"Wenn Du ein Land kennenlernen willst, gehe nicht zu den Ausgrabungsstätten, sondern in die  Tavernen." Das habe er so oder so ähnlich einmal gelesen. Michael Höller hat den Spruch nur  etwas abgewandelt und ihn zu seinem Lebensmotto gemacht: "Statt Tavernen sind es bei mir eben Stadien."[Allgemeine Zeitung / Rhein Main Presse, 1.8.2015]






Nach dem Besuch an der Grenze fahren wir ins nahegelegene Kaeson zum Mittagessen. Da die Stadt lange Zeit eine Königsstadt war, fällt auch unser Mittagsessen königlich aus. Den Reis isst man üblicherweise zum Schluß und man sollte ihn nicht ganz aufessen, um dem Gastgeber zu zeigen, daß man satt geworden ist. Alles andere wäre eine Beleidigung. Ich hoffe, man hat es mir nicht übelgenommen, daß ich insbesondere den Reis IMMER GANZ aufgegessen habe. Wollte keinen beleidigen... es war reiner Selbsterhaltungstrieb.

Aus der Gruppe am Nebentisch fotografiert ein Gast die Speisetafel, wie sie halt so aussieht, wenn man fertig ist. Das versucht die Kellnerin energisch zu verhindern und sogar die Führerin der Gruppe muß eingreifen. Der Gast ist total empört, die Einheimischen aufgebracht. Über die Gründe, warum man (halb-) leere Teller nicht ablichten sollte, kann man nur spekulieren. 



In Kaesong gibt es eine alte Tempelanlage, die es sogar ins Weltkulturerbe der UNESCO geschafft hat. Sehr schön anzuschauen. Unser Guide erklärt, die Amerikaner hätten Kaesong absichtlicht nicht bombardiert, weil sie dachten, daß die Stadt später Südkorea zugeschlagen wird. Man merkt deutlich, daß der Enthusiasmus der Reisegruppe so langsam nachläßt. Es mag an der Hitze, aber auch am vollgepackten Programm der letzten Tage liegen.





Rückfahrt nach Pjöngjang. Auf halber Strecke machen wir am wohl einzigen Rastplatz entlang der Autobahn eine Pause. Es muß nicht wundern, daß wir dort die gleichen Personen, Tische und Waren antreffen, die wir schon auf der Hinfahrt auf der gegenüberliegenden Seite gesehen hatten. Sie warten eigentlich nur auf die fünf oder sechs Touristenbusse, die fast täglich nach Panmunjeom fahren. Zur Mittagszeit werden alle Tische usw. über die Autobahn geschleppt, um dann die zurückkehrenden Busse abzufangen.

"Korea ist eins"

Sonnenuntergang über Pjöngjang.

Das Abendessen nimmt unsere Gruppe, inzwischen längst auf sieben Teilnehmer geschrumpft, im Drehrestaurant des 44. Stocks unseres Hotels ein. Der Aus- blick ist überwältigend. Die untergehende Sonne müht sich mit letzter Kraft durch den diesigen Abendhimmel. In den Straßenschluchten zwischen den Hoch- häusern ist es längst dunkel. Die fehlenden Großstadtlichter lassen die Szenerie gespenstig anmuten. Ich versuche, während unser Tisch um Bar, Küche und Aufpasserin rotiert, den toten Winkel zum Fotografieren zu nutzen. Zwecklos, ich werde erwischt. Die Lichtverhältnisse lassen leider auch keine Schnapp- schüsse zu.




22.8.16 (12. Tag)

Fünfter und letzter Programm-Tag in Nordkorea. Gott sei Dank, es ist bald geschafft... denkt sich inzwischen wohl jeder. Die zwei Jungs aus Österreich sind schon seit zwei Wochen mit dabei und haben das ein oder andere gar doppelt gesehen.

Seit Anfang des Jahres gibt es den futuristisch anmutenden Sci-Tech-Complex, zu deutsch: Palast der Wissenschaft und Technik. Hier wird nicht nur geforscht, sondern auch ausgebildet.




In der großen Eingangshalle müssen sich alle Besucher vor dem Ewigen Präsidenten und seinem Sohn verbeugen. Die Anweiserin (oben ganz rechts im Bild) achtet darauf, daß sich keiner vorbei schleicht. Man sieht, daß sie im Verbeugen sehr geübt ist: So tief wie sie kommt keiner.



Im Zentrum des Gebäudes steht die Nachbildung einer Rakete. Hunderte Studenten und Schüler wieseln umher. Wir bekommen eine ausgiebige Führung durch alle Stockwerke.


Foucaultsches Pendel



500 Arbeitsplätze. Keiner ist angeschlossen...

Modell des Heizkraftwerkes Pjöngjang.

Alles wirkt professionell konzipiert und umgesetzt. Nach meinem Geschmack gibt es ein paar zuviele Miniaturnachbauten z.B. von Bergwerken usw. Vermut- lich konnten sich hier einige Freaks austoben, die daheim keine Modelleisenbahn im Keller haben können. Einzig in der internationalen Bibliothek fiel mir auf, daß die vorhandenen Bücher zum Thema Informatik ziemlich alte Schinken sind.

Auch im hypermodernen Sci-Tech-Complex gibt es natürlich kein Internet. Stattdessen holt man sich die Infos von lokalen Hosts oder so. Einige Kinder schauen sich amüsiert Zeichentrickfilme an. Bei jedem fünften PC-Nutzer flackert irgendwas militärisches über den Bildschirm, etwa Konstruktionen von Kampfhubschraubern oder sowas. Hilfe, die meinen es ernst...!

Zwischendurch muß ich mal zum Pinkeln die Gruppe verlassen. Als ich die nicht auf Anhieb wiederfinde, spricht mich im allgemeinen Gewusel hunderter herumlaufender Leute ein Mann im grauen Kittel an. Bitte folgen...! Was sonst nur Vermutung ist, bestätigt sich hier umgehend: Als Ausländer ist man niemals unbeobachtet.




Das Fräulein rechts hat tatsächlich ein Notebook in der Hand.

Bild aus Glasstäbchen. Man beachte die Bandenwerbung!

Wir sollen nochmal Geld in die Kassen der einheimischen Künstler spülen und so fahren wir zum Mansudae Art Studio. Allzu großer Umsatz findet jedoch nicht statt. Auf größeres Interesse stößt dagegen der kleine Ground nebenan, wo irgendein Team gerade trainiert.


Heftig...!






Wir bleiben der Kunst treu und besuchen als nächstes die Filmstudios Pjöngjang. Anders als bei den Universal Studios in L.A. gibt es hier keine spektakulären Attraktionen wie etwa den weißen Hai oder eine Villa, in der Norman Bates einst sein Unwesen trieb. Uns wird gezeigt, wo Fernsehsendungen geschnitten und synchronisiert werden.







Es folgt ein Rundgang durch die Filmkulissen. Der Guide betont immer wieder, daß alles ganz originalgetreu nachgebaut wurde, wie z.B. eine japanische Straße aus den 50er Jahren, eine südkoreanische Straße aus den 60er Jahren usw. Sogar ein paar europäische Häuser sind zu sehen. Ein zerbombtes Capitol oder ein abgebranntes Pentagon kann ich nirgends entdecken. Die historischen Kulissen sehen genauso aus wie die Tempelanlage in Kaesong. Hoffentlich wurde beides nicht von den gleichen Händen erschaffen.




Kann als "Deutsches Haus" durchgehen.





Am späten Nachmittag geht es auf ein Gelände, auf denen etwa sieben riesige Gebäude stehen, darunter auch eine Sternwarte. Wir dürfen die Halle besichtigen, die den Titel "Schwerindustrie" trägt. Einige der Modellanlagen ähneln denen, die wir schon im Sci-Tech-Complex gesehen haben. 



Der berühmte Sack Zement fiel in Wirklichkeit in Nordkorea um.




Die ausgestellten Spezialfahrzeuge scheinen schon ein paar Jahrzehnte alt zu sein. Mir ist nicht ganz klar, ob wir ein Museum oder eine Art Leistungsschau besuchen.

Interessanter wird es bei den gezeigten PKWs aus einheimischer Produktion. Es ist hinlänglich bekannt, daß Nordkorea aufgrund seiner Juche-Ideologie hochgradig Selbstversorger ist. Es baut bekanntlich eigene Raketen... aber auch Autos? Hm...  Tatsächlich ist es so, daß die Fahrzeuge als Bausatz geliefert (vermutlich aus China) und in einer inländischen Fabrik nur noch montiert werden. Jahresproduktion: ca. 1 500 Autos. 

Autos aus einheimischer Produktion?



Fotos aus dem Vorraum des Juche-Turms.


Mit dem Thema "Schwerindustrie" sind wir offenbar schneller durch als geplant. Jedenfalls haben wir bis zum Abendessen noch knapp anderthalb Stunden Zeit. Der Guide fragt uns zu unserem Erstaunen, WAS wir uns anschauen wollen. Plötzlich haben wir ungeahnte Entscheidungsfreiheiten... Wir einigen uns auf den Besuch des Juche-Turms, der in der Nähe liegt. Leider ist der geschlossen. Sonst hätte man mit einem Aufzug bis hoch zur Fackel fahren können. Wir hängen am Ufer des Teadong ab und verfolgen den Sonnenuntergang. 


Juche-Turm: Höher als der Kölner Dom.

Hammer, Pinsel und Sichel: Das Emblem der Arbeiterpartei Koreas. Den Pinsel benutzt man nicht zum Anstreichen, sondern zum Schreiben. Er symbolisiert die Intellektuellen.





Für das letzte Abendmal suchen wir einen besonderen Ort auf, nämlich den Taedonggang Diplomatic Club. Keine Ahnung, welche Funktion dieser Club hat und warum (auch) WIR da rein dürfen. Vielleicht reicht es einfach nur, Ausländer zu sein? Die üppige Speisekarte weckt Hoffnungen in mir, endlich mal was vernünftiges zu Essen zu bekommen, obwohl nur die wenigsten Speisen ausgepreist und damit möglicherweise verfügbar sind. Aber nein, es gibt mal wieder Kimchi & Co.  Aber - jetzt aufgepasst - es gibt Coca-Cola im Ausschank, DAS Getränk des Erzfeindes! Importiert aus Dänemark. Prost.

Vom Restaurant aus können wir in eine große Schwimmhalle schauen, in der sich einsam ein Vater mit zwei Kindern vergnügt. Sieht nobel aus. Wenn ich an Kaeson zurückdenke, wo wir im Vorbeifahren ein Freibad für Einheimische gesehen habe... liegen da mehr als Welten dazwischen.




23.8.16 (13. Tag)



Nun heißt es Abschied nehmen von Pjöngjang. Könnte nicht sagen, daß es mir schwer fällt, die Stadt zu verlassen. Eigentlich kann man nicht meckern: Das Hotel war klasse, das Programm vollgepackt mit Besuchen ganz verschiedenster Orte. Ich habe gefunden, was ich gesucht habe: Ein Land voller Rätsel, Widersprüche und Skurilitäten. Es gab viel zum Erleben und Staunen. Und zum Nachdenken für Unterwegs und zu Hause. Das Essen war nicht das, was mein Herz höher schlagen ließe. Aber dafür gab es keine gesundheitsbedingten Ausfälle. Der Aufenthalt in Nordkorea war nicht schön, aber doch interessant. Die Dosis von 5 Tagen kann ich gerade noch verkraften. Jeder Tag länger wäre vermutlich eine Qual geworden und eine Rückkehr ist zu 99% ausgeschlossen.

Um kurz nach 10 Uhr rollt unser Zug Nr. 51 gen Norden. Unser Zug, d.h. der Zug von Sebastian, Uwe und Kai aus Erfurt und mir. Wir haben Plätze im gleichen Abteil bekommen. Der Zug nach Dandong ist wieder voll mit Touristen aus China.



In unserem Abteil sitzt u.a. ein merkwürdiger Alter. Er ist Asiate, hat einen amerikanischen Paß, war nach eigenen Angaben schon über 70 mal in Nordkorea, fotografiert ständig mit Teleobjektiv aus dem Zug, schreibt sich penibel die Durchfahrtszeiten durch die Unterwegsbahnhöfe auf und wird später beim Zoll schon als alter Bekannter gefeiert. Seine Kamera wird, so wie wir es erleben, nicht kontrolliert.






Sah man öfter entlang der Strecke: Pfahlhüttchen mit Bewohner(n).



Anders als auf der Hinfahrt traue ich mich jetzt, durch das Zugfenster nicht nur grüne Landschaften aufzunehmen, sondern auch Bahnhöfe, Menschen und Wohnhäuser. Wie bei einem guten Buch, so hält sich bei dieser Reise die Spannung bis zum Schluß: Welche Fotos und Filme können wir über die Grenze "schmuggeln", welche passen dem Zoll nicht und werden dementsprechend gelöscht?

Die Auflösung gibt es im Grenzbahnhof Sinŭiju, wo man wieder geschlagene zwei Stunden herumsteht. Wir geben die Kameras, Handys usw. ab und be- kommen sie einige Zeit später zurück. Die vollen SD-Karten will keiner sehen. Ich bemerke später, daß der Zoll etwa 50 - 60 Fotos zurückgeblättert, aber nix gelöscht hat. Puuuh.... durchatmen!

Obwohl China nicht gerade ein Hort der Freiheit und Demokratie ist, so überkommt mich dennoch ein befreiendes Gefühl, als wir über den Yalu River rollen und in den Bahnhof Dandong einfahren. Es steht uns eine längere Kontrolle durch die Chinesen bevor, aber die Jungs aus Erfurt werden ihren Anschlußzug nach Peking noch erreichen. Am Bahnhofsvorplatz, unter den Augen von Mao Zedong, verabschieden wir uns.

Mein erster Weg, wer mag es mir verdenken, führt mich in einen Fastfood-Laden. Trotz der langen Entbehrung... schmecken will es nicht.


In Asien sind die Insekten im allgemeinen größer als daheim.

Am Abend schlage ich nochmal den Weg ein zum Yalu River und der Freundschaftsbrücke. Mein ganzes Interesse gilt den nordkoreanischen Geldscheinen, die dort von Straßenhändlern angeboten werden. Es gibt die aktuelle Serie (2009 herausgegeben) und den Vorgänger. Beide komplett und fein säuberlich  mit dem passenen Münzgeld und einem Briefmarkenblock dazu in einem Etui eingelegt. Preis: Zwischen 35 und 50 Yuan, also um die 5 EUR. Der höchste Nenn- wert eines Scheines ist 5 000 Won. Wenn in Nordkorea etwas mit 5 000 Won ausgezeichnet war, hätte man als Tourist etwa 50 EUR dafür zahlen müssen. Soweit der "offizielle Kurs", von einem möglichen inoffiziellen Kurs mal ganz zu schweigen. Nun bekommt man am Yalu River weitaus mehr als 5 000 Won für nur 5 EUR. Wie kann das sein? Ist es vielleicht Falschgeld, was die Chinesen da verkaufen? Ich bin ja kein Experte, aber ich tippe darauf, daß es sich um echten Won handelt. Die Sache mit dem Geld ist nur ein weiteres Thema, das so undurchsichtig ist, wie fast alles, was mit Nordkorea in Verbindung steht.




24.8.16 (14. Tag)

Nach einer weiteren Nacht im Yalu River Hotel fahre ich mit der Bahn zurück nach Peking und fliege über PEK nach Dubai DXB.



25.8.16 (15. Tag)

Diesmal hab ich über 10 Stunden Aufenthalt und so nutze ich Zeit und Metro & Bus-Tageskarte, um etwas in Dubai herumzufahren. Pjöngjang <-> Dubai - krasser kann ein Kontrast wohl kaum sein. Bin schon um morgens um halb neun in der Dubai Mall unterwegs, einer der größten Einkaufszentren weltweit. Kaum ein Laden hat geöffnet, es geht erst um 10 Uhr los. Aber die ersten Eishockey-Cracks rauschen schon über das Eis, während es draußen schon über 35°C heiß ist. Mit dem Aufzug auf den Burj Khalifa raufzufahren, kostet knapp 50 EUR. Nein, danke! Heute wäre auch keine Timeslot mehr frei gewesen. Ich bin froh, daß ich (dank eines Stopovers) hier bin. Denn jetzt bin ich mir sicher, daß ich hier nie wieder hin will. Diese künstliche Welt mitten in er Wüste ist mir ein Grauen. 

Klimatisierte Bushaltestelle.






Dubai Mall: Fische im wahrsten Sinne des Wortes IM Schaufenster.




Burj Khalifa, 828 m hoch

Ich und der Burj.

Für 50 EUR kommt man nur auf 639 m.



Um zu einem versöhnlichen Abschluß zu gelangen, spotte ich noch zwei Grounds, die in der Nähe von Metrostation liegen. Und dann geht es weiter nach Düsseldorf DUS. Zehn Stunden später muß ich wieder in der Firma erscheinen.

Fazit:

Nordkorea wird mir ein Leben lang in Erinnerung bleiben.

Es ist Korea und seinen Menschen zu wünschen, daß sie eines Tages ohne Grenzen in Frieden und Freiheit leben können.

Al Maktoum Stadium


Al Rashid Stadium


ENDE