ist, wenn man nicht erst montags wieder die Berge runter fahren will (und wie ich kein Auto selber steuern kann).
Nach einer Nacht in Girona und einer insgesamt fünfeinhalbstündigen Busfahrt via Barcelonas Flughafen El Prat kam ich samstags gegen 14:30 Uhr an der spanisch-andorranischen Grenze an. Hier ist die Grenze wirklich noch eine Grenze und es gibt tatsächlich Zöllner und sogar (beim Raus- fahren) Kofferraumkontrollen. Andorra gehört nicht zur EU und ist das einzigste Land der Welt, in dem sich zwei Ausländer das Amt des Staatsoberhauptes teilen. Verrückt oder? Aber wenn die Kirche mitmischt, darf einen nichts mehr wundern.
Das Hochtal von Andorra ist in meinen Augen nichts Besonderes. Es sei denn, man will billig Tabak, Parfüm, Alkohol oder Fotokameras kaufen. Ich wollte das alles nicht, sondern nur das eine: Den Länderpunkt! In der "Hauptstadt" Andorra la Vella (22 500 Einwohner) stieg ich aus, bezog mein Zimmer im in der Altstadt gelegenen Hotel und latschte etwas durch die Gegend.
Kurios finde ich das noble Rugbystadion mit seinen merkwürdigen Flutlichtern. Dagegen nimmt sich das Nationalstadion der Fußballer mit dem Estadi Comunal ziemlich popelig und altbacken aus. Am ground fließt der in Beton gegossene Rio Valira vorbei. Bei nur drei Siegen in 103 Heimspielen könnte man den auch in Fluß der Verlierer umtaufen, soviele Punkte wie der schon außer Landes gespült hat.
Für 17 Uhr war im Estadi Comunal das Spiel FS La Massana - Rangers FC in der Juvenil Primiera Divisio Futball angesetzt. Ich mache mir ja nichts aus Jugendspielen (und bei Damenfußball halte ich es strikt mit Al Bundy und seinen Freunden: NO MA`AM), aber mangels Alternativen sah ich doch mal vorbei. Als ich etwa zur 10. Minute kam, verloren sich weniger als 30 Leute im Ground. Die Haupttribüne besteht nur aus zwei bis maximal fünf Sitzreihen. Hinter einem der Tore ist die Kurve mit einer kleinen Stahlrohrtribüne aus Sitzschalen in den Nationalfarben Blau, Gelb und Rot aufgestockt worden. Der bis zur Halbzeit torlose Kick war ganz nett.
In der Pause ging ich in die Stadionkneipe nebenan, um mir einen Espresso zu holen. Ich war überrascht, daß dort die Bude voll war. Über 50 Augenpaare hingen an zwei Bildschirmen und folgten dem gerade angepfiffenen Clásico Real Madrid - FC Barcelona. Dabei unterstützt man in Andorra aus naheliegenden Gründen fast geschlossen die Katalanen. Die Stimmung im Pub war blendend und steigerte sich gar noch nach der Führung der Gäste im Bernabeu. Ich ließ draußen das Match Match sein und blieb in der Kneipe sitzen. Mußte der Länderpunkt einfach noch einen Tag auf mich warten.
Und auf einen Ground der Kategorie "Bezirkssportanlage" mehr oder weniger kommt es mir nicht an, selbst wenn der in Andorra liegt.
Ach ja, der Clásico konnte mich an diesem Abend wirklich sehr unterhalten. Allein die Ecke von Ex- Bayer Toni Kroos auf den Kopf von Pepe zum 2:1 für Real war genial! Für Barça gab es in Madrid (außer den ersten drei Gegentoren der Saison überhaupt) nichts zu holen und für Luis Suarez nicht einmal was zu beißen.
Als ich am nächsten Morgen um 8:15 Uhr im Hotel zum Frühstücksbuffet auflief, wies mich der Nachtportier darauf hin, daß die Uhr in der Nacht um eine Stunde zurück- und nicht vorgestellt wurde. Verpeilt! Es war also erst Viertel nach Sechs und ich mußte noch zwei Stündchen auf meinen Kaffee warten.
Um 11 Uhr war ich wieder im Estadi Comunal und genoß Wetter und Pyrenäenpanorama. Eine Stunde später kam der Genuß eines Fußballspiels dazu. Inklusive Spielerfrauen und Funktionären waren so gut 15 Personen anwesend. Vermutlich war ich der einzigste im ground, der weder mit einem der beiden spielenden Clubs irgendwie verbunden war noch mit einem der Spieler ins Bett ging. Mit einer knapp dreistelligen Zuschauerzahl hätte ich nun doch gerechnet.
Der Spielfilm: 3. Minute 1:0 nach krassem Torwartfehler, kurz später kugelte sich einer der Gäste-spieler die Schulter aus und mußte ausgewechselt werden, 13. Minute 2:0 per Kopfstoß nach einer Ecke und nach 21 Minuten stand es schon 3:0.
Die Stadionuhr hinter den Trainerbänken tickete so nervend laut, daß ich die Seite wechselte, auch wenn mir dort ein Sonnenbrand drohte.
Wenn der Beginn auf ein Schützenfest hindeutete, so erfüllten sich meine Hoffnung in diese Richtung nicht. Ein mageres Törchen fiel noch kurz vor Schluß und UE Santa Coloma kam so im 5. Spiel zum 5. Sieg in der mit acht Teams ausgetragenen Primera Division. Das Team von Endorgany war so schwach, wie ich eigentlich noch nie eine Mannschaft zuvor gesehen hatte. So what? Länderpunkt und das vermutlich kleinste Nationalstadion Europas abgehakt.
Kurz nach dem Spiel startete ein kleiner Minibus mit fünf anderen Fahrgästen und mir nach Girona, wo wir gut ne halbe Stunde früher ankamen, als geplant. Jetzt um 17:55 Uhr machte es sogar noch Sinn, mit dem Taxi zum Estadi Municipal Montilivi zu rauschen, wo gegen 18 Uhr die zweite Hälfte des Spiels Girona FC - CD Mirandés angepfiffen wurde. Gedacht, getan.
Die Kassenbuden waren natürlich nicht mehr besetzt und auch alles Betteln half nicht: Man ließ mich an der Haupttribüne nicht rein. Rrrrrrrr!!!! Ich schlich mich ums halbe Stadion und konnte dort etwa zur 70. Spielminute unbehelligt die offenen Drehkreuze passieren. Klar, weder Spiel noch Ground wird in irgendeiner Statistik von mir auftauchen. Aber um ein bisschen Atmosphäre zu schnuppern und um ein paar Fotos zu machen, hatten sich die 9 EUR für eine Taxifahrt hierher allemale gelohnt. Vielleicht spielt Girona in der nächsten Saison erstklassig. Für den Tabellenführer der Segunda Division kein ganz unrealistisches Ziel.
Eine weitere Nacht in Girona beendete mein Handywecker um 5 Uhr und fünf Stunden später konnte ich in der Firma meinen Dienst antreten.
27.9.2014 * 1. FC Köln - Bayern München 0:2 * 15:30 Uhr * Bundesliga * Rheinenergiestadon, Köln * Zuschauer: 50 000 (ausverkauft) * Eintritt: 44 EUR * Anreise: ÖPNV (im ticket inklusive)
Selten war es so schwierig für mich gewesen, an eine Karte für ein Bayern-Spiel heranzukommen, wie für dieses. Während ich zunächst noch vom FC Bayern auf die Warteliste geschoben wurde, hagelte es in diversen internen Tauschzirkeln nur Absagen. Diese ereilte mich vier Tage vor dem Anstoß dann auch selbst. Auch egal, denn durch pures Glück hatte ich kurz zuvor im Netz aus einem "Exklusiv-Kontingent" auf koelnticket.de eine Karte schießen können.
Man munkelt, daß man in der Ticketzentrale des FCB neuerdings eine andere Strategie fährt: Statt die langjährigen Mitglieder mehr oder weniger zuverlässig mit tickets zu versorgen, werden jetzt wohl Neumitglieder bevorzugt bedient, um diese bei der Stange zu halten. Kann ich einerseits verstehen, andererseits bin ich natürlich mit meiner 6 7xxer Mitgliedsnummer einer der Hauptleidtragenden und entsprechend sauer! Na ja, da wo die Nachfrage ein Angebot übersteigt, ist eine objektiv gerechte Verteilung nie möglich. Muß man halt noch mehr hoppen und sich noch weniger FCB gönnen. The show must go on!
Am Stadion lief ich nach mehr als einem halben Leben (in meinem Falle sind das etwa 23 Jahre) ganz zufällig zwei alten "Kaiseradlern" über den Weg. Der Wahn- sinn! Der eine ist etwas runder geworden, der andere (der "Schreck der Johannesstraße") wirkte fit wie immer und beide waren breitgefotzert wie eh und je. Schade nur, daß zu wenig Zeit blieb, um gemeinsame Erlebnisse aus alten Tagen aufzuwärmen.
Das Match verlief aus meiner Sicht wie erhofft und erwartet: Einseitig und spannungslos! Danke 1. FC Köln!
In der Halbzeit wurde ich von meinem Sitznachbar angesprochen. Er entpuppte sich als Geschäftsreisender (Automobilzuliefererbranche) aus Mexiko, der an seinem freien Tag unbedingt ein Spiel des FC Bayern sehen wollte. Das ticket hatte er in Mexiko für 200 EUR bekommen. Sauber! Standesgemäß trug er ein aktuelles Bayern-Trikot. Sein Englisch klang in meinen tauben Ohren teilweise so unverständlich, daß ich seine anschließende Einladung auf ein Bier ausschlug. Sicher wäre es mit ihm noch interessant, aber auch auf alle Fälle sehr anstrengend geworden. Mea culpa! Hasta la vista amigo!
3.9.2014 * Deutschland - Argentinien 2:4 * 20:45 Uhr * Freundschaft * Esprit-Arena, Düsseldorf * Zuschauer: 51 132 (ausverkauft) * Eintritt: 45 EUR (Sitzplatz Kurve) * An- und Abreise mit der Bahn zu 12,20 EUR *
Wenn man in Düsseldorf ein Fußballspiel sehen will und sich eine Stunde vorher noch an einem Kölner Bahnhof herumtreibt, braucht es auf der fünfzehn Stationen umfassenden U-Bahn-Strecke der Rheinbahn eine weltmeisterliche Leistung der Betreibergesellschaft, um doch noch pünktlich zum Anpfiff auf seinem Platz im Stadion zu sitzen. Und die Rheinbahn war weltmeisterlich! Rheinbahn: Twelve points!
So verpaßte ich zwar die Lobesreden und Verabschiedungen für Lahm, Klose und Mertesacker, kam aber in den Genuß der netten Choreo. Auffällig die hohe Frauenquote im Stadion, bei so viel Event-Publikum eigentlich kein Wunder.
Ich hätte jetzt erwartet, daß Deutschland auf lethargische Gauchos trifft und man sich friedlich und unspektakulär auf ein knappes Ergebnis "einigt". Hauptsache, dem Weltmeister wird gehuldigt! Stattdessen gingen die Viehzüchter hochmotiviert auf den Platz und es entfaltete sich ein bemerkenswertes Spiel. Hätte Messi gespielt, hätte Deutschland gewonnen. Hat er aber nicht.
Klar, es ist für den Fan nicht so toll, wenn das eigene Team kurz nach der Halbzeit mit 0:4 zurückliegt. Aber einen Grund für die Kackstimmung war das aus meiner Sicht nicht. Da ist sie gerade nach einem sensationellen Turnier 24 Jahre nach Italia Novanta wieder Weltmeister geworden und das heimische Publikum hat nichts anderes zu tun, als im ersten Spiel auf deutschem Boden über die Nationalmannschaft herzufallen. Und wenn sie 0:10 verloren hätte, wäre doch rotzegal gewesen. Die Halbwertzeit eines sportlichen Triumphes scheint mir sehr kurz geworden zu sein.
Ich freute mich über sechs Tore und fuhr zufrieden heim! Wir sind Weltmeister!
31.8.2014 * Club Brugge - RSC Anderlecht 2:2 * 14:30 Uhr * 1. Liga * Jan-Breydel-Stadion, Brügge * Zuschauer: 29 000 * Eintritt: 25 EUR * An- und Abreise mit der Bahn zu 61,90 EUR
Wir waren leider nicht zu Toni Schumachers 40. Geburtstag eingeladen worden. Und so hatten FC-Ralle und ich am Sonntag, den 6.3.1994 nichts besseres zu tun, als uns spontan in einen Zug zu setzen und nach Brügge zu railen. Ziel: FC Brügge - Anderlecht! Bei der Entscheidungsfindung war, isch schwöre, kein Alkohol im Spiel. Trotzdem ne ziemliche Schnapsidee von uns. Denn schließlich standen wir vor dem ausverkauften Ground und sahen in die Röhre. Eine der übelsten Hopping-touren und eine tiefe Scharte, die nun 20 Jahre danach unbedingt ausgewetzt werden mußte.
Den Fehler, ohne ticket anzureisen, machte ich kein zweites Mal. Zwar klappte die Online-Buchung über die Clubseite nicht, aber unbürokratisch hat mir eine '"kartenverkoop"-Dame eine Karte zur Abholung und Bezahlung am Stadion hinterlegen lassen. Dank je wel!
Auf dem Weg nach Brügge, wie immer per Bahn unterwegs, legte ich einen gut einstündigen Zwischenstopp in Brussel Zuid ein. Mit der Tram fuhr ich bis zur Station Union und von da waren es nur noch wenige Schritte bis zu meinem Ziel: Das Stade Joseph Marien des Drittligisten Royale Union Saint-Gilloise. 1897 gegründet, war USG sowas wie der Verein der ersten Stunde. Sieben der insgesamt elf Meistertitel wurden in den Jahren zwischen 1904 und 1913 errungen. Der Ground wurde allerdings erst 1919 (mit einem Spiel gegen den AC Milan) eröffnet. 1926 erfolgte eine Erweiterung und das Stade Joseph Marien erhielt seine bis heute erhaltene, charakteristische und mich faszinierende Fassade im Art Déco-Stil. An einer Seite stand ein Stahltor offen und ich ließ mir die Chance nicht entgehen, den Ground auch von Innen zu inspizieren. Schmucke Kiste, wirklich!
In Brügge angekommen, wollte ich vom Bahnhofsvorplatz einen Bus in Richtung Stadion nehmen. Aber obwohl heute ein Spitzenspiel anstand und viele Fans am Busbahnsteig warteten, wurden selbst zwei Stunden vor Anpfiff keine Sonderbusse o.ä. eingesetzt. Und der Linienbus konnte den Ansturm nicht bewältigen. Also Taxi, man hat es ja! Der Fahrer sprach gutes Deutsch und fragte, ob ich ein Scout sei und Spieler für die Bundesliga beobachten wolle. Offensichtlich umgibt mich die Aura geballter Fußballfachkompetenz. Dabei wußte ich nicht einmal, welcher Spieltag gerade lief und wo die beiden Mannschaften in der Tabelle rangierten. Ist bei so einem Duell zweier Erzfeinde auch wurscht.
Neben dem ground stimmten sich die "Clubberer" Flanderns in einem Dorf aus Bier- und Fressbuden auf den Stadionbesuch ein. Unter der Tribüne der Home- Supporter stand ein DJ vor einer "Blue Army Clubhouse"-Fahne, fummelte gewichtig an seinem Pult herum und verschmutzte die Umgebung mit gräßlichem Lärm. Einige fanden das sogar klasse und bewegten ihre hohlen Birnen im Takt.
Das Jan Breydel ist schon zu alt, um als moderne Fußballarena gelten zu können und für eine Spielstätte mit morbidem Charme noch viel zu jung. Also Mittelmaß! Mich wunderte nur, daß im Stadion noch einige Plätze frei blieben. Einer phantastischen Stimmung tat dies jedoch keinen Abbruch. Zu Beginn gab es seitens der "Clubberer" eine Choreographie, deren Aussage sich mir von meinem Sitzplatz im unüberdachten Eckblock aus perspektivisch nicht erschließen konnte.
In der ersten Häfte dominierte der RSC Anderlecht das Geschehen nach Belieben und schon nach nur 16 Minuten stand es 0:2 für die Gäste aus der Hauptstadt. Club Brugge bekam rein gar nichts auf die Reihe. Und die anfängliche Begeisterung unter dem Anhang der Gastgeber kippte um in Frust. Die Brüssler hingegen feierten den sich abzeichnenden Auswärtssieg in ihrem Block frenetisch ab.
Schon vor dem Stadion wie auch jetzt während der Halbzeitpause fielen mir viele Brugge-Fans mit Trikots auf, auf denen der Spielername Sterchele prangte. Jener François Sterchele starb 2008 im Alter von nur 26 Jahren, als er zwischen Antwerpen und Knokke mit seinem Auto gegen einen Baum raste. Obwohl er nur ein Jahr für Brugge kickte, hat man ihn auch sechs Jahre danach noch nicht vergessen.
Nach dem Seitenwechsel gelang Brugge in der 49. Minute überraschend der Anschluß und nach 68 Minuten kochte das Stadion beinahe über, als der Ausgleich fiel. Danach hatte es während des ganzen Spiels nicht ausgesehen. Das Match blieb weiterhin spannend und die Atmosphäre im Ground war absolut geil! Das Remis sollte letztendlich ein gerechtes Ergebnis sein. Mir hat der Nachmittag im Jan Breydel gefallen und die Schmach von 1994 war vergessen.
Auf dem Fußweg zurück zum Bahnhof gönnte ich mir am Torhoutse Steenweg einen "Lost Ground". Bis 1999 hatte hier das Albert Dyserynck Stadion gestanden, im Volksmund nur (nach einem Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in dem sich die Spieler anfangs auch umkleideten) "De Klokke" genannt. Club Brugge war hier von 1912 bis 1975 zu Heimspielen angetreten. Bis zum Abriß 1999 wurde der Ground von Eendracht Brugge genutzt. Heute steht hier eine noble Wohn- siedlung und allenfalls die nach dem früheren Präsidenten Albert Dyserynck benannte Straße und der Park sowie die kleinen Sträßchen De Klokke-Zuid und De Klokke-Nord erinnern noch an das ehemalige Stadion.
24.8.2014 * MTV Union Hamborn 02 - Rot-Weiß Selimiyespor Lohberg II 2:0 * 15:00 Uhr * Kreisliga B, Gruppe 4 * BSA Warbruckstraße (Hauptplatz, Rasen), Duisburg * Zuschauer: 30 * Eintritt: 2 EUR * An- und Abreise zu 14,40 EUR mit der Bahn *
Vor dem Spiel hatte ich mir in der fussballhistorisch äußerst interessanten Stadt Duisburg vorgenommen, einige „Lost Grounds“ aufzusuchen. Ein Schienenersatz-verkehr brachte mich in den unfreiwilligen Genuß einer ziemlich ausgedehnten Hafenrundfahrt. Krabbenkutter oder Kreuzfahrtschiffe sah ich keine. Stattdessen fand der fensterlose Backsteinbau des Landesarchives meine besondere Beachtung. Nach der Fahrt durch unübersichtliches Gelände ruckelte der Bus durch den Stadtteil Beeck. Hier gibt es einen ganzen Straßenzug, der einer Geisterstadt glich. Geschlossene Knei- pen, verrammelte Läden, leerstehende Cafes dicht an dicht und selbst die Türkisch-Deutschen Kulturvereine hatten das Weite gesucht. Bleiben mußten sozial benachteiligte Menschen, nicht selten mit Migrationshintergrund (wie man so schön im Bürokratendeutsch sagt).
An der Haltestelle „Thyssen Kokerei“ stieg ich aus. In unmittelbarer Umgebung befindet sich ein Stahlwerk und die Hauptverwaltung von Thyssen-Krupp. Früher schallte wohl öfter mal ein lautes „Scheiiiiiiße….!“ durch die Gegend. Die Dieselstraße diente in einigen Tatort-Folgen mit Horst Schimanski als Filmkulisse. Eine enge, graue Straße und im Hintergrund ein schwarz verrußter Hochofen waren ideal, um das Ruhrpottklischee zu bedienen. Der Hochofen HO4 steht seit einigen Monaten nicht mehr und in der Dieselstraße werden die ersten Häuser dem Erdboden gleich gemacht.
Ähnlich erging es dem August-Thyssen-Stadion, welches nur wenige Meter entfernt in der Franz-Lenze-Straße stand. Bis zu zehntausend Zuschauer kamen hier zu den Spielen. 1954 erbaut, diente es den Sportfreunden Hamborn 07 bis 1970 als Heimspielstätte. Dann musste es dem Parkplatz für das neue Besucherzentrum von Thyssen weichen. Da auf beiden Seiten der Franz-Lenze-Straße fußballfeldgroße Parkplätze stehen, war für mich nicht klar, wo genau sich der Ground früher befand. Erst der Blick auf eine alte Postkarte gab mir später die Gewissheit, daß es auf der südlichen Seite gestanden haben muß. Irgendeinen Hinweis auf das Stadion sucht man leider vergebens.
Die schon erwähnte Dieselstraße ging ich weiter entlang nach Hamborn. An der dortigen Buschstraße stand das erste eigene Stadion der „Ham- borner Löwen“, wie Hamborn 07 trotz eines Adlers im Wappen genannt wurde. 1913 wurde es mit einer 0:11-Pleite eingeweiht und erfreute sich in der Stadt großer Beliebtheit. Der Sportplatz Buschstraße wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und anschließend wieder aufgebaut. Dennoch zog Hamborn 07 1954 in das damals neue, größere August-Thyssen-Stadion um.
Nun war es mir wichtig, auch hier die exakte Stelle zu finden, an der damals der Ball rollte. Bewaffnet mit Stadtplan und Kopien alter Fotos suchte ich an der Busch-straße, rund um die Abtei und dem St. Johannes-Hospital nach Häusern oder anderen markanten Punkten, die es schon um 1920 gegeben haben muß. Erfolglos. Als mögliche Standorte hätte ich den Stadtwald bzw. den Abteifriedhof in Betracht gezogen, doch beides passte nicht so richtig. Ich brach meine Suche ab und machte mich auf den Weg in die Gegenwart, an die Warbruckstraße. Einen Tag später recherchierte ich im Internet, daß sich der gesuchte Sportplatz zwischen Buschstraße und Im Birkenkamp befand und wegen dem Bau der A59 abgerissen werden mußte.
An der Warbruckstraße liegen mehrere Plätze nebeneinander. Ich hatte mir die Begegnung FSV Duisburg - VL Rhede (Landesliga) ausgeguckt. Anders als es der Name erahnen ließ, ist der FSV Duisburg ein türkischer Fußballverein. Der vermutlich clubeigene Kiosk am Ground war gut umlagert. Auf dem Grill lagen Köfte und türkische Hackfleischspieße. Auch ich reihte mich in die lange Schlange wartender Kundschaft ein. Am Eingang zu dem Kunstrasenplatz wurde man von einer Gruppe "Security"-Leute (man könnte auch Türsteher sagen) empfangen. Als ich um 15 Uhr auf den Anstoß wartete, verließen die Spieler den Platz gerade erst, um das Aufwärmtraining zu beenden.
Zufällig bekam ich mit, daß auf dem Nachbarplatz irgendein anderer Kick angepfiffen wurde. Statt eines 08/15-Kunstrasenplatzes gab es Naturrasen, umgeben von bröckligen Stufen und flankiert von einer schmucken Tribüne und einigen überdachten Stehplätzen. Statt einen Kiosk vor dem Ground gab es dort einen in frischem Grün gestrichenen, liebenswerten Imbiss-Stand im Stadion. Ich hatte keine Ahnung, wer dort spielte, aber ich brauchte keine Sekunde zu überlegen, daß ich trotz des bereits gelöhnten Eintritts von 5 EUR Kunstrasen und FSV Duisburg den Rücken kehren würde.
Zwei Minuten später stand ich vor dem Schild "Platzanlage MTV Union Hamborn 02" und vor zwei Damen, die auf einer Mülltonne eine Geldkassette stehen hatten. Diese füllte ich um weitere 2 EUR. Von den Trikots konnte ich ablesen, daß hier heute der RWS Lohberg gastierte. Die Speisekarte war gar noch exotischer als bei den türkischen Nachbarn: Russischer Schaschlikspieß aus Schweinenacken und koreanischer Hähnchenspieß.
Ich genehmigte mir letzteres und genoß das nette Ambiente und einen Hauch von alten Zeiten! Seit 1922 spielt Union Hamborn 02 (früher unter anderen Namen) an der Warbruckstraße und auch Nationalspieler und WM-Teilnehmer von 1934 "Päule" Zielinski mußte einst über diesen Platz getrabt sein. Hier fühlte sich der in Nostalgie schwelgende Groundhopper wohl!
Nach dem Spiel wanderte ich einmal quer durch Marxloh zum Schwelgernstadion. Leider muß diese Spielstätte auch zur Kategorie "Lost Grounds" gezählt werden. Sie ist zwar noch vorhanden, doch Fußball wird dort schon lange nicht mehr gespielt. Vor einer einmaligen Ruhrpott-Kulisse aus Hochofen und Schornsteinen kicken stattdessen American Footballer ihr albernes Ei durch die Gegend. Sehr Schade!
Als ich im Stadion stand, konnte ich durch die Baumreihen der Wiesenstraße ein Haus mit einigen Fenstern erkennen. Ich machte davon sofort ein Foto. Ich erhoffte mir, endlich Aufschluß darüber zu bekommen, in welchem Stadion 1947 das Endspiel um die Niederrhein-Meisterschaft zwischen RW Oberhausen und Fortuna Düsseldorf stattgefunden hatte. Von meinem Freund Kajo Höffken, dessen Vater selbst als RWO-Spieler dabei war, hatte ich Fotos von diesem Spiel vorgelegt bekommen.
Wieder zu Hause, verglich ich die Fotos. Obwohl zwischen ihnen fast 60 Jahre lagen, war das Haus an der Wiesenstraße eindeutig wieder zu erkennen. Es ist zwar nicht das selbe Gebäude, aber die Anordnung der Fenster und des Kamins sind unverkennbar so übereinstimmend, daß man sicher davon ausgehen kann, daß es sich um die gleiche Häuserzeile handelt.
17.8.2014 * Eintracht Duisburg - Sportfreunde Marxloh 3:4 * 15:00 Uhr * Kreispokal, 1. Runde * Bezirkssportanlage Wedau I, Duisburg * 10 Zuschauer * Eintritt: frei * Anreise: 7,20 EUR mit der Bahn *
Zwei Pokalspiele (in unterschiedlichen Wettbewerben) in zeitlicher und räumlicher Nähe lockten mich nach Duisburg. Das erste fand auf Kunstrasen mitten im Wald des Sportpark Duisburgs statt. Die Gäste, fast nur Türken, waren in seltenen gelb-rot gestreiften Trikots angetreten. In der erste Hälfte bekam ich die Führung für Marxloh und den Ausgleich (in Überzahl) für die Eintracht mit. Ein Kicker von Marxloh bekam so auf die Socken, daß er vom Krankenwagen abgeholt werden mußte. Ein zweiter immerhin noch so dolle, daß er verletzt ausgewechselt wurde. Mir reichte in diesem Ground ausnahmsweise mal eine Halbzeit und mein unehrenhaftes Verhalten wurde mit fünf verpaßten Toren gründlich bestraft.
17.8.2014 * Duisburger FV 08 - MSV Duisburg 0:9 * 17:00 Uhr * Niederrhein-Pokal, 1. Runde * Leichtathletikstadion (BSA Wedau III), Duisburg * 2 000 Zuschauer * Eintritt: 10 EUR * Heimfahrt: 7,20 EUR mit der Bahn *
Mein zweites Pokalspiel an diesem Tage hatte dem Traditionsclub Duisburger FV 08 aus der Kreisliga A mit dem MSV Duisburg aus Liga 3 das große Los und ein wahres highlight in der Vereinsgeschichte beschert. Dafür verließ man sogar die Heimat an der Paul-Esch-Straße. Das wiederum gab dem harten Kern unter den Auswärtsfahrern der Zebra-Anhänger die Chance, sich mal echt zu beweisen: Exakt 130 Schritte sind vom heimischen Wedaustadion bis zum Leichtathletikstadion zurückzulegen (ich bin die Strecke selbst abgegangen). Das dürfte fast nur noch beim Derby in Dundee unterboten werden können.
Als ich vom Bahnhof Schlenk kam, spazierte die ganze Manschaft des Duisburger FV 08 relaxt schwatzend vor mir her. Nur ihr Torhüter mit der exzentrischen Haarpracht war ganz in sich gekehrt und hatte sich wohl mittels seiner Musik aus den Kopfhörern in eine Art "Siegfried"-Modus umgeswitcht. Seine Unbesiegbarkeit funktionierte immerhin bis hinter die rote Ampel am Stadionparkplatz, deren Überquerung er beinahe mit seinem Leben bezahlt hätte. Später im Stadion war es mit der Unbesiegbarkeit vorbei...!
Vor dem Stadion der Knüller des Tages: Die tickets wurden aus dem Seitenfenster eines VW Vans heraus verkauft! Einfach nur noch geil!!! Hoffentlich kommt kein Kleinkrimineller auf die geistreiche Idee, sich bei einem Amateurkick in gleicher Weise mit dem Auto vor einem ground zu postieren und zahlungswillige Fans vor dem eigentlichen Kassenhäuschen abzufischen und auszunehmen...!
Nur 2 000 Besucher fand ich etwas unterrepräsentiert. Vielleicht hatte es damit zu tun, daß der Sensationssieg des MSV in der ersten Runde des DFB-Pokals mit 1:0 über den 1. FC Nürnberg noch keine 48 h zurücklag? Ich glaube, bis auf den Torhüter spielte heute keiner der Pokalhelden erneut auf. Aber auch die zweite Garde machte ihre Sache gut. Als es zur Halbzeit schon 0:7 stand, hoffte ich darauf, endlich mal ein zweistelliges Ergebnis in einem Pflichtspiel zu erleben. Vergeblich.
Zwei Wochen Urlaub in den Sommerferien mit Frau und Kindern an der Nordsee ermöglichten Papa zumindest stundenweise ein paar erholsame Auszeiten als Zuschauer an den Spielfeldrändern einiger Rasenplätze Cuxhavens. Ein für den 3.8.14 angesetztes Freundschaftsspiel von Rot-Weiß Cuxhaven auf dem Sportplatz Kampfbahn fand wohl irgendwie nicht statt und so konnte hier nur groundspotting betrieben werden. Für einen Blick auf die alte Holztribüne von 1950 hatte sich die zwanzigminütige Anreise mit dem Bus aber schon gelohnt.
9.8.2014 * Eintracht Cuxhaven - TV Jahn Schneverdingen 3:0 * 18:00 Uhr * Landesliga Lüneburg * Jahnsportplatz, Cuxhaven * 150 Zuschau- er * Eintritt: 5 EUR *
Erstes Spiel im Lande des neuen Fußball-Weltmeisters in familiärer Atmosphäre an der Beethovenallee: Während Oma am Eingang tickets ver- kaufte, zogen Vater und Sohn mit dem Bollerwagen um den Platz und boten flüssige Erfrischungen an. Bei der Halbzeit-Verlosung eines signierten Trikots von Borussia Mönchengladbach lag ich nur um zwei Nummern daneben. Eine 2 EUR-Stadionwurst und ein unterhaltsames Spiel (der Sieg für die Eintracht war etwas zu hoch) rundeten den Start in die neue Saison ab.
10.8.2014 * SF Sahlenburg - FC Basbeck-Osten 3:2 * 15:00 Uhr * Kreisliga Cuxhaven * Sportplatz Sahlenburg, Cuxhaven * 60 Zuschauer * Eintritt: 2 EUR *
Auch nach 818 besuchten Fußballspielen gibt es immer noch Premieren: Erstmals reiste ich auf einem Damen-Leihfahrrad zu einem Fußballspiel an. Von unserer Ferienwohnung aus hatte ich etwa drei Kilometer durch Weideland für Kühe zu radeln, bis ich den Stadtteil Sahlenburg erreichte. Die Partie war sehr umkämpft und blieb trotz zahlreicher Fouls und Unterbrechungen spannend. Während des Spiels fragte mich der Kassierer, ob ich schon gezahlt hätte. Als ehrliche Haut antwortete ich "Ne!". "Willste denn zahlen?" meinte der Typ. Yo, wollte ich. Auch nach 818 besuchten Fußballspielen gibt es immer noch Premieren: Erstmals war der Eintritt zu einem Fußballspiel optional zu entrichten. Im Vereinshaus gab es Stärkung zu sensationellen Preisen: Würstchen zu 1,50 EUR, Kaffee zu 1 EUR. In der zweiten Hälfte wunderte ich mich, wie gut der 9er von den Gästen trotz seiner Plautze mithalten konnte. Respekt!
14.8.2014 * Duhner SC - SF Sahlenburg 1:3 * 19:30 Uhr * Kreispokal, 1. Runde * Sportplatz Duhnen, Cuxhaven * 50 Zuschauer * Eintritt: frei
Ein echtes Dorf-Derby stand an. Im Kreispokal trafen die beiden Cuxhavener Touristen-Hochburgen direkt aufeinander. Auch nach 819 besuchten Fußballspielen konnte ich noch einen neuen Rekord aufstellen: 300 m von der Haustüre bis zum ground war die bisher absolut kürzeste Strecke, die ich für ein Match je zurück- legen mußte. Die meisten Zuschauer und Spieler parkten ihre Wagen mangels Alternativen direkt am Spielfeldrand. Der Sprechchor "Schiri, wir wissen wo Dein Auto steht" hätte sich hier endlich mal bewahrheiten können. Bei den regelmäßig auf die Motorhauben einschlagenden Bälle müßte für alle Fahrzeugbesitzer eine Vollkasko obligatorisch gewesen sein. Das Spiel war ganz gut und Sahlenburg zog verdient in die nächste Runde ein. Zum Glück war nach 90 min Schluß, denn für eine Verlängerung war es längst zu dunkel geworden. So konnten sich dann Fuchs und Hase im Mittelkreis Gute-Nacht sagen.
24.5.2014 * FC Ferreiras - Clube Oriental de Lisboa 1:1 * 17:00 Uhr * Campeonato Nacional Seniores, Segunda Fase - Subida, Zona Sul * Estadio da Nora, Ferreiras * Zuschauer: 800 * Entritt: 7 EUR * Köln/Bonn -> Faro und retour für zwei Erwachsene und ein Kind 348,78 EUR; Privat-Transfer nach Albufeira 25 EUR; mit dem Bus von Albufeira nach Ferreira 2,80 EUR *
Das Vertrauen seiner Fans in den FC Bayern ist grenzenlos. Kein Wunder, daß sich unter den Anhänger der "Roten" neuerdings der Trend des Early-Booking breit macht, d.h. es werden Flüge und Unterkünfte für Spiele gebucht, für die sich der Club noch lange nicht qualifiziert und für die der Fan noch lange kein ticket in der Tasche hat. Dabei ist es wie mit dem Zocken an der Börse: Mal gewinnt man, mal verliert man.
Aber wenn für den Verlierer zumindest ein Familienurlaub mit Frau und jüngstem Sohn an der Algarve übrig bleibt, dann ist es ja gar nicht so schlimm. So ging es von unserem Quartier in Albufeira statt zum Champions League Finale nach Lissabon zu einem Spiel der Aufstiegsrunde zur 2. Liga ins Nachbardorf. Mit dem Bus waren wir in nur zehn Minuten vor Ort und wir verdrückten uns zunächst in die mit dutzenden Fußballschals ausstaffierten Vereinskneipe des FC Ferreiras, um der Hitze zu entgehen.
Eine halbe Stunde vor Anstoß rollten Fanbusse der Gäste von Oriental an und die Supporter aus der Hauptstadt waren in bester Partylaune. Schließlich würde dem Traditionsclub aus der Altstadt Lissabons ein Unentschieden reichen, um erstmals seit 25 Jahren in die (seit 1989) eingleisige 2. Liga aufzu-steigen. Gleichzeitig würde der Aufstieg nach 32 Jahren die Rückkehr in den Profifußball bedeuten.
Historisch wurde dieses Spiel auch für Familie Höller. Martin machte im Alter von 2 Jahren und 9 Monaten seinen ersten Ground und hatte sichtlich Spaß an der Stadionatmosphäre.
Eine lokale Berühmtheit dürfte der Popcorn-Verkäufer im Stadion von Ferreiras sein. Mit seinen blumenkohlartigen Popcorn-Schuhen und seiner ungewöhn-lichen Kopfbedeckung war er zweifelsohne ein Blickfang. Ob sich diese peinliche Kostümierung positiv auf seinen Umsatz ausgewirkt haben mag, wage ich zu bezweifeln.
Die etwa 500 - 600 Fans von Clube Oriental de Lisboa, kurz COL, waren deutlich in der Überzahl und okkupierten lauthals singend die Tribüne. Eine handvoll Ultras schwang große Fahnen und deren Rudelführer gröhlte durchs Megaphon. Nach dem Aufwärmen klatschten die Spieler von Oriental ihre zuversicht-lichen Fans ab.
Als dann nach 17 Minuten Oriental in Führung ging, glich das Estadi da Nora einem Tollhaus. Die Spieler fielen auf dem Rasen übereinander her und die Fans taten gleiches auf den Sitzplätzen. Es war einfach geil! Alt und jung, groß und klein sprangen wie jeck auf der Tribüne herum. Man konnte deutlich merken, welche Zentnerlast den Hauptstädtern von den Herzen geplumpst war.
In der 45. Minute gelang dem Gastgeber irgendwie der Ausgleich. Das muß wohl einige aus Ferreiras zu irgendwelchen Sprüchen oder gar Beleidigungen ermutigt haben, denn plötzlich wollten sich Fans aus beiden Lagern an den Kragen. Fäuste schüttelnd und wild gestikulierend ging man aufeinander los. Als ein paar Uniformierte auf der Tribüne auftauchten, hatte man sich wieder lieb.
Das Spiel wog in der 2. Hälfte unterhaltsam hin und her. Etwa 20 Minuten vor Schluß erspähte Martin durchs Eingangstor einen Spielplatz, der sich außer- halb des Grounds befand, und zerrte seinen Vater ohne Gnade hinaus. Nun ja, so ist das manchmal mit dem Nachwuchs. Es blieb beim 1:1 und, wie ich später im web sehen konnte, im Estadio da Nora ging an diesem Nachmittag noch richtig die Post ab.
17.5.2014 * Borussia Dortmund - Bayern München 0:2 n.V. * 20:00 Uhr * DFB-Pokalfinale * Olympiastadion, Berlin * Zuschauer: 76 197 * Eintritt: 42 EUR für Oberrang Kurve * An- und Abreise mit der Bahn dank Bonusmeilen für umsonst, 9 EUR für Sitzplatzreservierung * Übernachtung im Ibis Berlin Ost zu 28,99 EUR *
Am Bahnsteig des Kölner Hbf trafen zwei Höllers auf drei Witts und die Bahn hatte in weiser Vorausschau die Family-Fraktion des Fan-Clubs "Niederrhein´84" in den gleichen Waggon gebucht. Das hatte den unschlagbaren Vorteil, daß einem die Fahrt über nicht ständig was gelb-schwarzes in den Augen stach. Während die Witts traditionell in Spandau aus- und abstiegen, mußte mein Sohn mit seinem Spätbucher-Vater bis Berlin-Marzahn weiterfahren, um eine der letzten bezahlbaren Absteigen der Hauptstadt zu erreichen. Die wegen Reparaturarbeiten unterbrochene Bahnstrecke Ostkreuz <-> Lichtenberg und der damit verbundene Umweg verzögerte unser Ankommen nicht unerheblich. Paul konnte ich die Merkwürdigkeit der Gegend damit begründen, daß dies die Heimat von Cindy aus Marzahn sei, was ihm nachvollziehbar erschien.
Als wir auf unser Hotel, das aap-Hotel, zusteuerten, wurde mir klar, weshalb im Netz nirgends eine Außenansicht des Gebäudes zu sehen gewesen war. Ein Monster-Plattenbau gigantischen Ausmaßes tat sich vor uns auf. Diese sind in Marzahn ja ganz üblich... wenn sie denn seit der Wendezeit ein Minimum an Renovierung erfahren haben. Nicht so unser Hotel. Das Management des Kastens sollte mit dem Alleinstellungsmerkmal "unverändert seit 1957" werben... äh... warnen müssen. Als wir eintraten, kam es noch besser.
Ein paar Dortmunder, die an der Rezeption anstanden, tröteten uns entgegen "Könnt gleich wieder gehen. Die haben nen Wasserschaden. Alles belegt, könnt gleich wieder gehen." Wir hätten gleich wieder gehen können, taten wir aber nicht. Ich wollte zumindest von offizieller Seite hören, was (wirklich) Sache war. Es dauerte über eine halbe Stunde, bis in dem Chaos überforderter Hotelangesteller und wütender, teilweise angetrunkender Fußballfans überhaupt mal jemand mit mir sprach: "Ja, es gibt keine Zimmer. Gehen Sie gegenüber ins Ibis, die haben noch drei Doppelzimmer frei. Die Mehrkosten übernehmen wir." Gesagt, getan.
Paul und ich blickten beim Wechseln auf die andere Straßenseite kurz in die Fenster des Monsters und wandten uns mit Grausen ab. Gerümpel, Bettgestelle, zugeklebte Fenster... das sowas in Deutschland anno 2014 noch möglich war?! Augenblicke später standen wir in unserem super-sauberen, zweckmäßig modern und nagelneu eingerichteten Ibis Budget Doppelzimmer. Und das sollte uns nur 28,99 EUR kosten? Ja, das sowas in Deutschland anno 2014 noch möglich ist!
Drei Stunden vor Anpfiff trudelten wir am Olympiastadion ein, stärkten uns in einem Hinterzimmer des Preußischen Landwirtshauses für das bevorstehende Spiel und mir lief der ein oder andere Bekannte über den Weg.
Ich war ob der gezeigten Leistungen des FCB in den letzten Spielen pessimistisch und hatte eine Niederlage fest einkalkuliert. Das änderte sich spätestens zur Halbzeit, als klar wurde, daß die Bayern heute das bessere Team waren. Als Robben den BVB wieder mal in den Dreck schickte und Müller gar das 2:0 erstolperte, wurde die nette Wochenendtour mit Sohnemann zum vollen Erfolg. Berlin bleibt eine Reise wert. Spätestens am 6. Juni 2015 wollen wir wieder hier sein!
4.5.2014 * Koninklijke Lyra TSV - RC Hades 1:2 * 15:00 Uhr * Vierde klasse C (4. Liga) * Stadion Lyra, Lier * 1 500 Zuschauer * Eintritt: 10 EUR * An- und Abreise mit der Bahn über Antwerpen Centraal zu 87,50 EUR *
Sitzbänke aus langen Holzdielen, rot-weiß-blau überpinselte Backsteinmauern, eine rostige Stahlträgerkonstruktion für das Dach und in 102 Jahren festge-tretener Lehmboden fallen demnächst der Abrissbirne in Lier zum Opfer. 1500 Zuschauer gaben dem Stadion Lyra das letzte Geleit.
Zu Beginn spielte die Musikkapelle ein Stück, wie es vor vielen Jahren in Belgien traditionell vor jedem Match gespielt wurde. Lyra ging in Führung, doch die letzten beiden Treffer in diesem Stadion gelang den Gästen aus Hasselt.
Mitte der zweiten Hälfte gingen zwei Männer in ungewöhnlicher Mission durch die Zuschauerreihen. Einer trug eine mit Folie ausgelegte Kiste, in der sich etwas Weißes von pampiger Konsistenz befand. Der andere griff auf Wunsch mit Plastikhandschuhen drei der Matschfladen kunstvoll heraus, füllte sie in einen Bierbecher und garnierte das ganze mit einem Löffelchen. Um welche merkwürdige lokale Spezialität es sich hierbei handelte, erfuhr ich von meinem Freund Chris (Jugendtrainer bei RC Hades). Beim Abschiedsbuffet für 350 Leute in der Clubkabine war noch massig Eis übriggeblieben, das nun auf diese Weise unters Volk gebracht wurde.
Nach dem Abpfiff gingen die Spieler entspannt vom Platz und auch dem Publikum war nicht anzumerken, daß hier gerade eine Ära zu Ende gegangen war. Niemand packte Hammer, Säge oder sonstiges Werkzeug aus, um sich ein Stück Tradition aus dem Stadion Lyra zu sichern.
Ich dagegen hatte mir schon vor dem Anpfiff ein morsches Original-Holzstück aus der letzten Sitzreihe mit authentisch doppelter Farbschicht (rot und darunter blau) gegriffen. Wollte da noch nicht wissen, was meine Frau gegen dieses minibiotopische Relikt unternehmen würde, wenn ihm die ersten Krabbeltierchen oder gar Holzwürmer entfleuchen.