"Wenn Du ein Land kennenlernen willst, gehe nicht zu den Ausgrabungsstätten, sondern in die  Tavernen." Das habe er so oder so ähnlich einmal gelesen. Michael Höller hat den Spruch nur  etwas abgewandelt und ihn zu seinem Lebensmotto gemacht: "Statt Tavernen sind es bei mir eben Stadien."[Allgemeine Zeitung / Rhein Main Presse, 1.8.2015]


Traditionell düst Frau samt Kindern kurz nach Weihnachten nach Belarus, um – der orthodoxe Kalender macht´s möglich – bei ihren Eltern bzw. Oma und Opa, ein zweites Mal Weihnachten feiern zu können. Das muss ich nicht haben.

So begann ich Anfang November mit der Planung einer kleinen Fußballreise. Zielgebiet: Circa Naher / Mittlerer Osten. Nach drei Monaten wieder Türkei? Nein. * Fußball im Libanon mit Zuschauern? Ungewiss. * Länderpunkt Saudi-Arabien? Flüge teuer. * Nochmal Iran? Nur ein Spieltag und Visumbeschaffung kritisch. * Israel? Spiele sicher mit Zuschauern. Flugpreise? OK. Einreisebestimmungen? Machbar. Am 7. November Buchung der Flüge Frankfurt/M –> Tel Aviv und zurück mit Lufthansa, viereinhalb Tage Aufenthalt.

Doch die Welt drehte sich weiter. Am 26. November starb mein Vater im Alter von 84 Jahren, nur elf Monate nach meiner Mutter. Es kam eine Reihe von dunklen Tagen. Nach der Beerdigung war mir klar, das ich nach Weihnachten unbedingt „raus“ musste, um von all den Ereignissen Abstand zu gewinnen.

Nur hatte Israel aufgrund steigender Corona-Zahlen und der Ausbreitung der Omikron-Variante inzwischen die Grenze für Touristen geschlossen. Die Tel Aviv-Flüge buchte ich um auf Ostern 2022. Zudem verschärfte Großbritannien seine Einreisebedingungen (3 Tage Quarantäne) und Ryanair cancelte meinen Rückflug von STN -> DTM für das dritte Wochenende im Januar 2022. So war ich gezwungen, gleich vier „Hidden London“-Buchungen (sehr begehrte Führungen durch verlassene U-Bahn-Stationen) zu stornieren. Gerade noch rechtzeitig am letzten Tag der Rückgabe-Frist, sonst hätte ich über 200 GBP verballert.

Was nun? Es sah so aus, als könnte es demnächst mit Fußball und Reisen mal wieder ziemlich eng und ungewiss werden. Daher noch schnell eine Tour durchziehen, bevor es zu spät ist, dachte ich mir. Also doch Saudi-Arabien. Ließe sich mit Kuwait kombinieren. Zum Glück hatte ich mir schon vor Monaten einen zweiten Reisepass besorgt, denn der erste trägt verräterische Hinweise auf meinen Israel-Aufenthalt 2018.



Für beide Länder braucht man ein Visum, welches jeweils online beantragt werden kann. Ich begann mit Kuwait. Kosten: Bescheidene 3 KWD, also 8,77 EUR. Bestätigung und eVisum für einen Monat klingelten Stunden später im e-mail-Postfach. Nun Saudi-Arabien. Dieses Visum ist nicht so billig zu haben. Hierfür waren königliche 535 SAR hinzublättern, also sage und schreibe 126,95 EUR. Dafür war aber eine Corona-Versicherung enthalten und ein Jahr lang sind mehrere Einreisen möglich. Auch hier erhielt ich schon nach kurzer Zeit eine schriftliche Bestätigung.

Nun begann ich, nochmal sehr sehr gründlich die Einreisebestimmungen beider Länder zu studieren. Nicht nur die Seite des Auswärtigen Amtes, auch die der Fluglinien und Reiseländer. Hmm… in Kuwait muss man nach der Ankunft zwingend in Quarantäne, bis das Ergebnis eines PCR-Testes vorliegt. Das könne bis zu 12 Stunden dauern. Dazu, wie in Saudi-Arabien auch, muss man eine App hochladen usw.  Für maximal 48 Stunden Aufenthalt in Kuwait war mir das zu aufwändig, zu kompliziert und zu unwägbar. Kuwait wurde kurzerhand von meiner Liste gestrichen. Also NUR Saudi-Arabien und zwar direkt ab Frankfurt mit der Lufthansa. 28.12. hin und 4.1. zurück. Keine erschwerenden Kombinationen mit irgendwelchen Umsteigeverbindungen. Das saudische Super-Cup-Finale am 6. Januar zwischen Al Hilal und Al Faisaly klammerte ich wegen mir zu hoher Rückflugkosten aus.

Mir blieben 12 Tage Zeit zur Vorbereitung. Ziemlich knapp, aber genug. Hotels, Inlandsflüge und eine Tour in die Natur zu buchen ging leicht. Sich aus Deutschland schon vorab Fahrkarten für den Zug oder Eintrittskarten für Spiele zu sichern, war hingegen unmöglich, da für die Buchungen eine saudische Handynummer erforderlich ist.

Die Hopperkollegen Teamchef und Michael Vormwalde wurden wegen detailierter Informationen angezapft. Insbesondere Michael, der selbst erst drei Wochen zuvor im Lande gewesen war, konnte mir bei der Planung in wesentlichen Dingen wertvolle Hilfe leisten (z.B. für saudische Steckdosen den UK-Adapter mitzunehmen).


28.12.2021, 1. Tag

Flüge FRA -> RUH und zurück mit Lufthansa inkl. AIRRail ab/bis Düsseldorf Hbf zu 695,43 EUR * 4x ÜF im Plaza My Business Hotel, Riyad zu je 67,50 EUR / Nacht

Es ist 4 Uhr morgens und Frau und Kinder sind gerade zu ihrem Winterurlaub aufgebrochen. Ich checke nochmals meine Reisedokumente: Negativer PCR-Test (zu 89,90 EUR), digitale Nachweise über drei Corona-Impfungen (inkl. Booster), saudisches e-Visum, saudische Ankunftsregistrierung, Reisepass usw usf … alles dabei.

Um 7:20 Uhr stehe ich am Bahnsteig vom Bahnhof in Bergisch Gladbach. Mir geht es gar nicht gut. Und das war in letzter Zeit ziemlich oft so. Mit Stimmungsschwankungen wäre das Phänomen nur unzureichend beschrieben. Wenn ich mich einigermaßen normal fühle, kann ich eine Reise nach Saudi-Arabien buchen. Riesig freuen kann ich mich dann darauf nicht, denn die Stimmungsschwankungen haben keine Ausschläge nach oben. Eher nach unten und davon nicht zu knapp. In einem solchen Zustand bin ich von fast allem überfordert, will mich nur noch zurückziehen, Türe zu, nichts sehen und nichts hören wollen. Um solche schlechten Phasen abfangen zu können (in dem ich z.B. mein Tagesprogramm dem aktuellen Gemütszustand anpassen kann), ist es für mich derzeit noch wichtiger als sonst, meine Groundhopping-Touren alleine durchzuführen. Ich hätte z.B. keine Kraft, mit einem Reisekumpel darüber diskutieren zu müssen, warum das lange geplante Spiel XY für mich heute nicht machbar ist oder ich vielleicht schon nach 70 Minuten unbedingt aus dem Stadion muß.

So stehe ich auch um 7:25 Uhr noch am Bahnsteig in Bergisch Gladbach. Die anvisierte S-Bahn nach Köln fällt wegen Signalstörung aus. Dann sehe ich auf meiner DB-App, das auch die nächste S-Bahn ausfallen wird. Scheiße! Wie lange wird es dauern, bis so eine Signalstörung behoben ist? Wenn auch die übernächste S-Bahn ausfällt, erwische ich in Köln-Messe/Deutz meinen ICE zum Frankfurter Flughafen nicht mehr. Ich kann kein Risiko eingehen, zerre meinen Koffer zum Taxistand und lasse mich für 40 EUR nach Deutz chauffieren. Die Kohle dafür werde ich mir zurückholen! In Deutz hat natürlich auch mein ICE Verspätung. 25 Minuten.

In Frankfurt Flughafen Fernbahnhof angekommen, bleiben mir bis zum Abflug nur noch knappe zwei Stunden. Aus den Angaben auf der Lufthansa-website oder aus meinen Buchungs-e-mails war nicht ersichtlich gewesen, wo genau ich nun meinen Koffer würde aufgeben können. Der Online-Check-In funktioniert nicht, ohne das dafür ein konkreter Grund angegeben wird und den Call Center der Lufthansa zu erreichen war, ein Ding der Unmöglichkeit. Ich versuche es beim AIRail Terminal. Fehlanzeige. Ich versuche es im Terminal A beim Self-Check In. Fehlanzeige. Ich werde ins Terminal B geschickt zur Gepäckaufgabe am Schalter. Da stehen mindestens 250 Leute und 500 Koffer vor mir in der Schlange. Fuck! Ich brauche genau eine Stunde, bis ich dran bin.

Als die Dame am Check In-Schalter mein Reiseziel Riyadh bemerkt, tauchen zweifelnde Falten auf ihrer Stirn auf. Sie schnappt sich meinen Stapel Einreisedokumente und verschwindet ins back office. Als sie zurückkommt, fragt sie nach der Tawakkalna-App. Das ist eine saudische Corona-App, mit der man seinen Impf-Status nachweisen kann. Ja, die hab ich schon installiert, aber die funktioniert nur mit einer saudischen Handynummer und die habe ich noch nicht, erkläre ich. OK, die Falten auf der Stirn der Dame verschwinden.

Beim Überreichen der Bordkarte gibt sie mir noch den gut gemeinten Rat, ich solle mich ein bisschen beeilen. Denn der Flug startet in 40 Minuten und in 10 Minuten schließt offiziell das Gate. Danke Lufthansa! Nassgeschwitzt und hungrig komme ich am Gate an, wo ich schon erwartet werde. Geschafft.

Pünktlich um 12:05 Uhr geht es los. Die Maschine fliegt zuerst nach Riyadh und wird später nach einem kurzen Zwischenstopp weiter nach Bahrain jetten.

Ich drücke mich fest in meinen Sitz am Gang und fange an zu grübeln. Ob das gerade eine gute Idee ist, während steigender Omikron-Zahlen nach Saudi-Arabien zu reisen? Wird schon klappen, mache ich mir Mut. Die für uns Westeuropäer befremdliche (da fundamentalistisch islamisch konservative) Staatsreligion in der Ausprägung des Wahhabismus, die in Saudi-Arabien herrscht, schreckt mich nicht. Zu neugierig bin ich auf dieses für Nichtmuslime lange verschlossene Land. Wo ich aber den totalen Horror vor habe, ist ein technischer Aspekt: Wird das mit meiner saudischen SIM-Card funktionieren? Werde ich im Land überall den zwingend notwendigen guten Empfang haben? Zwei, drei Tage ohne Internet wie neulich in Diyarbakir kann ich mir in Saudi-Arabien keinesfalls leisten. Dazu die Unsicherheit, ob ich für zwei angepeilte Erstligaspiele im Vorfeld mein Ticket ergattern kann. Und ganz existenziell: Werde ich diese Tawakkalna-App ans Laufen bekommen? Bei den Gedanken daran wird mir wieder ganz schlecht. Ich war noch nie vor der Ankunft in einem fremden Land so nervös wie jetzt.

Computeranimation im Flugzeug.


Flughafen Riyadh. In der Bildmitte die Passkontrolle.


Anders als bei einem Anflug auf Teheran kann ich hier nicht beobachten, das sich die Damenwelt kollektiv beginnt zu verschleiern. Entweder frau ist schon die ganze Zeit verschleiert oder von frau wird keine Verschleierung verlangt. Gegen 20 Uhr und nach fünfeinhalb Flugstunden kann ich pünktlich den Airbus der Lufthansa verlassen.

In der Ankunftshalle in Riyadh gibt es lange Drängelgänge, in denen man sich zur Passkontrolle einreihen muss. Hier schon die erste Frage nach Tawakkalna. Hab ich nicht. Mein englischsprachiges PCR-Testergebnis tut es auch.

Der Mitarbeiter am Einreiseschalter ist freundlich. Das Scannen aller meiner Fingerabdrücke gestaltet sich als schwierig. Immer wieder neu muss der Mann meine Finger mit Gewalt auf die Glasscheibe pressen, bis es irgendwann geklappt hat. Dann noch Maske runterziehen, doof gucken, Foto gemacht. Stempel in den Reisepass und ab zur Gepäckausgabe. Mit meinem Koffer komme ich ohne besondere Kontrollen durch den Zoll.

In der Ankunftshalle endlich die Stunde der Wahrheit: SIM-Card ergattern! Ich bin gefühlt auf 180. Werde gleich von aufdringlichen Taxifahrern attackiert. Einige kann ich abwehren, doch einer hat mich bald am Haken. In meiner ersten Orientierungslosigkeit hab in dem netten, unaufdringlichen Mann in arabischer Kleidung (langes Gewand, Kopftuch und Kopfring) einen der „Offiziellen“ gesehen und ihn nach den SIM-Card Shops gefragt. Die will er mir zeigen und auf dem Weg dahin bemerke ich meine falsche Einschätzung. Hab jetzt keinen Nerv, den Typ wieder loszuwerden. Zumindest beim Auffinden der SIM Card- Verlaufsstellen ist er mir auch behilflich. Und meinen Koffer zieht er auch brav mit sich.

Ich hatte mich schon vorher für den Anbieter Mobily entschieden. Der Typ am Tresen brabbelt was und hält mir ein Schaubild mit Angeboten unter die Nase. Ich entscheide mich für die zweitgünstigste Variante, kostet um die 35 EUR. Er nimmt meine Personalien samt Passnummer auf und übergibt mir das Tütchen mit den SIM Cards. Ich protestiere und versuche ihm klarzumachen, das er mir die SIM-Karte ins Handy einsetzen soll. Beim Öffnen des Schiebers, in dem meine reguläre SIM-Karte und die Speicherkarte liegt, kriege ich zittrige Hände und mir fällt das alles auf den Boden. Eine der SIM-Karten verschwindet unter dem Tresen. Hinter mir bildet sich schon eine Schlange, was mich nicht gerade beruhigt. Ich finde alles wieder und der Typ setzt mir die ganzen Karten wieder ein. Eigentlich will ich prüfen, ob das jetzt alles auch funktioniert, doch das verschiebe ich auf eine ruhige Minute später im Hotel.

Schnell noch am ATM cash gezogen und meinem Kofferschieber hinterher gelaufen. Als wir auf die Parkgarage zusteuern wird mir außerdem klar, das er gar kein offizieller Taxifahrer ist. Ah, private taxi? Yes, grinst er mir zu. Ich will herausfinden, was mich die Fahrt zum Hotel kosten wird. Zunächst druckst er herum. Erst auf der Stadtautobahn rückt er mit Betrag heraus: 300 SAR. Das ist natürlich viel zu viel, aber auch nicht astronomisch überteuert. Ich kann mich mit ihm auf 250 SAR einigen und hab meine Ruhe.

Wir rasen ins Stadtzentrum von Riyadh. Die nächtlichen Straßen sehen genauso aus, wie in Doha oder Dubai. Mein Fahrer meint, Saudi Arabia sei number one of  the world. In welcher Disziplin, hat er mich nicht verraten. Nach gut 30 Minuten sind wir angekommen. In fußläufiger Nähe zum Kingdom Centre, einem 302 m hohen Turm und gleichzeitig das Wahrzeichen der Stadt, hatte ich mir eine Unterkunft gebucht.

An der Rezeption bekomme ich meine Zimmerkarte und da ich unbedingt auch meine saudische Handynummer hinterlegen muß, hilft man mir dabei, diese herauszufinden.

Plaza My Business Hotel, Riyadh


fensterlos, muffig


Das Zimmer im 8. Stock ist klein, fensterlos und stinkt – genau wie mein Zimmer in Doha 2014 – nach Schuhcreme.

Zeit für Tawakkalna, die Corona-App. Ich hab das Ding schon auf meinem Handy, muss mich jetzt nur noch mit meiner saudischen Handynummer registrieren. Leichter gesagt als getan. Die App stürzt mindestens zwanzig Mal ab, ich kann nicht einmal mein Profil speichern. Scheiße. Ich deinstalliere die App und lade sie erneut hoch. Kein Unterschied. Ich schreibe meine große Tochter Pia an, ob sie für mich mit meinen Daten die Registrierung durchführen kann. Ob es eilig sei, fragt sie. Sie sei gerade mit Freunden beim Geschenke auspacken. Ja, verdammt, es ist eilig.

In der Zwischenzeit gucke ich mal auf der Ticketplattform www.makani.com.sa nach, ob es dort Eintrittskarten zu kaufen gibt. Nein, das Ding ist leer. In Saudi-Arabien werden für die erste Liga und internationale Spiele Karten nur online verkauft. Voraussetzung ist, wie könnte es anders sein, man hat eine saudische Handynummer. Vor Ort am Stadion gibt es keine Tickets. Wie es sich mir darstellt, werden Karten für Spiele auf nicht einheitlichen Kanälen zwei bis fünf Tage vor dem kick off in einem relativ kurzen Zeitfenster angeboten. Ich checke die website von Ettifaq Club. Für das Spiel gegen Al Fayha am 31.12. in Dammam gibt es Tickets. Ich will nicht unbedingt nach Dammam, aber ich will ausprobieren, ob mir eine Kartenbestellung gelingt. Ich tätige einen Testkauf für 30 SAR und es funktioniert ganz easy. Innerhalb von Minuten hab ich meine Eintrittskarte auf dem Handydisplay.

Jetzt meldet Pia, dass sie sich für mich bei Tawakkalna erfolgreich registriert hat. Danke Fräulein! Ich kann mich einloggen und mein Impfstatus lädt sich…. nicht hoch. Die App stürzt regelmäßig ab. Es dauert einige Zeit, bis es endlich funktioniert. Auf der App erscheint das Bild von mir mit Fresse und heruntergezogener Maske, das vorhin am Flughafen aufgenommen wurde. Oh, die sind ja ziemlich gut vernetzt, die Saudis.

Dann trudelt auf der App eine private notification ein, die alles verändert: Sie sind aus dem Ausland eingereist. Sie müssen in Quarantäne. Machen Sie am ersten Tag einen Covid-Test. Machen sie vier Tage später einen Covid-Test. Die Quarantäne endet erst nach negativem Ergebnis von Test 2. Melden Sie sich per App zu den Covid-Tests an. Markieren Sie auf dem Stadtplan, wo genau Sie sich jetzt aufhalten. Achtung, Sie können den Aufenthaltsort nur einmal pro Tag ändern. Sie müssen das Handy ständig bei sich tragen. Sie dürfen das Handy nicht ausschalten.




Ich falle in Schockstarre. Quarantäne? Häähh? Wenn ich vorher sowieso schon leicht angeschlagen war, so ist diese notification mein psychischer K.o.-Schlag. What the fuck…! Mir schießen tausend Gedanken durch den Kopf, aber kein einzig klarer. Bei fünf Tagen in Quarantäne und nur sechs Tagen Aufenthalt kann ich alle Planungen über den Haufen werfen. Aber noch schlimmer ist die Aussicht, fünf Tage und Nächte in diesem fensterlosen Zimmer zu hocken. Wie oft würde ich meinen „Spiegel“ durchlesen können? Ganz klar, ich werde durchdrehen. Und wenn ich die notification einfach ignoriere? Aber die App trackt meinen Aufenthaltsort?! Wie gehen die Saudis mit Corona-Sündern um?

Ich whatsappe mit Michael Vormwalde. Hat er so eine Nachricht vor drei Wochen auch bekommen? Nein, hat er nicht. Haben sich laut Auswärtigem Amt die Einreisebedingungen in letzter Zeit geändert? Nein, das hab ich daheim fast stündlich kontrolliert. Hab ich meine Impfnachweise auf muqeem.sa hochgeladen? Ja, hab ich.

Turm des Kingdom Centre und Wahrzeichen von Riyadh


29.12.2021, 2. Tag

Es ist nach Mitternacht, ich muss raus auf die Straße. Von weitem kann ich den Kingdom Centre sehen. In einem 24 h geöffneten Mini-Starbucks hole ich mir zwei Flaschen Wasser.

Was machen? Es widerstrebt mir, mich bei einem Covid-Test anzumelden. Ich überlege. Meine Impfnachweise sind der verfluchten Tawakkalna App bekannt. Denn ich habe den Status „grün“, d.h. ich gelte als immun. Ich werde ruhiger und versuche, mir meine Corona-Welt wieder gerade zu rücken. Ich habe einen „grünen“ Status und solange das so bleibt, hab ich kein Problem. Wird sich der Status ändern, wenn ich mich nicht bald zu dem Covid-Test anmelde? Keine Ahnung. Ich ringe mich mühsam zu dem Entschluss durch, die notification komplett zu ignorieren. Tawakkalna meldet den Eingang weiterer neuer notifications. Die mache ich gar nicht erst auf. Ich versuche zu schlafen. Tawakkalna, Du Drecksding!

Nach ein paar sehr unruhigen Stunden Schlaf, weckt mich mein Handy. Carpe diem! Was sagt Tawakkalna? Immer noch grün. Gut, das darf so bleiben.




Ich gehe zum Kingdom Centre und suche nach einem Eingang. Dort muß ich Tawakkalna vorzeigen. Wie jetzt, so wird es in den kommenden Tagen bleiben: Die App bricht ständig ab und in der Regel braucht es fünf bis sechs Versuche, bis zumindest mein Foto hochgeladen ist. Den meisten Corona-Wächtern reicht das aus und sie warten gar nicht erst, bis der grüne Status sichtbar wird. Ich kann passieren.

Das Kingdom Centre mit seinem Turm, der – je nach Phantasie – wie ein Rasierapparat, Kartoffelschäler oder ein Flaschenöffner aussieht – beherbergt ganz oben die wohl beliebteste touristische Attraktion des Landes: Die Skybridge. Von dort soll man eine geniale Aussicht über die ganze Stadt haben. Das Tourismus in Saudi-Arabien noch in den Kinderschuhen steckt, bemerkt man schon daran, daß in jeder Quelle eine andere Angabe in Bezug auf Öffnungszeiten usw. zu finden ist.

Ich sehe einen Bediensteten, der vor einem Aufzug sitzt. Komme ich hier auf die Skybridge? Nein, die Skybridge öffnet erst um 11 am. Aber ich könne hier hoch ins Cafe Spillos fahren, auf level 77. Ja, why not? Dort oben bin ich so früh der einzige Gast. Ich ordere eine Pepsi und darf ausgiebig aus allen Fenstern fotografieren. Die Aussicht ist auch von hier schon gigantisch! Riyadh ist, von den paar Wolkenkratzern abgesehen, sehr flach und breit angelegt. Aber vielleicht nicht breit genug, denn auf den Straßen im Stadtzentrum scheint es 24/7 Stau oder nur nur zähfließenden Verkehr zu geben. Für Abhilfe soll eine Metro (im Bau) und ein Ausweitung des Busliniennetzes (bisher so gut wie nicht vorhanden) sorgen. Die 22 SAR für die Pepsi macht den trip ins Cafe Spillos sogar weitaus preisweiter als die 80 SAR Eintritt für die Skybridge.

Aussicht aus dem Cafe Spillo im 77. Stockwerk


Dem Kingdom Centre ist unten die wohl nobelste Shopping Mall des Landes angeschlossen. Hier ist alles vertreten, was einen großen Namen hat: Cartier, Chanel, Dior, Dolce Gabbana, Tiffany, Versace usw. Entsprechend ist die schwarz verhüllte Damenwelt in der Überzahl. Ich würde sagen, 95% der saudischen Frauen tragen schwarze Gewänder, ein Kopftuch (Abaya) und einen Gesichtsschleier (Niqab), der nur einen Schlitz für die Augen offen lässt. Dabei ist deren Tragen auch für Einheimische keine Pflicht mehr. Weniger aus religiösen Gründen sondern mehr aus Tradition wird das Tragen dieses Outfits beibehalten. Ich hab mich an deren Anblick schnell gewöhnt, denn wenn alle so herumlaufen, ist es nicht mehr herausstechend und auffällig, als würde eine einzelne Frau so in einer deutschen Großstadt unterwegs sein. Speziell diese Art der Verschleierung lässt die Frauen in meinen Augen geheimnis- und würdevoll aussehen. Der Blick fällt sofort auf die Augen und man beginnt zu rätseln, wer wohl dahinter stecken mag.


Shopping Mall Al Mamlaka im Kingdom Centre


Anders hingegen wirken auf mich Burkas (Vollverschleierung). Das sieht total schrecklich aus und hab ich in Saudi-Arabien auch nirgends gesehen. Vor dem Geschäft von Louis Vuitton bietet sich mir ein geiles Bild: Gerade hier stehen mindestens 10 – 12 verschleierte Frauen an und warten geduldig auf Einlass, während der Rest der Mall fast menschenleer ist. Als gäbe es gerade hier einen Winterschlussverkauf.

Scheichs Scheine!


Wasser sparen, auch bei rituellen Waschungen!



29.12.21   Al Kawkab FC - Al Sahel FC   0:0   *   15:15 Uhr   *   Saudi League 1st Division (2. Liga)   *   Alshoullah Club Stadium, Al Kharj   * Zuschauer: 15   *   Eintritt: frei

In Saudi-Arabien kommt zu 99% nur das Taxi in Frage, wenn man von A nach B will. Ausnahme: A und B liegen nah bei einander (kommt nie vor) oder es gibt einen ÖPNV (da sehr unterentwickelt keine echte Alternative).  Nach Al Kharj fuhren zwar für 25 SAR Busse von www.saptco.com.sa. Da aber nicht herauszufinden war, wo genau in Al Kharj die Busse halten, war mir das zu unsicher. Bleiben nur noch UBER oder die Mittlerer-Osten-Variante www.careem.com. Letzterer ist etwas preiswerter, jedoch scheint mir da das Tracking der Positionen ungenau zu sein. Meist nutzte ich Careem. Die Preise können je nach Tageszeit und Nachfrage schon mal um den Faktor vier auseinanderliegen. Manchmal macht es Sinn, einen Augenblick zu warten, um einen günstigeren Preis zu erwischen.

Ausschnitt einer Ansicht der Careem-App.


Dahinten wartet der Länderpunkt 66.



Der Ort, in dem der Länderpunkt fallen soll, liegt 100 km südlich von Riyadh. Für 13 Uhr hab ich Careem für meine Abholung zum Hotel bestellt. Die prognostizierten 90 Minuten Fahrtzeit werden dank Stau und Verkehrschaos im Bereich der Altstadt von Riyadh deutlich übertroffen. Der Fahrstil der Leute ist nicht so wild, wie z.B. im Iran. Zwar wird gerne und oft gehupt und kein Auto ist ohne Blessuren, aber es hält sich alles im Rahmen.

Während der Fahrt ist der Himmel dunkel und wolkenverhangen, beim Losfahren hat es sogar ein wenig Regen getröpfelt. Mein Fahrer versteht, wie die meisten anderen auch, nur wenig bis gar kein Englisch. Aber Germany finden alle super, insbesondere die Autos von dort.


Wasserturm in Al Kharj (sprich Al Chardsch),


Kurz vor 15 Uhr bin ich am Ground. Am Eingang muss ich Tawakkalna vorzeigen, doch weil ich Deutscher bin, wird gar nicht erst auf des Erscheinen des Impfstatus gewartet. Das Stadion trägt den Namen und die Farben des Heimatvereins Al Shoullah FC, der – wie Al Kawkab - auch in der 2. Liga kickt und bietet 8 000 Zuschauern Platz.


von rechts nach links: Victor, Matthias und ich


Als ich zur Haupttribüne komme, staune ich nicht schlecht, dort zwei Verdächtige zu erblicken, die mir wie Groundhopper aus Deutschland aussehen. Und ich habe Recht. Matthias und Victor, beide Fans von Arminia Bielefeld, sind gestern im gleichen Flieger wie ich nach Saudi-Arabien gekommen und wollen, genau wie ich, hier und heute ihren Länderpunkt machen. Allerdings bleiben sie nur zwei volle Tage und das heutige Match ist ihre (fast) einzige Chance, ihr Ziel zu erreichen. Da ist man viereinhalb Tausend Kilometer von zu Hause weg und guckt sich irgendwo in der Wüste mit 14 anderen Leuten ein Spiel an – und zwei davon sind aus den gleichen verrückten Motiven hier, wie man selbst. Ich liebe mein Hobby!



Zum Anpfiff wird, wie vor jedem Spiel, kurz die saudische Nationalhymne gespielt. Es gibt weder Lautsprecherdurchsagen, noch Support, noch Verpflegung. Letztere kann man sich aber in einem Supermarkt auf der anderen Straßenseite holen und mit rein bringen. Das Spiel ist hart umkämpft. Die Gäste, Al Sahel, kommen aus einer Vorstadt von Dammam im Osten. Es ist gar nicht so einfach auszumachen, wer hier welches Team ist. Wir vermuten, dass Al Sahel in den weißen Trikots spielt. Jedenfalls sind die Weißen das dominantere Team und in der zweiten Halbzeit wegen Platzverweises bei den Anderen in der Überzahl. Alles Drücken und Anrennen hilft nichts, es fällt einfach kein Tor.


Weil Victor und Matthias ihre Rückfahrt nach Riyadh erst für 18 Uhr festgelegt haben und es unklar ist, ob sie wegen der Corona-Einschränkungen mich als dritten Fahrgast mitnehmen könnten, ordere ich mir kurz vor Abpfiff selbst meinen Careem. Wie es der Zufall will, haben die beiden, genau wie ich, morgen bei dem Veranstalter Riyadh Hiking eine Tour zur Edge of the World gebucht. Prima, dann werden wir uns ja morgen wiedersehen. Denkste!

Zurück in Riyadh, möchte ich noch etwas Sightseeing unternehmen. Das Land ist nicht gerade reich mit historischen, interessanten Baudenkmälern gesegnet. Gerade mal sechs UNESCO-Weltkulturerbestätten verteilen sich über das große Land (zum Vergleich: in Deutschland sind es 48). Das hat einen bestimmten Grund, dazu später mehr. Die einzige dieser Stätten in Riyadhs Umgebung ist der der At Turaif District im Vorort Diriyah. Dort liegen die Überreste einiger Paläste und anderer Gebäude, die als Keimzelle des Wahhabismus und der Familie Saud gelten. Mitte des 18. Jahrhunderts entstand hier die erste Hauptstadt eines unabhängigen arabischen Staates. 1818 von den Osmanen geplündert, wurde die Stadt zugunsten von Riyadh aufgegeben und blieb bis ins Jahr 2000 verlassen und weitgehend unbekannt. Seitdem der Ort zum Weltkulturerbe gehört, werden die Gebäude restauriert und im Umfeld im großen Stil Hotels gebaut. Eine Top-Touristenattraktion soll entstehen.

Erst als ich aus dem Careem-Auto überall nur hohe Bauzäune sehe und dann auch nach einer permit gefragt werde, wird mir klar, dass der At Turaif District (seit 2010 !) gar nicht zugänglich ist. Boah! Die omnipräsente Werbung für diesen Ort, die man in Magazinen oder am Flughafen sieht, zielt allein auf die Zukunft ab. Hier und heute ist dort nichts zu sehen.

Nur auf dem Papier zu sehen: At Turaif Disctrict.


STOP heißt es vor so manchem Touristen-Hot Spot in Riyadh


Nochmal zurück auf das fast gänzliche Fehlen von historischen Gebäuden, wie z.B. Moscheen, in Saudi-Arabien. Dazu ein Zitiat aus Wikipedia: „Muhammad ibn Saud schloss 1744 in Diriyya ein Bündnis mit Muhammad ibn ʿAbd al-Wahhāb, dem Begründer der Wahhabiten. Ibn Saud versprach in seinem künftigen Reich die wahhabitische Interpretation von Koran und Sunna als alleingültige durchzusetzen, ibn Abd al-Wahhab hingegen sicherte zu, den Herrschafts-anspruch des saudischen Herrschers religiös zu legitimieren. Die Verbindung zwischen der Verbreitung des für die Wahhabiten wahren Islams und der Machtinteressen der Saud-Familie besteht bis heute.“ Diese Wahhabiten lehnen alle Formen des schiitischen Islam ab (daher die Feindschaft zum Iran) und wenden sich darüber hinaus strikt gegen Heiligenverehrung, Wallfahrten zu Gräbern und die Feier des Prophetengeburtstags. Das führte dazu, dass Wahhabiten zahlreiche Gebäude, Gräber von Prominenten des frühen Islams usw. völlig zerstörten. Sogar das Geburtshaus des Propheten Mohammed in Mekka wurde abgerissen.

Wenn der At Turaif District nicht geht, möchte ich mir wenigstens jetzt am Abend den Blick von der Skybridge im Kingdom Centre gönnen. Aber auch das klappt nicht. Ein Schild am Eingang erklärt die Schließung der Himmelsbrücke wegen Wartungsarbeiten. Mist, am Vormittag hat das Ding da noch nicht gestanden. Alternativ verbringe ich den restlichen Abend mit dem Shoppen von Mitbringseln, wobei es Souvenirs und Andenken in Saudi-Arabien (von zwei Regalen im Duty Free Shop am Flughafen von Riyadh mal abgesehen) eigentlich nicht gibt.


Mein Mitbringsel fürs Fräulein: Blumen oder Spiegeleier?



30.12.2021, 3. Tag

Egde of the World II -Tour mit Riyadh Hiking zu 160 USD

Als ich irgendwann im Sommer 2021 auf der Seite visitsaudi.com zum ersten Mal Bilder von der Edge of the World sah, war ich als Liebhaber von Wüsten und ariden Gegenden total geflasht. Da würde ich gerne mal hin. Der Rand der Welt ist eine etwa 300 m hohe, steil abfallende Felswand namens Tuwaiq, die sich 600 km durch Saudi-Arabien zieht. Oberhalb dieser Felswand gibt es mehrere spektakuläre Aussichtspunkte. Der populärste davon wird Edge of the World genannt, ein weiterer einfach nur Edge of the World II.

Im ganzen Königreich ist heute spielfrei und was könnte man da besseres machen, als eine solche Tour einzubauen?! In Saudi-Arabien gibt es erst ganz, ganz wenige Tourismus-Unternehmen und eine touristische Infrastruktur ist kaum vorhanden. Entsprechend wenig Angebote gibt es und alles wirkt noch etwas unprofessionell. Ein paar Tage vor der Tour meldet sich Riyadh Hiking, daß die Egde of the World von den Behörden gesperrt worden sei, man aber eine vergleichbare Tour zur Edge of the World II anbieten kann. Ist mir auch recht.

Das mit der Sperrung hatte ich schon von Michael Vormwalde mitbekommen, der dorthin einen abenteuerlichen Abstecher gemacht hatte. Irgendwelche Spinner hatten da wohl Mist gebaut, in Folge dessen ihr Wagen einen Teil der Felswand hinabgestürzt und ein Italiener ums Leben gekommen ist.

Um 14 Uhr ist Treffpunkt vor einem Cafè am Stadtrand von Riyadh. Meine Mitfahrer sind drei Spanier (von denen einer hier arbeitet und die anderen zwei ihn besuchen) und ein griechisches Ehepaar mit Kind, die in Saudi-Arabien für zwei, drei Jahre arbeiten und leben. Bin verwundert, daß Victor und Matthias nicht kommen. Die wollten die Tour doch heute auch mitmachen?!

Unser Guide fährt mit uns 90 km aus Riyadh hinaus in Richtung Westen. Irgendwann hören die Straßen auf und wir sind offroad unterwegs. Schon bald stehen wir an der oberen Felskante und können weit hinaus in die tief unten liegende Landschaft schauen. Sehr beeindruckend! Später kommt ein Konvoi von weiteren 4x4-Fahrzeugen an, aber Victor und Matthias sind nicht dabei. Später erfahre ich, daß sie am vereinbarten Treffpunkt gewartet haben und niemand sie abgeholt hatte. Soviel zur mangelnden Professionalität des Touranbieters.

Wir wandern locker zwei Stunden herum und steigen auch etwas hinab ins Tal. Zurück in Riyadh gehen wir in gemeinsam in einem landestypischen Restaurant essen, was noch mit zu der Tour gehört. Ein toller Tag weitab dieser verfluchten Tawakkalna App.











orientalisches Restaurant "Sawalef Adera", Riyadh


traditionelles Essen inSaudi-Arabien: Huhn und Reis


Weil mir in Riyadh nicht mehr viel Zeit bleibt, will ich heute noch das Fort Masmak besuchen. Das liegt sozusagen in der Altstadt von Riyadh und wurde 1865 von dem arabischen Stamm der Al Saud gebaut. Nachdem diese von dort vertrieben wurden, eroberte 1902 Abd al-Aziz ibn Saud mit sieben Getreuen das Fort zurück. Dieses Ereignis gilt als der Beginn der Eroberung des gesamten Gebietes des heutigen Saudi-Arabien durch die Al Saud-Dynastie. Von 1902 bis 1938 diente Fort Masmak als Regierungssitz des Königreiches und Abd al-Aziz ibn Saud wurde erster König von Saudi-Arabien.



Mein Captain von Caarer hat einige Mühe, mich an der Nähe des Fort rauszulassen, denn hier sind die Straßen und Gassen eng und es herrscht ein großer Trubel auf den Straßen. Schön zu sehen, daß es in Riyadh nicht nur diese riesigen Wohn- und Gewerbegebäude aus Glas, Stahl und Beton gibt, sondern auch kleine Geschäfte und Handwerksbetriebe.

Schalen für Räucherwaren


Holzstäbchen, die zum Zähneputzen verwendet werden


Fort Masmak, Riyadh



Vor dem Fort Masmak findet eine festliche Veranstaltung statt, die ich nicht so richtig einordnen kann. Das Gelände ist abgesperrt, aber nach einer Kontrolle kann ich (kostenlos) rein, darf aber nicht mit der Spiegelreflex-Kamera fotografieren. Das Fort Masmak wird durch eine Lichtershow imposant angestrahlt und auf dem Platz davor steht eine Bühne, auf der später einige Männer arabische Folklore vortragen werden.

Männergesangsverein


Chop Chop Square


Zu dem Festgelände gehört auch der Deera bzw. Al Safah Square. Unter vorgehaltener Hand nennt man den Platz auch Chop Chop Square, denn hier fanden (oder finden ?) die berüchtigten öffentlichen Hinrichtungen statt, zumeist per Enthauptung durch ein Schwert. Irgendwo hier gibt es sogar eine Art Kanaldeckel, über dem die Tötung vollzogen wird. Das strömende Blut kann dann direkt abfließen. Args...!

Heute Abend aber wird auf dem Platz gefeiert. Familien sitzen beisammen, essen, trinken und lauschen der Musik. Es sind einige Kunstwerke aufgestellt, wie Bilder mit arabischer Kalligraphie oder Porträts von saudischen Königen auf großen Steinen.

Teppich-Basar




Am Abend auf dem Hotelzimmer kann ich mich noch lange nicht zur Ruhe legen, sondern muß weiter für die nächsten Tagen planen und organisieren. Im Mittelpunkt steht natürlich die Beschaffung von Tickets, insbesondere für das Neujahrsspiel Al Ahli Saudi FC - Shabab in Jeddah. Erschreckt stelle ich auf der Vereinsseite fest, daß das Spiel schon heute stattgefunden haben soll. Hm..., auf der Seite des saudischen Fußballverbandes ist da nichts erwähnt. Victor meldet sich und macht mich freundlicherweise darauf aufmerksam, daß laut twitter das match doch noch bevorsteht. Später bekomme ich raus, daß sich die Meldung nur auf ein unwichtiges Jugendspiel bezog. Aber ich hab immer noch keinen Plan, wo und wann ich für Jeddah ne Eintrittskarte bestellen kann. Alles ziemlich kompliziert hier auf der arabischen Halbinsel.

Al Ahli - Shabab am 30. Dezember 0:0 (die Araber lesen bekanntlich von rechts nach links)


Al Ahli - Shabab am 1. Januar


eTicket für Ettifaq vs Al Fayha


Immerhin habe ich mich etwas beruhigt, was diese Tawakkalna App betrifft. Bin mir sicher, daß ich die richtige Entscheidung getroffen hatte, diese Aufforderung zum Covid-Test geflissentlich zu übersehen.

Ich muß mich nun mal entscheiden, was ich morgen machen soll. Mir stehen drei Möglichkeiten offen:

Plan A: Noch eine Tour mit Riyadh Hiking, diesmal mit Sonnenuntergang in den Roten Sanddünen. Ich sehe verrückt schöne Fotos von deren heutigen Tour auf Facebook.

Plan B: Zugfahrt nach Al Majma'ah und weiter mit UBER/Careem nach Al Ghat. Dort gibt es eines der größten und am besten konservierten alten, traditionellen Dörfer ("The old Deira"), deren Häuser in der sogenannten Najdi Architektur gebaut wurden. Die Wände der Gebäude bestehen nur aus sonnengetrockneten Lehmziegeln und Lehm. Am Abend im Al Majma'ah Sports City Stadium das Spiel Al Faisaly gegen Al Hilal, den aktuellen asiatischen Champions League Gewinner. Anschließend Rückfahrt nach Riyadh.

Plan C: Zugfahrt nach Dammam, Spiel Ettifaq - Al Fayha und direkt danach wieder zurück nach Riyadh.

Was tun? Rote Sanddünen kenne ich schon aus Namibia und ob man bei bewölktem Himmel Sterne sehen kann, ist eher fraglich. Unklar ist auch, ob The old Deira überhaupt zugänglich ist, oder ob dort - wie so oft - maintenance angesagt ist. Das beste Gefühl habe ich gerade bei Plan C, zumal ich hier die Eintrittskarte schon im Sack hab.

Auf der website von Saudi Arabia Railways SAR www.sar.com.sa checke ich die Zugverbindungen. Die ersten Züge nach Dammam sind schon völlig ausgebucht. Letztendlich suche ich mir diese Verbindungen raus: Riyadh East 11:20 Uhr -> Dammam 15:12 Uhr und retour Dammamm 20:08 Uhr -> Riyadh East 23:59 Uhr. Das Spiel ist 19:20 Uhr zu Ende, d.h. 48 min Zeit für die 3 km Strecke Stadion -> Bahnhof. Knapp, aber machtbar. Gebucht!


Bei Makani sind plötzlich Tickets verfügbar. Yeah! Aber nicht das, was ich brauche. Egal, ich kann ja schonmal nen Account anlegen, denke ich. Saudische Handynummer hab ich ja. Fan von welcher Mannschaft bin ich? Ist das eine Fangfrage? Jetzt nur noch die Passnummer eingeben. Oh, Buchstaben werden in dem Feld gar nicht akzeptiert. Ich probiere hin und her, aber es klappt nicht. Mir dämmert, daß ich hierfür ne saudische Passnummer brauche. Aber woher bekomme ich die? Das Problem muss bis morgen warten.

Bei Makani sind Tickets verfügbar.


Ich bin Fan von den Spinnern.


Saudische Passnummer erforderlich.





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