"Wenn Du ein Land kennenlernen willst, gehe nicht zu den Ausgrabungsstätten, sondern in die  Tavernen." Das habe er so oder so ähnlich einmal gelesen. Michael Höller hat den Spruch nur  etwas abgewandelt und ihn zu seinem Lebensmotto gemacht: "Statt Tavernen sind es bei mir eben Stadien."[Allgemeine Zeitung / Rhein Main Presse, 1.8.2015]

zum Fußball 2012 (1)


Aufgrund der Rechtsunsicherheit, die mit der am 25. Mai 2018 in kraft getretenen EU-DSGVO verbunden ist, sah ich mich gezwungen, zahlreiche Einbettungen von eigenen you-tube-Videos und viele Fotos, die im EU-Raum aufgenommen wurden, von der Seite zu nehmen. Ich bitte den damit verbundenen erheblichen Verlust an Unterhaltungswert zu entschuldigen!


Champions League Finale in München

FC Bayern München - Chelsea FC

   

Das Ticket !

25.4.2012: Ich übe mich nicht selten – wenn es um Fußball geht - in Zweckpessimismus, um eine mögliche Enttäuschung anschließend nicht zu groß werden zu lassen. So kann ich es selbst dann noch nicht ganz fassen, als ich Schweinsteiger auf SAT1 quer über den Rasen des Bernabeu rennen sah, nachdem er gerade zum 3:1 verwandelt hatte, das das von vielen Münchner Offiziellen so beschworene „Finale dahoam“ tatsächlich Wirklichkeit werden läßt. Der Wahnsinn!

Umso schneller war mir klar, dass ich nach München würde fahren müssen, auch ohne Ticket (das ich natürlich schon längst online beim FCB beantragt hatte). Brauche gar nicht erst bei den Hotelsuchmaschinen reinzuschauen um zu wissen, dass Hotels für die Nacht vom 19. auf den 20. Mai in München inzwischen unbezahlbar geworden sind.

Mit BC 50 in der Tasche brauche ich auch nicht nach Flügen zu suchen. Aber man muss kein Hellseher sein um zu ahnen, dass der 3:25 Uhr-Zug am Sonn- tag nach dem Endspiel Richtung Köln eben wegen der raren bezahlbaren Hotels schnell rappelvoll werden würde. Einzig notwendige Aktion in der Nacht des gewonnenen Elfmeterschießens bei Real Madrid: Zwei Sitzplätze im ICE buchen, für Tochter Pia und mich.

28.4.2012: Der Hype um das Finale nimmt immer größere Ausmaße an. Die Begegnung gegen Chelsea könnte zum herausragenden Tag in der Clubgeschich- te des FC Bayern werden. Was werden sich wohl in der bayerischen Landeshauptstadt für Szenen abspielen? Gemäß meinem Zweckpessimismus konzentriere ich mich nun darauf, den Endspieltag außerhalb der Arena zu planen. Im "tooor"-Forum lese ich davon, daß es ein Public Viewing im Oly geben wird. Das wäre genau der richtige Ort, denke ich mir. Also am frühen Morgen flugs drei tickets geordert (das dritte für Sohn Paul). In dem Moment ahne ich noch nicht, daß die gut 60 000 Karten binnen weniger Stunden restlos vergriffen sein werden und unzählige Interessenten verzweifelt versuchten, ihre Bestellungen im Netz oder telefonisch zu platzieren.

3.5.2012: Kontrolliere schon seit drei Tagen regelmäßig meinen e-mail-Eingang, als ich so gegen 13:15 Uhr die magische, irgendwie nie wirklich erwartete Betreffzeile der neuesten mail erfasse: "Ihre Bestellung bei der FC Bayern München AG -  Buchungs...". Das ist der Standardsatz bei einer ZUTEILUNG - bei Absagen liest sich das anders. Ich öffne die mail (nicht das einzigste mal an diesem Tag) und vergewissere mich. Jepp, Irrtum ausgeschlossen: Ich bin dabei! Während mein acht Monate alter Sohn Martin gerade von seiner Mama gefüttert wird, hüpfe ich erstmal durch die Wohnung. DABEI! Der Wahnsinn!   Statt eines halben Familienausflugs muss ich aber nun alleine fahren.

10.5.2012: Wenn der Postmann zweimal klingelt... am späten Nachmittag trudelt endlich das Ticket ein, obwohl schon am 7.5. abgeschickt. Die EURO- Tickets brauchen nur zwei Tage, kamen aber aus Warschau! Selbst mit BC 50 ist die Bahn teuer. So disponiere ich um und schließe mich LEV-Karsten an, der im Bus mit dem Fan-Club "Bonn" fahren will.


Das Spiel!

19.5.2012 * Bayern München - Chelsea FC   1:1 n.V., 3:4 n.E. * 20:45 Uhr * Champions League Finale * Fußball Arena, München * Zuschauer: 62 500 (im Stadion), 20 380 000 (bei SAT1, Sender-Rekord), 1 000 000 000 (weltweit am TV) * Eintritt: 160 EUR * Anreise: im Fan-Bus zu 59 EUR (unter Bayern-Fans kostet nichts "Sechzig") *

Gegen 6 Uhr treffe ich mit LEV-Karsten am ehemaligen Frechener Autohof ein, wo uns der aus Hagen kommende vom Fan-Club Bonn gecharterte Bus abholen soll. Als das Gefährt anrollt, steigen mit uns etwa 15 Leute ein und so machten sich gut fünfzig Mann und Frau auf den Weg in die (für diesen Tag) Hauptstadt des Weltfußballs. Bei einer Pinkelpause bemerke ich den Witten neben mir, den man sicher zwei Jahrzehnte nicht mehr gesehen hat und der herzlich begrüßt wird. Aufgrund mehrerer ausgedehnter Zwischenstopps und einer Umleitung wegen Autobahnvollsperrung treffen wir erst gegen 14:45 Uhr auf dem Parkplatz an der Arena ein. Es schwirren schon etliche Kartensucher und Souvenirkäufer ums Stadion herum.

Aus Zeitgründen wird der Besuch des Olympiaparks samt Champions-Festival gestrichen und mit LEV-Karsten fahre ich direkt in die Innenstadt. Während er in einer Kneipe am Sendlinger Tor andere vom Fan-Club Niederrhein ´84 treffen will, steige ich am Odeonsplatz aus, wo laut Süddeutscher Zeitung der Treffpunkt der Chelsea-Fans sein soll. Ich will bei Supersonnenschein etwas von der Atmosphäre in der Stadt schnuppern. Und sie ist wirklich absolut gigantisch und einmalig. München ist von (mehrheitlich rot-weißen) Fußballfans überflutet, das ganze Zentrum im friedlichen Fußballrausch. Noch verrückter als die Jubelarien in Berlin nach dem Schweden-Sieg bei der WM 2006.

Am Marienplatz ist die Bierdosen- und Flaschenscherbendichte am höchsten und somit auch das Stimmungsbarometer der Fanmassen. Wie im Karneval, nur statt Narren eben Fans. Ich gucke mir die Humba-Tätärä-Choreographie einiger hundert Bayern-Fans an und wandere weiter über den Stachus zum Hbf. Weil ich immer noch in zivil bin, will ich mir wenigstens einen rot-weißen Schal oder ähnliches besorgen, doch am FCB-shop am Hbf muß man Schlange stehen.

Dafür habe ich keine Zeit. Ich will nämlich noch nach Giesing, um als Groundspotter einige Fotos vom Sechz´ger-Stadion an der Grünwalder Straße zu schießen. Am nächsten Tag soll ein Großteil des Interieurs versteigert werden und danach beginnt eine einjährige Umbauphase. Letzte Chance, den alten Zustand noch abzublitzen. Glücklicherweise ist ein Tor an der Haupttribüne geöffnet und ich kann in den ground reinlatschen. Erste Abriss-Arbeiten im Kurvenbereich wurden schon vorgenommen. Nach einem Imbiss im "München Döner" fahre ich gegen 17:30 Uhr, inzwischen ganz kribbelig geworden, mit der tube zur Allianz bzw. heute zur Fußball-Arena raus.

Horden von Fans steigen unterwegs zu und strömen in Fröttmaning wieder aus der Bahn. Hier ist zwar der Bär los, aber es ist bei weitem nicht so über- laufen, wie ich befürchtet hatte. Außer den Karteninhabern und einigen noch verzweifelt suchenden Fans haben sich wohl vor Spielbeginn nicht viele Schaulustige vor die Arena bemüht. Es gibt einige Fressbuden und UEFA- Souvenirstände, die gut bevölkert sind. Ich lege mir einen inoffiziellen Schal (ist billiger) und einen offiziellen Spielwimpel zu, der jedoch seine 15 EUR nicht wert ist. Stiftung Warentest hätte für die Qualität ein glattes "mangelhaft" geben müssen. Spielprogramme sind der Renner, sie werden in großen Mengen von EURO-Paletten abverkauft.

Beim Einlaß gilt es für mich die Hürde zu nehmen, meine Kamera mit zwei Objektiven reinzuschaffen. Offiziell heißt es, professionelle Fotoausrüstungen seien nicht erlaubt. Aber ist ein 300 mm-Tele-Macro und eine Spiegelreflex schon professionell? Das kann man auslegen, wie man will. Dem ticket-Scan am Drehkreuz folgt die Taschenkontrolle. Bin leicht nervös, aber was ist? Der Typ guckt in alle Fächer meines Rucksackes, bemerkt aber das schwere, am Taschenboden liegende Teleobjektiv nicht. "Viel Spaß!" wünscht mir Mr. Oberflächlich. Kein Wunder, daß die Schickeria hier auch Pyrotechnik mit reinbe-kommen hat. Ich bin erleichtert.


Anderthalb Stunden vor Anpfiff treffe ich LEV-Karsten und die dreiköpfige Familie Witt. So langsam wird es Ernst! Welchen Stellenwert dieses Spiel hat, kann man am ehesten an der Aussage von Uli Hoeness ableiten:

"Das Champions-League-Finale ist das Highlight in der Geschichte des FC Bayern. Wenn man weiß, wie viele große Momente der FC Bayern erlebt hat, ist damit fast alles gesagt."

Hier und heute wird Geschichte geschrieben - so oder so! Noch eine Stunde bis zum Anstoß. Auf den Plätzen der Südkurve sind die mir vom Madrid-Heim- spiel bekannten Kasperlklatschen ausgelegt, ebenso große rote oder weiße Kunststoff-Folien für die Choreographie und die Anleitung dazu vom Club Nr. 12. Allererste Spitzenklasse was die Jungs (und Mädels ?) auf die Beine gestellt haben - nur Schade, daß später in den Zeitungen davon keine Fotos zu sehen sind.

Bayern-Fans sind in der Arena deutlich in der Überzahl, die von Chelsea trudeln erst recht spät in die Blöcke ein. Stadionsprecher Stephan Lehmann moderiert auch diesmal das Intro auf Deutsch, vermutlich sein Pendant aus London übernimmt den englischen Teil. Für Bayern wird "Stern des Südens" gespielt (mit irgendwie weniger Gänsehautfaktor als noch 2010 in Madrid, vielleicht weil es hier in der Arena immer zu hören ist ?!), für Chelsea deren Hymne "Blue Is The Colour". Die Fans von der Stamford Bridge sind nicht sooo stimmgewaltig und ausdauernd im akustischen support, wie ich es erwartet hätte. Statt Busladungen tätowierter Glatzköpfe sind flugzeugweise Familien und "Kegelclubs" mit Fähnchen angereist. Ob das für eine generelle Wandlung des Fan-Typus auf der Insel spricht oder etwas Chelsea-spezifisches ist - I don´t know.

Paule Breitner ist es als "Ambassador" vergönnt, den Europapokal in den Innenraum des Stadions zu tragen. Man möchte im zurufen, er solle den Cup um nichts auf der Welt mehr aus Bayernhänden geben. Die Stimmung ist super, die Spannung steigt bis ins Unermessliche, als gegen 20:35 Uhr die Mann- schaften einlaufen und kurz danach die Choreographie-Helfer die grüne Fahne wedeln, was für alle in der Südkurve bedeutet: Folie hochhalten! Eine endgeile Choreo beherrscht für drei Minuten oder länger die Arena. Hier ist sie jetzt, Gänsehaut pur! Die Londoner Gegenseite hat dem wenig entgegenzusetzen. Nur ein recht kleiner Stoff wandert einmal quer über Hände und Köpfe einiger Chelsea-Fans hinweg.





Rechts neben mir sitzt, wie sich herausstellt, der Dauerkartensitzplatznachbar eines gemeinsamen Bekannten (den man als Autor u.a. eines Buches über das Oly kennt). Er hat gar diese meine Homepage im www. entdeckt und erkennt mich, priceless!



Das Spiel mit der Kicker-Note 1,5 , es dürfte wohl jeder gesehen haben. Der FCB dominiert "dahoam" Chelsea fast nach Belieben, erarbeitet sich ein sensationelles Eckenverhältnis von 20:1 und geht in der 82. min nach vielen vergebenen Möglichkeiten endlich wohlverdient und vielumjubelt in Führung. Doch macht sich keine Euphorie breit. Weder bei mir, noch vermutlich bei den meisten anderen Bayern-Fans. Dabei ist die Mutter aller Triumphe nur wenige Augenblicke enfernt. Barcelona 1999 hat keiner vergessen. Kurz vor Schluß geführt und trotzdem noch alles verloren zu haben, kennt man. So dürfte der erste Torschuß und der damit verbundene Ausgleich von Chelsea in der 88. min keinen wirklich umgehauen haben. Das ist Fußball. Es zählt kein Votum einer Jury für ein schönes Spiel, es zählen nur Tore. Wenigstens reicht es bis zur Verlängerung.

In meiner Magengegend macht sich ein ungutes Gefühl breit. Als es nach 95 min einen Strafstoß für München gibt, bleibt der sonst übliche ausgelassene Jubel aus. Wie man noch vom 11. April in Dortmund weiß, können Elfer auch verschossen werden. Ach ja, Robben wird antreten. Er wird doch nicht...? Doch, er scheitert. Ein 2:1 hätte sicherlich nicht den Sieg bedeutet, zumal es so früh in der Verlängerng gefallen wäre.  Aber der Fehlschuß ist ein Omen dafür - so meine Meinung - daß sich das Finale zu Gunsten von Chelsea wendet. Und sei es noch so unverdient.



Dem am intensivsten miterlebten Fußballspiel meines bisherigen Lebens folgt nach 120 min das Elfmeterschießen. Auf das Tor der Südkurve.







Lahm trifft - Neuer hält gegen Mata! Der FCB führt!





Gomez verwandelt, Luiz trifft. Neuer verwandelt (!), Lampard trifft. Der FCB führt immer noch!





Cech hält gegen Olic, aber Cole verwandelt gegen Neuer. Ausgleich!

Jetzt schießt jedes Team noch jeweils ein Mal, bis die Entscheidung gefallen ist.

Sie fällt ziemlich schnell: Schweinsteiger trifft den Pfosten, aber Drogba kann verwandeln. Aus! Vorbei!





Meinen leeren Kopf kann ich nur unzählige Male ungläubig schütteln. Kann doch nicht sein, oder? Chelsea gewinnt die Champions League? Die haben doch heute nichts gezeigt...



Einen solch tief schmerzenden Moment verarbeitet jede(r) auf seine Weise. Der eine flucht auf die Stärke der Ersatzbank, die andere verdrückt ein paar Tränen. Einige flüchten sofort aus dem Stadion, andere bleiben wie versteinert sitzen. Ich verfolge immer noch ungläubig die Pokalübergabe, mache weiterhin Dutzende Fotos als wäre nichts geschehen. Anschließend laufe ich durch die Reihen, sammle einige Souvenirs wie Fahnen, Klatschpappen und auf den Plätzen der Sponsoren Programme und gar Eintrittskarten ein. Damit lenke ich mich ab, während sich die Arena leert und sich die Chelsea-Akteure mit ihrem Anhang noch gegenseitig feiern.


Gegen 0:45 Uhr gönne ich mir eine echt scharfe Chili-Wurst und verlasse den Ground. Jetzt marschieren fast nur noch Blaue ab. Einige versuchen sich im Außenbereich damit, "Munich Final 2012" und ähnliche Banner als Trophäen zu demontieren und wegzuschleppen. Scheint gar nicht so enfach zu sein. Um 2 Uhr sind die meisten Mitreisenden am Parkplatz, eine dreiviertel Stunde später trifft auch Hertie ein und die Rückfahrt kann beginnen.



Drei Endspiele in Europas Königsklasse mit dem FC Bayern miterlebt (1987, 2010 und 2012) und alle drei endeten mit einer Klatsche. Nicht gerade eine positive persönliche Bilanz. Aber wir kommen wieder! LISSABON, wie ich diese Stadt liebe! Vielleicht nach dem 24.5.2014 noch mehr! Mal gucken, ob man schon ein Hotelzimmer reservieren kann...




5.5.2012 * 1. FC Köln - Bayern München   1:4 * 15:30 Uhr * Bundesliga * Rheinenergie-Stadion, Köln * 50 000 Zuschauer * Eintritt: 37 EUR für n Sitzplatz *

Nach langer, sehr langer Zeit traf ich in Stadionnähe am Haus K. mit den Jungs vom Bayern-Fan Club „Niederrhein ´84“ zusammen. Einige hatte ich seit fast 20 Jahren nicht mehr gesehen. Präse mdx hatte mir für dieses Spiel noch ein Ticket besorgt, echt Super! Gesprächsstoff Nr. 1 war natürlich das anstehende Champions-League-Finale dahoam und die im Fan-Club-Kreis durchweg erfolgreich verlaufene Kartenverteilung durch den FC Bayern.

Um ins Stadion zu kommen, benötigte ich diesmal zwei Anläufe: Beim ersten durfte mein zweites Kameraobjektiv nicht mit rein und so mußte ich zum Depot (einmal rund um die Arena), um es dort während des Spiels zu bunkern. Pünktlich zum Anpfiff drin, saß ich neben dem "Niederrheiner" Guido samt Gattin Iris.



Als Bewohner einer Kölner Vorstadt hab ich seit jeher ein gespanntes Verhältnis zum FC und ein Sieg der Bayern über die Domstädter ist für mich von beson-derer, emotionaler Bedeutung. Normalerweise. Aber diesmal war nichts normal: Vier leicht herausgespielte Münchner Treffer hab ich beklatscht, den 5. Kölner Abstieg schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Na und?! Der Club und alles was drin und drum herum passiert, ist so lächerlich... da kann man sich nicht mal mehr richtig über eine deutliche Klatsche von denen freuen.






Dazu passten die letzten Sekunden der Spielzeit 2011/12. Die Kölner Südkurve entrollte ein Banner "Wir trauern um den 1. FC Köln" und ließ eine ganze Salve schwarzer Rauchbomben los, die ein Viertel des Stadions augenblicklich in dunklen Nebel hüllten. In der 88. Minute wurde das Spiel abgebrochen. Danach rannten a) alle Fußballakteure vom Platz in die Kabinen, b) einige hitzköpfige Kölner aus dem Block auf den Rasen und c) Polizeiketten und Ordner jeweils auf den Platz. Das ganze Szenario wurde so passend wie entlarvend aus den Lautsprechern mit dem Titel der Bläck Fööss "En unserem Veedel" untermalt, in dem es u.a. heißt "...denn he [hier] hält m´r zusamme / ejal, wat och passeet...". Von wegen, alles nur Kölschtümelei.

17.4.2012 * Bayern München - Real Madrid   2:1 * 20:45 Uhr * Champions League, Halbfinale, Hinspiel * Allianz Arena, München * Zuschauer: 66 000 * Eintritt: 100 EUR für Kat. 2 * Anreise: 67 EUR mit der Bahn

Am Hbf traf ich mich am Spätnachmittag mit "dany" aus dem tooor.de-Forum, dem ich mein zweites Ticket für dieses Spiel versprochen hatte. In der Arena erinnerte Stadionsprecher Stephan Lehmann alle Besucher daran, daß sie sich glücklich schätzen könnten, live im Stadion dabei sein zu dürfen. 11-fach überbucht war das Kartenkontingent für dieses internationale Highlight. Auf den Plätzen lagen rote, fächerartige Kasperlklatschen aus, mit der für Stimmung zu sorgen war. Aber auch ohne diese Hilfsmittel brauchte man sich an diesem Abend keine Sorge um eine gute Atmosphäre zu machen.


Ribery in der 15. Minute zum 1:0

Die Bayern beendeten ihre "Scheißwoche" (0:1 in Dortmund, 0:0 gegen Mainz) und spielten wirklich klasse. Der Last-Minute-Treffer von Gomez krönte das Match, welches wegen des saublöden Ausgleichs durch Özil eine ungünstige Wendung genommen hatte. Nach Abpfiff blieb ich noch länger im Stadion sitzen, denn ich hatte es nicht eilig. Mein Zug zurück nach Köln fuhr erst um 3:25 Uhr.






21.3.2012 * Borussia Mönchengladbach - Bayern München   2:4 n.E. * 20:30 Uhr * DFB-Pokal, Halbfinale * Borussia-Park, Mönchengladbach * Zuschauer: 54 049 * Eintritt: 35 EUR * Anreise per Bahn: 11,35 EUR plus Taxi

Borussia hat ein tolles Stadion und, das ist neidlos anzuerkennen, tolle Fans. So war der Rahmen geschaffen für einen geilen Abend! Was sonst noch geil war, z.B. am Spielverlauf, kann man im "kicker" nachlesen, nicht hier.





0:1 Alaba

1:2 Ribery

2:3 Lahm

Dante "Matthäus" drüber

2:4 Kroos

"Berlin, Berlin..."

Weil es im Borussia-Park etwas länger dauerte, dauerte auch die Rückreise mit meinem Kollegen Chris etwas länger. Den letzten Direktzug nach Köln um 10 min verpaßt, ging es ausschließlich per S-Bahn von Rheydt über Mönchengladbach, Düsseldorf bis Köln-Mülheim. Für die letzte Etappe mußte ein Taxi her- halten, welches mich gegen 3 Uhr morgens vor der Haustür rausließ.






11.3.2012 * VfR 06 Neuss - Sportfreunde Neuwerk   1:0 * 15:00 Uhr * Bezirksliga Niederrhein, Gruppe 4 * Nebenplatz des Stadions an der Hammer Landstraße, Neuss * Zuschauer: ca. 70 * Eintritt: 3 EUR * Anreise per Bahn: 15,70 EUR *

Das Stadion liegt unweit des Neusser Hafens. Als ich ankam, war die Freude groß: Es wurde nur nebenan auf Asche gespielt. Der Rasen war nach einem Freundschaftsspiel gesperrt worden. Hrmpf! Muß ich wohl mal wiederkommen, das Stadion mit seiner alten Holztribüne ist einfach zu schön. Der VfR, immerhin waren hier mal Nationalspieler Albert Brülls, die Brüder Friedhelm und Wolfgang Funkel, Hans-Jörg Criens, Jörg Schmadtke u.a. aktiv, steckt tief im Schlamassel: Konkursverfahren abgewickelt, in der Bezirksliga neu gestartet und in den ersten 16 Spielen gleich mal 16 Niederlagen kassiert. Mit dem neuen Trainer Günter Thiele (128x für Fortuna Düsseldorf und 63x für Borussia M´gladbach im Einsatz) geht´s nun bergauf, zuletzt gab es gar zwei Unentschieden zu vermelden. Die Gäste aus M´gladbach mußten nun als Opfer für den ersten Sieg herhalten.  Der war hart umkämpft und letztendlich gar nicht mal unverdient. Aber nur dem günstigen Umstand geschuldet, daß der Verein VfR Neuss mehr als über nur einen Fußball verfügt, nämlich über deren zwei. Als der erste in einer Baumkrone versenkt war, mußte das Spiel minutenlang unterbrochen werden. Der zweite Ball war nicht aufzutreiben und unter den Offiziellen kam ein leichter Anflug von Panik auf ("Wer hat den Schlüssel...?" Ne, ich nicht!" "Wieso, den hast Du doch immer..." usw.)  Irgendwann ward der Ball gefunden und die Partie nahm das o.g. Ende. Unter lautstarkem Fanfaren-Dröhnen und Schlachtgesängen wurden die dankbaren Sieger vom Publikum mit Handschlag verabschiedet und zur Spielerkabine begleitet. In Neuss geht wieder was!






29.1.2012 * 1. FSV Mainz 05 - SC Freiburg   3:1 * 15:30 Uhr * Bundesliga * coface Arena, Mainz * Zuschauer: 30 938 * Eintritt: 27 EUR Sitzplatz * Anreise per Bahn mit BC 50: 42,50 EUR *

Der Shuttle-Service bis in die Nähe vom Stadion war wirklich vorbildlich: Im Sekundentakt brausten Busse zwischen Hbf und Stadtrand hin und her. Nur dann mußte man noch gefühlte zwei Kilometer laufen, bis man endlich vor der neuen Arena stand. Die ist den Mainzern wirklich gelungen: Keine Blechkiste, sondern ein solider, rund herum geschlossener Bau mit Stehrängen für die Heimfans bis unters Dach. Die Kälte an dem Nachmittag hätte ich mir gerne mit einem Kaffee erträglicher gemacht, aber diese für den gemeinen groundhopper unerträgliche Unsitte mit bargeldlosen, stadionbezogenen Zahlungssystemen (hier „Fan-Card“) ist auch an Mainz nicht vorüber gegangen. Die Sekunden, bevor die Spieler aus ihren Kabinen kamen, gab es zur Einstimmung ein Intro, dass dermaßen in die Länge gezogen wurde, dass es schon lächerlich statt spannungssteigernd wirkte. Zu allem Überfluß wurde auch noch „You´ll never walk alone“ angestimmt. Ist ja ganz nett, aber außerhalb der Insel klingt das in meinen Ohren stark aufgesetzt. Na ja, der Masse gefällt es offenbar. „Große Langeweile nach einem spektakulären Start“ schrieb der „kicker“ später über das Duell zweier Abstiegskandidaten. Bis zur 17. Minute hatte Mainz schon dreimal eingenetzt und Freiburg einen Spieler durch eine rote Karte verloren. Das war´s dann schon. Der Rest des Spiels war wie die Stimmung: Mau!


Auf der Rückfahrt im Zug hatte ich endlich Gelegenheit, das Buch „Münchner Bande [eine Hooligan-Story]“ von Toni Meyer bis zum Ende zu lesen. Das ist ein Text, der inhaltlich kaum zwischen zwei Buchdeckel gehört, sondern den man allenfalls in einem Fanzine der frühen 90er Jahre hätte erwarten können. Eigentlich zum Gähnen langweilig, wenn… ja wenn ich da nicht etliche Zeilen mit einem persönlichen Bezug entdeckt hätte, die mich an Namen (z.B. SK ´73, Service Crew, Gelsenszene, Karlsruher Destroyers usw.) und Erlebnisse aus einer Zeit erinnerten, die ich schon fast vergessen hatte.

Zwischen 1987 und 1992 hatte ich durch den Fan-Club „Kaiseradler“, dem ich angehörte, einen engen Bezug zu einer schillernden Person (im Folgenden „D.“ genannt) der Münchner Hooligan-Szene. Zunächst brave Kutte, war aus D. bald ein Raufbold geworden, der jede Gelegenheit nutzte, um Stress zu machen. So war ich einige Jahre im erweiterten Dunstkreis der im Buch von dem Pseudonym Toni Meyer beschriebenen Szene. Ich gehörte keinesfalls dazu, wollte es auch nicht. Doch war es schon abenteuerlich genug, ab und zu nur dabei, statt mittendrin zu sein.

Mit D. war ich zweimal im alten Clubheim der SK ´73 an der Deisenhofener Straße, kannte dessen Boss Jack oder Jacky (ich verstand immer nur „Tschek“ oder „Scheck“, wenn er gerufen wurde) vom Sehen her und war später öfter mal im „Werner“, wo sich die Szene zeitweise traf.

Ganz vergessen hätte ich ohne das Buch die Kneipe „Chocolate“ in der Nähe des Bochumer Hbfs, wo man sich vor Spielen des FCB im Westen manchmal sammelte. Einmal saßen bzw. standen wir drinnen und draußen zogen sich Schalker zusammen und wollten stürmen. Da bekam ich ein leicht mulmiges Gefühl. Fliegende Biergläser und klirrende Fensterscheiben waren nicht so mein Ding. Irgendwie beruhigte sich die Lage, ich raus und D. auch, als uns einige Schalker folgten und D. immer wieder den fight Mann gegen Mann suchte. Dadurch hatte ich Rückendeckung und konnte mich absetzen.

Auch auf St. Pauli gab es mal eine Belagerung der durch Münchner besetzte Kneipe, allerdings nicht durch Hamburger Prügelknaben, sondern durch den Schwarzen Mob der Autonomen von der Hafenstraße. Für die waren alle Münchner gleich Kapitalisten und somit Feinde.

In lebhafter Erinnerung sind mir die in „Münchner Bande“ erwähnten Ausschreitungen während der WM in Italien geblieben, so wie ich sie erlebt hatte. Erst Tränengaseinsatz am Mailänder Domplatz, dann ein zerstörender und plündernder Mob in den Seitenstraßen, eine überforderte Polizei und eine kurzzeitig zum Gefängnis umfunktionierte Metro-Station.

Auf dem Weg zum Halbfinale in Turin gegen England saß ich von Mailand kommend mit dutzenden Engländern im Waggon, als plötzlich die Polizei den Zug stoppte, reinkam und nach Passkontrolle alle Deutschen herausholte und in Busse verfrachtete. Wir wurden zu einem Campingplatz oder ähnlichem irgendwo am Stadtrand gebracht. Aber statt uns festzusetzen, um uns aus der Innenstadt herauszuhalten, konnte man leicht und unauffällig die Biege machen. Ich latschte zunächst orientierungslos durch die Gegend, schaffte es aber irgendwie, mich zum Stadion durchzufragen. Dort kamen dann Kolonnen alter Busse mit muskelbepackten, bis zum Hals tätowierten, halbnackten und „En – ge – land“ skandierenden Insulanern an. D. lief zwischenzeitlich zu Hochform auf und schaffte es nach den Krawallen in der Turiner Innenstadt gar auf die Titelseiten einiger internationalen Zeitungen.

In London 1991 war ich auch dabei, als nach dem Spiel alle Deutschen aus dem Stadion geführt, durch einen Mob tobender Engländer eskortiert und dann in die „tube“ verfrachtet wurden, die eine Sonderfahrt mit uns unternahm. Irgendwo mussten wir umsteigen und standen zusammengepfercht endlos lange in den engen, weiß gefliesten Verbindungsgängen im underground. In der Victoria Station versuchte ich mich abzusetzen, denn ich wollte nicht zurück auf die Fähre, sondern noch ein paar Tage auf der Insel bleiben. Aber die Bobbies gaben mir keine Chance. So saß ich dann bald mit dem Mob im Zug nach Dover. Alle waren ziemlich durstig und hungrig und so fanden meine mitgeführten „Notkekse“ außer mir zahlreiche andere Mitesser. Als wir Dover Priory (oder war es Dover Western Docks ?) erreichten, schlich ich mich auf eine versiffte Zugtoilette, verriegelte sie bewusst nicht und hielt den Atem an, als die Polizisten den channeltrain räumten. Ich musste den richtigen Augenblick abwarten, um auszusteigen: Nicht zu früh, um nicht doch noch von der Polizei erwischt zu werden und nicht zu spät, um nicht mit dem leeren Zug in irgendein Depot rangiert zu werden. Das gelang mir auch. Die Nacht hing ich an irgendeinem Fährterminal ab und nahm am frühen Morgen den ersten Zug zurück nach London.

Bei der Euro 1992 in Schweden lief mir D. vor dem Gruppenspiel Deutschland – Holland in Göteborg über den Weg. Nach dem Spiel wollte er mit einigen gemeinsamen Bekannten direkt über Dänemark mit dem Auto zurückfahren und er bot mir an, mitzufahren. Das passte mir gut, weil das mit der Bahn zurück über Helsingborg weit umständlicher gewesen wäre. Nur musste ich mich daher die ganze Zeit an D.s Versen heften, um ihn nicht zu verlieren. So kam es, dass ich ein einziges Mal in einem Mob mitgelaufen bin. Michel aus Löneberga unter rasenden Terminatoren hätte sich nicht befremdlicher fühlen können. Erst sammelte sich nach dem Verlassen des Ullievi Stadions der Mob auf der Straße, dann wurde diskutiert, was zu machen sei (alle hatten noch die Fernsehbilder der Engländer im Kopf, die kurz zuvor in Malmö gewütet hatten) und plötzlich setzte sich die Gruppe in Bewegung. In der Innenstadt begannen alle rhythmisch in die Hände zu klatschen. Erst langsam und dann immer schneller werdend stürmte man los. Passanten wichen in Panik kreischend aus dem Weg, Fensterscheiben eines Sportgeschäfts gingen zu Bruch (einige nutzten die Gelegenheit zum Plündern) und Augenblicke später marschierte von allen Seiten die Polizei auf. Da es kein Entkommen gab, setzte ich mich schnell zu einer schwedischen Familie an den Tisch einer Eisdiele und blätterte interessiert in der Karte. Die Familie guckte zwar ziemlich blöd, aber hielt sich ruhig. Als Mob und Polizisten außer Sichtweite war, wünschte ich den Schweden noch einen schönen Tag und lief zum Bahnhofsvorplatz. Glück gehabt. Später fand ich D. wieder und irgendwann begann die Heimreise damit, dass uns ein illegaler Taxifahrer unfreiwillig kostenlos zur Fähre in den Hafen brachte, die wir wirklich in aller, allerletzter Sekunde noch erwischten.

Bleibt noch zu erwähnen, dass ich Hooliganismus zu keiner Zeit akzeptieren konnte und kann. Spätestens in Göteborg ist mir deutlich vor Augen geführt worden, WAS diese Leute antreibt und ich kann dieses Verlangen nach einem Adrenalinkick nachvollziehen. Wenn in den Medien oft zu hören ist, Hooligans seien keine Fußballfans, dann geschieht das natürlich mit einer bestimmten Intention. Die Wirklichkeit ist aber eine andere! Ob einem das gefällt oder nicht.