3. Tag
Am nächsten Tag warfen wir drei zuerst einen Blick auf den Stausee von Duhok, bevor wir in der Stadt zum Frühstücken gingen. Kanhan hatte ein Café ausgewählt, das mit einem ungewöhnlichen Interieur aufwartete. Die Wände waren voll mit Fotos von Peschmerga, die in der Zeit zwischen 2014 und 2017 im Kampf gegen den IS ihr Leben verloren. Dazu war eine Vielzahl verschiedenster Waffen und Ausrüstungsgegenstände ausgestellt. Hier war das Fotografieren, wie auch sonst im ganzen Lande, kein Problem (einzige Ausnahme: Gebäude von Ministerien usw.). Mir gefiel das „Motto“ dieses Cafés. Auf diese Art das Gedenken an die Gefallenen wach zu halten, ist etwas besonderes.
Bevor wir Duhok endgültig verließen, mußte noch ein kurzer Stopp im Fußballstadion von Duhok sein. Dank der Überredungskünste meiner beiden Begleiter ließ man uns sogar rein und ich durfte Fotos machen. Allerdings tauchte dann so etwas wie der Pressechef auf und verlangte, dass ich ihm meine Fotos zeigte. Er wollte vermeiden, das irgendwelche Aufnahmen, die den Club oder das Stadion in einem ungünstigen Licht zeigen, in die Öffentlichkeit gerieten. Keine Sorge, das war nicht der Fall. Der Ground machte einen sehr positiven Eindruck auf mich. Könnte man mal wiederkommen und ein Spiel drin gucken. Dann solle ich mich melden und man würde mir einen Ehrenplatz auf der Tribüne und ein Trikot vom Verein überreichen, ließ man mir mitteilen. Tolle Geste, die ich im Falle des Falles garantiert nicht in Anspruch nehmen würde.
Nächste Station auf unserer Tour wurde das Städtchen Akre. Mir waren im Internet tolle Fotos von Häusern an steilen Berghängen aufgefallen und die wollte ich unbedingt live sehen (die Häuser, nicht die Fotos).
Zudem hatte ich auf google maps ein Stadion entdeckt, das potentiell ein LOST GROUND sein konnte. Es trug zudem den vielversprechenden Namen „Old Akre Stadium“. Vor Ort stellte sich das Stadion tatsächlich als LOST GROUND erster Güte heraus. Bei der Begehung versank ich zwar mit meinen Wanderschuhen im Schlamm (kurz zuvor war ein heftiges Gewitter über uns niedergegangen), aber das tat meiner Begeisterung für das verlassene Teil keinen Abbruch. Bin mir nicht sicher, ob meine beiden Begleiter den Grund für meine Ekstase gecheckt haben.
Anschließend steuerte Kanhan die steilen Straßen hoch ins „Stadtgebirge“ von Akre, wo wir an zwei Stellen ausstiegen und ich Fotos machen konnte. Wir fuhren noch weiter zu einer alten Moschee, aber die wollte ich aufgrund meiner versauten Hose nicht betreten. Am Stadtrand von Akre verabschiedeten wir Mustafa, der zurück nach Zakho wollte, und wir fuhren zurück nach Erbil.
Bevor mich Kanhan am Hotel ablieferte, zeigte er mir in Erbil noch das Mudhafaria Minarett. Das ist aktuell 36 m hoch und wurde in der Zeit zwischen 1190 und 1232 gebaut. Beeindruckend!
Gerade hatte ich mich aufs Hotelbett geschmissen, da meldete sich Teamchef Dirk mit dem link zu einer Live-Übertragung eines Fußballspiels im Irak. Ob ich da sei? fragte er. Wo? Was? Kurz recherchiert, mußte ich mir heftig auf die kahle Stirn klatschen. Da lief ein Spitzenspiel der Kurdistan Premier League. Und wo? In Akre! Verdammter Bulls**t! Leichtfertig ein weiteres Spiel im Irak vergeben. Ich hatte zwar vorher nach dieser Liga gegoogelt, war aber nur auf veraltete Seiten gestoßen und hab da, auch aus Zeitmangel, nicht weiter nachgeforscht. Selber Schuld, Höller!
4. und 5. Tag
Nach zwei Tagen auf Achse standen mir jetzt zwei ruhige Hotel-Tage ohne Standortwechsel bevor. Die „arabische“ Uber-App Careem nutzte ich lediglich dazu, mich zu drei vermeintlichen LOST GROUNDS innerhalb der Stadt chauffieren zu lassen. Bei zweien kam ich rein, beim dritten nicht (abgezäuntes und bewachtes Universitäts-Gelände).
Die wichtigste Sehenswürdigkeit von Erbil ist die Zitadelle. Leider ist sie seit 2017 (?) wegen Renovierungsarbeiten nicht zugänglich. Laut UNESCO ist die Zitadelle einer der ältesten durchgängig bewohnten Orte der Welt. Man sagt, daß dort derzeit noch ein Familie lebt, um den Status der durchgängigen Bewohnung nicht zu gefährden. Aber auch von außen konnte ich mir bei einer Umrundung einen guten Eindruck von dem Ding verschaffen.
Meine übersichtliche „must see“-Liste in Erbil war schnell abgehakt. Am Rande der Stadt entstehen übrigens ganz neue Wohnviertel für zahlungskräftiges Klientel und in deren Reichweite befinden sich moderne Shopping Malls usw., was einen ziemlichen Kontrast zum Rest der Stadt darstellt. Mir ist das alte Erbil lieber.
6. Tag
ERB -> SAW -> CGN mit Pegasus zu 245,03 EUR
Das der Irak doch kein so ganz normales Reiseziel ist, merkte ich spätestens bei meiner Taxifahrt zum Airport. Bevor man auf das Flughafengelände fahren durfte, wurden alle Fahrzeuge komplett auf links gedreht: Alles austeigen, Kofferaum auf, Türen auf, Spürhunde (eher Sprengstoff- als Drogenhunde ?!) schnüffelten alles ab, ggf. sogar Taschen- oder Kofferkontrolle. Safety first!
Auf dem Rückflug hatte ich mir einen 12stündigen Zwischenstopp in Istanbul eingebaut, denn auf der Prinzeninsel Büyükada hatte ich was dringendes zu erledigen!
Lost Places im Allgemeinen erregen bei mir selten mehr Interesse, als LOST GROUNDS.
Bei dem Griechischen Waisenhaus Prinkipo auf der türkischen Insel Büyükada war das aber absolut der Fall. Schon seit Jahren (!) stand dieses Gebäude, das größte Holzhaus in Europa (und das zweitgrößte auf der Welt), auf meiner Liste. Jetzt war es soweit, ich konnte dieses Teil endlich umrunden. Und was soll ich sagen? Es war noch grandioser, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können. Diese gleichmäßige Struktur der Holzbretter bei gleichzeitigigem Chaos des Verfalls waren ein wundervolles Fotomotiv.
Interessant auch die Geschichte dieses Bauwerks. Google mal selbst :-)!