"Wenn Du ein Land kennenlernen willst, gehe nicht zu den Ausgrabungsstätten, sondern in die  Tavernen." Das habe er so oder so ähnlich einmal gelesen. Michael Höller hat den Spruch nur  etwas abgewandelt und ihn zu seinem Lebensmotto gemacht: "Statt Tavernen sind es bei mir eben Stadien."[Allgemeine Zeitung / Rhein Main Presse, 1.8.2015]



21.3.2015  * Kasimpaşa SK - Galatasaray SK   2:3 * 1. Liga * 19:00 Uhr * Recep Tayyip Erdoğan Stadi, Istanbul * 5 000 Zuschauer * Eintritt: 21,85 EUR plus 5,43 Jahresgebühr für die Passolig-Karte * Anreise: Köln/Bonn -> Istanbul SAW mit Pegasus zu 71,20 EUR * Übernachtung im Liferoom Hotel ***, Istanbul, EZoF zu 33 EUR *

Der Länderpunkt Griechenland war aus meiner Sicht längst überfällig und so visierte ich das Land der Polit-Chaoten kurz vor Ostern an. Sicherlich hätte es Wochenenden gegeben, an denen man in Athen mehr als nur ein Erstligaspiel hätte mitnehmen können, doch der Zeitpunkt passte mir aus beruflichen Gründen ganz gut.




Als ich nach Verbindungen zu surfen begann, ging der günstigste Flug in die griechische Hauptstadt über Istanbul SAW. Den sicherte ich mir frühzeitig. Als sich später herausstellte, daß es samstags in Athen gar nix zu hoppen gab, jedoch aber in Istanbul, machte ich aus der Not eine Tugend und buchte ich die Strecke Istanbul -> Athen ein zweites Mal (diesmal für sonntags) und ließ den ersten Flug verfallen. Man hat´s ja.



In der Türkei gibt es seit Beginn der Saison unter dem Begriff "Passolig" ein neues und wohl einzigartiges Ticket-System. Um überhaupt noch zu Spielen der 1. oder 2. Liga ins Stadion zu gelangen, muß der türkische Fan zunächst eine kostenpflichtige Passolig-Kreditkarte (einer Erdogan-nahen Bank) haben. Ausnahmen gibt es nur für Minderjährige und Ausländer. Die können eine Art prepaid-Passolig-Karte bekommen. Man registriert sich u.a. mit seiner Personalausweisnummer und lädt ein Passbild hoch. Wenn man die Karte nicht bloß als Geldkarte benutzen möchte, sondern tatsächlich als Eintrittskarte für ein Fußballspiel, muß man sich nochmals registrieren. Als Passwort bekommt man jedesmal per SMS einen einmaligen Zugangscode auf sein Handy. Man wählt seinen Stammverein bzw. der Ausländer wählt die Heimmannschaft aus, bei der er erstmals mit Passolig ein Spiel sehen möchte. Bei dem Club kann man die Plastik-karte, wenn sie fertig ist, am Stadion abholen. Dann lädt man die Passolig-Karte via eigener Kreditkarte um den Betrag auf, wieviel die Eintrittskarte kostet und reserviert auf der zentralen Ticket-Seite seinen Sitzplatz. Per e-mail bekommt man eine Bestätigung, die man ausdrucken sollte, weil man sonst seinen Sitzplatz nicht kennt bzw. finden kann.



Ich bin nun offiziell zum Kasimpasa-Fan mutiert. Schlimm genug! Mit seiner clubspezifischen Passolig-Karte soll man auch Zugangsberechtigungen (Eintrittskarten im eigentlichen Sinne gibt es ja nicht mehr!!!)  für andere Spiele bekommen, aber vermutlich nicht für jedes. Keine Ahnung, wie da die Restriktionen sind.

Jedem Mitbürger, dem bei der massenhaften Sammlung personenbezogener Daten mulmig wird, dürfte es angesichts von Passolig speiübel werden. Seit Passolig sind die Zuschauerzahlen im türkischen Fußball stark zurück gegangen, da viele Fans das System nicht mitmachen wollen. Man kann davon halten was man will. Zumindest wird so ein Schwarzmarkt für Eintrittskarten wirkungsvoll abgewürgt. Ich kann mir gut vorstellen, daß sich die Eintrittskarten-systeme in Zukunft in diese Richtung entwickeln werden.

Ein Nachtflug von Köln/Bonn brachte mich nach Istanbul SAW und mit dem Shuttlebus ging es weiter bis zum Taksim-Platz, der am frühen Morgen noch menschenleer war. Es regnete ständig und in Strömen, zudem war es arschkalt. Daher versteckte ich mich zunächst in der hintersten Ecke eines Starbucks, um später endlich mal den Großen Basar auf der anderen Seite des Goldenen Horns zu besuchen. Der Basar ist ganz nett und die Händler sind keineswegs so offensiv, wie ich befürchtet hatte. Doch wenn man die Basare in Marrakech oder Teheran kennt, ist man nicht mehr allzu sehr beeindruckt.



Lediglich ein kleiner Laden, der Schnitzereien aus Meerschaum im Angebot hatte, weckte mein Interesse. Bisher kannte ich Meerschaum-Pfeifen nur aus Wilhelm Buschs "Max und Moritz", wo im Vierten Streich Lehrer Lämpel Opfer einer Explosion wird. Wie man weiß, hatten ihm Max und Moritz Flintenpulver in die Pfeife gestopft. Hier im Basar sah ich erstmals Meerschaum (dieses interessante Mineral wird u.a. Sepiolith genannt) in seiner natürlichen Form, aber auch in wunderschön verarbeiteten Pfeifenköpfen. Aus Kostengründen konnte nur ein kleiner Meerschaum-Derwisch die Heimreise in mein Wohnzimmer antreten.



Um die Zeit totzuschlagen, wollte ich mit der Metro nach Seyrantepe, zum neuen Stadion von Gala. Doch die von der Metrostation Sanayi Mahallesi blind-darmähnliche Abzweigung wird vermutlich nur an Spieltagen bedient, was man aber frühestens erfährt, wenn man vor einem abgesperrten U-Bahn-Tunnel steht. An der Erdoberfläche flüchtete ich in ein ansprechend aussehendes Kebab-Restaurant und dinierte. Das Fleisch schmeckte irgendwie seltsam. Wahrscheinlich hat man mir, dem Touri, alten Esel auf den Teller geschnetzelt.

Gegen Nachmittag bezog ich mein Zimmer im Stadtteil Beyoglu ("Zigeunerviertel", Aussages eines türk. Arbeitskollegen) und kreuzte wenig später am unweit entfernt liegenden Erdogan-Stadion auf. Dort erwartete einen ein massives Polizeiaufgebot: Dutzende Busse und hunderte Polizisten, z.T. mit Schußwaffen im Anschlag, lungerten herum.

Weil meine offizielle Passolig-Karte, mit Passfoto drauf, noch nicht fertig war, bekam ich an einer der wenigen Buden eine vorläufige Karte ausgehändigt. Ging alles schnell und reibungslos vonstatten. Später jedoch wurden die Warteschlangen an den Buden immer länger und länger. Am Eingang kam mir ein Ordner entgegen, stecke meine Karte in sein mobiles Lesegerät und gab mir zu verstehen, daß ich reingehen könne. Dabei konnte ich auf seinem Display kurz mein hochgeladenes Passfoto erkennen. Big Brother am Bosporus!



Ich hatte meinen Sitz auf der Haupttribüne in der obersten Reihe. Der away-Block der Gala-Fans war prall gefüllt, was man vom restlichen Stadion nicht sagen konnte. Anscheinend halten die Fans vom Erdogan-Club Kasimpasa auch nicht allzuviel von "dessen" Passolig- Karte. Die Atmosphäre im ground war dennoch ganz gut. Bei Galatasaray bebte er ganze Block, während bei Kasimpasa nur zwei kleine Grüppchen lauthals supporteten.



Es wurde ein ziemlich munteres Derby. In Halbzeit 1 hatten beide Teams reichlich Chancen, aber nur Kasimpasa gelang es, seine zu nutzen. So stand es überraschend, aber folgerichtig 2:0. Die Blau-Weißen reckten Hände mit drei gespreizten Fingern in den Himmel, forderten das 3:0. In Halbzeit 2 drehte der große Favorit nicht nur kräftig auf, sondern innerhalb von nur dreizehn Minuten sogar das ganze Spiel. Klasse Partie und toller Support der Galatasaray-Fans!


Nach dem Match zog ich noch etwas durch das Restaurant- und Kneipenviertel Beyoglu, wo in den Pubs und auf den Straßen Party angesagt war. Wem´s gefällt?! Ich brauchte ein´Bett statt Bier!



Wenn ich Hotelbewertungen lese, muß ich meist grinsen, wenn sich so kleinkarierte Reisende über hellhörige Zimmer beschweren und stöhnen, sie hätten die ganze Nacht kein Auge zu getan. Nun hab ich in dieser Nacht wegen Leben & Lärm auf den Straßen selbst so gut wie nicht geschlafen und stand wie mal- trätiert auf... aber ich behalte das für mich und kreide es nicht den Hotelwänden an.




22.3.2015   Olympiakos FC - PAE AO Kerkyra   3:0 * 1. Liga * 17:15 Uhr * Stadio Georgios Karaiskákis, Piräus * 5 000 Zuschauer * Eintritt: 26 EUR für einen Sitzplatz plus 10,60 EUR für eine Jahres-Fancard von Olympiacos * Anreise: Istanbul IST -> Athen mit Aegean Airlines zu 47,99 EUR * Übernach- tung im Hotel Attalos***, Athen, EZoF zu je 45 EUR *

Ich checkte früh aus, fuhr mit dem Shuttlebus zum Atatürk-Flughafen, jettete nach Athen und betrat um 10:45 Uhr erstmals griechisches Festland. Mit der Metro ging es in die Innenstadt, doch bevor ich bei "Monastiraki" mein Hotelzimmer bezog, stieg ich bei "Ambelokipi" aus, um das Apostolos Nikolaidis Stadium von Pananthinaikos zu spotten. Wie wohl alle Stadien in Athen (vom Olympiastadion mal abgesehen), so liegt auch dieses mitten in einem Wohngebiet und ist reichlich in die Jahre gekommen. Ich konnte zwar nicht rein, aber allein eine Umrundung der Arena war schon lohnenswert. Jede freie Fläche am Ground ist mit Grafitis vollgesprüht und entlang der Leoforos-Alexandras-Straße sind großflächige Fotos vergangener Triumphe der Grün-Weißen angebracht.





Am Nachmittag blieb mir Zeit für das kulturelle Pflichtprogramm: Rauf auf die Akropolis! Oben angekommen, hat man eine tolle Aussicht über die Stadt. Die Sammlung antiker Steine auf dem vielleicht berühmtesten Hügel der Welt wirkten auf mich seltsam unharmonisch. Nichts passt irgendwie richtig zu einander und Gerüste und Kräne deuteten darauf hin, daß auch nach über 2 500 Jahren wechselhafter Geschichte immer noch nicht jeder Stein seinen Platz gefunden hat. Ich halte mich zwar für einen geschichtsbewußten Touristen, aber ein besonderes feeling konnte sich bei mir an diesem Ort nicht einstellen. Starke Regenschauer jagten mich von dem Hügel hinunter in die Stadt.






Athen und Piräus sind so zu einer Agglomeration verschmolzen, daß man als Außenstehender keine Stadtgrenzen mehr erkennen kann. Für die Einheimischen jedoch ist es ganz wichtig, aus der "richtigen" Stadt zu kommen. So sollte man keinen Bewohner von Piräus als Athener bezeichnen.

Ne knappe Stunde vor Spielbeginn trudelte ich am Ground von Olympiakos, unmittelbar neben der Metrostation "Faliro", ein. Um überhaupt eine Eintrittskarte zu bekommen, braucht man eine kostenpflichtige Fankarte, die eine Saison gültig ist. Eine griechische Möglichkeit, an Geld zu kommen. Das Ticket selber konnte ich schon daheim buchen und a la print@home ausdrucken. Schon klar, daß der Barcode am Gate nicht funktionierte und ich so reingewunken wurde. Ich war froh, überhaupt ins Stadion eingelassen zu werden. Denn das war dieser Tage leider keine Selbstverständlichkeit. Ein oder zwei Spiele zuvor hatte Olympiakos zur Strafe vor leeren Rängen spielen müssen.

Bekanntlich sind die Derbies in Griechenland stets brisant, doch beim letzten Aufeinandertreffen von Panathinaikos und Olympiakos einen Monat zuvor hatten es die Athener Anhänger übertrieben: Pyrotechnik wurde auf Spieler und Funktionäre der Gäste geworfen, wobei eine Fackel auf dem Rücken eines Olympiakos-Kicker landete. Der Trainer wurde fast von einem Stuhl getroffen und 50 Fans von Panathinaikos stürmten den Platz und konnten von der Polizei erst nach Einsatz von Tränengas unter Kontrolle gebracht werden.

Vor 11 Tagen war das Pokalspiel AEK Athen - Olympiakos abgebrochen worden. Als Olympiakos in der 89. Minute das 1:0 erzielte, muß wohl einer der Spieler das Athener Publikum mit einer obszönen Geste provoziert haben, so daß 25 AEK-Anhänger auf das Spielfeld sprangen, um die Spieler zu attakieren. Die spinnen, die Griechen!



Bei 834 in meinem Leben besuchten Spielen habe ich sicher schon reichlich miese Stadionwürste u.ä. Spezialitäten gegessen. Bisher konnte ich mich aber nie auf die "worst Stadionwurst ever" festlegen. Heute wurde mir geholfen: Der lauwarme Hotdog bei Olympiakos, der in einer Papiertüte serviert wurde, in die man noch ein pappiges Brötchen und einen Brei aus Senf und Ketchup gegeben hatte, wird nur schwer jemals von Platz 1 meines persönlichen Rankings zu stoßen sein. Buahhh....!

Die Atmosphäre im Karaiskákis empfand ich anfangs als sehr kühl. Über 33 000 Zuschauer passen rein, nur etwa 5 000 waren gekommen. Das war gar nur ein Drittel des üblichen Zuschauerschnitts. Und das bei einer Mannschaft, die die Meisterschaft so gut wie sicher in der Tasche hatte. Enttäuschend! Das Geschehen auf dem Rasen glich weitestgehend einem match in der Allianz Arena München, wenn der FCB antritt: Der Gastgeber dominierte nach Lust und Laune, die Gäste rannten brav mit, um die Niederlage in Grenzen zu halten.



Schließlich wurde es doch noch ganz nett, als die paar Fans von Olympiakos, die hinter dem Tor stehend ihre Mannschaft anfeuerten, eine passable Laut- stärke erreichten. Das mal wieder ein paar Bengalos brannten, schien hier keinen zu interessieren - die Polizei am wenigsten. Auch das Hunderte Fans zur Halbzeit aus der Kurve kommend über die Zäune kletterten, um sich auf der Haupttribüne fläzen zu können, blieb ungeahndet. Regeln scheinen in Griechen- land eine andere Wertschätzung zu haben, als sonstwo...

Nach dem Spiel lümmelte ich mich noch kurz am Hafen von Piräus (Laaaangweilig !) herum, und fuhr zurück in die Athener Innenstadt. Der Straßenverkehr in der griechischen Hauptstadt ist nicht so chaotisch, wie ich erwartet hätte und auch die Luftqualität war nicht so smoggeschwängert, wie man oft hört. Aber dafür fand ich es ziemlich krass, wieviele alte, unbewohnbare und teilweise sogar eingestürzte Wohnhäuser es im direkten Stadtzentrum gibt. Ein Hauch von Akropolypse Now!









23.3.2015   AO Acharnaikos FC - Iraklis Psachna FC   0:0 * 2. Liga, Gruppe Süd * 15:00 Uhr * Gipedo Acharnaikou, Athen * 1 000 Zuschauer * Eintritt: 10 EUR * unterwegs mit: 3-Tages-Karte für Bus/Metro/Tram zu 20 EUR *

Während Regierungschef Alexis Tsipras nach Berlin jettete, um bei Angie gut Wetter zu machen, warteten an diesem Montag noch zwei Spiele auf mich, die erst kurzfristig so terminiert worden waren. Hat man auch nicht alle Tage, fein!

Vormittags fuhr ich zuerst aber mit der Metro zur Station "Perissos", um im Stadtteil Rizoupoli die Stelle zu suchen, wo bis 2003 das Stadion Nikos Goumas von AEK Athen gestanden hatte. Das war relativ einfach, denn nach dem Abriss blieb der Platz unverändert. 1999 hatte ein Erdbeben dem ground starke Schäden zugefügt, so daß langfristig kein Spielbetrieb mehr möglich war. Als er Verein das Geld für einen Neubau an gleicher Stelle 2003 zusammengekratzt hatte, wurde der Bau wegen Umweltauflagen verboten. AEK Athen spielte anschließend zunächst in verschiedenen Stadien, zuletzt seit 2004 im Olympia-stadion. Bis Ende 2015 soll im Stadtteil Nea Filadelfia das lang ersehnte, neue Stadion entstehen. Name: Hagia Sophia.



Hm, so heißt doch ne große Moschee in Istanbul, oder? AEK steht für Athlitiki Enosi Konstantinoupoleos (= Athletic Union of Constantinople) und der Verein wurde 1924 von griechischen Flüchtlingen aus Istanbul (damals [für Griechen immer noch] Konstantinopel] ) gegründet. Zwischen 1914 und 1923 war es zu Verfolgungen von griechischen Christen im Osmanischen Reich gekommen, die Opfer gingen in die Hunderttausende. Noch schlimmer traf es bekanntlich die Armenier. Inoffiziell gilt AEK als Nachfolgeklub des Vereins Pera Club, der seine Heimat im Stadtteil Pera (heute Beyoglu) hatte.



Von dem Nikos Goumas Stadion sind heute nur noch wenige Fundamente der Außenmauern zu erkennen. Auf dem Gelände steht eine kleine Bretterbude, die das Vereinswappen trägt. Mitten auf dem Platz wurde die gelb-schwarze Fahne mit dem Doppelkopfadler gehisst.

Der Ground von Acharnaikos liegt weit im Norden Athens und in der Nähe findet sich weit und breit keine Metro. So gelangte ich in einer wilden Kombination aus Fußmärschen, Busfahrten und letztlich auch einer Taxifahrt zum Stadion. Hätte ich mehr Vertrauen zu der Zunft der Taxifahrer gehabt, hätte ich mir viel Zeit und etwas Geld sparen können. Wer hätte auch ahnen können, daß man gerade in Athen mal nicht fies übers Ohr gehauen wird?! ... Fahrradkette!





Die absolut ungewöhnliche Anstoßzeit von montags, 15 Uhr ist vermutlich der Tatsache zu verdanken, daß das Gipedo Acharnaikou ein Flutlicht hat, bei dem fünf Taschenlampen ausreichen würden, um auf dem Rasen mehr Lux zu erzeugen, als die vier Lichtmasten es könnten. Auf der großen Haupttribüne ver- sammelten sich unglaubliche 1 000 Besucher. Sehr speziell die kleine Tribüne auf der Gegenseite.


Tore gab es keine, dafür reichlich Unterbrechungen wegen brutaler Fouls. Ich gab mir Mühe, mich mit dem ein oder anderen Frappé wachzuhalten. Auch wenn es nichts spektakuläres zu berichten gibt, so hat mir das ruhige, gemütliche event ganz gut gefallen. Ich mag sowas tausendmal mehr als Spiele in modernen Stadien, die letztendlich fast leer bleiben (Olympiakos).



23.3.2015   Apollon Smirnis FC - Panachaiki FC   0:0 * 2. Liga, Gruppe Süd * 18:00 Uhr * Stadio Georgios Kamaras, Athen * 1 500 Zuschauer * Eintritt: 15 EUR * Abreise: Athen -> Charleroi CRL mit Ryanair zu 35,99 EUR, Bahnfahrt Charleroi Süd -> Köln via Brüssel  zu 39,50 EUR


Direkt nach dem Spiel stieg ich in einen Bus, der zurück Richtung Innenstadt fuhr. Nach Gefühl stieg ich irgendwo aus, um dann festzustellen, daß ich noch etwas länger im Bus hätte sitzen bleiben sollen. So lief ich gut eine halbe Stunde, bis ich endlich am Georgios Kamaras stand (nicht weit vom ehemaligen AEK-Stadion entfernt). Auf mich wartete das Spitzenspiel in der Gruppe Süd, Zweiter gegen Dritter. Erster übrigens unangefochten [nach dem Zwangsab-stieg] AEK Athen.



Im netten Pub unter der Haupttribüne reichte die Zeit noch für n Frappé. Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich jetzt - fast sechs Wochen nach der Begegnung (bin krankheitsbedingt nicht früher zum Schreiben gekommen) - mich an keine relevanten Einzelheiten mehr erinnern kann. Das Spiel war jeden- falls schlechter als das am Nachmittag, aus Panachaiki waren nur wenige Fans mitgekommen, die Ultras von Apollon schienen mir irgendwie träge zu sein und Tore fielen wieder keine. Der Ground ist ganz nett, ein Besuch kann weiterempfohlen werden.

Als alter Interrailer nahm ich nach dem Spiel auf dem Rückweg zum Hotel noch den Athener Hauptbahnhof "Larissa" in Augenschein und fiel fast vom Glauben ab, als ich merkte, daß sogar der Bahnhof in Köln-Mülheim eine höhere Zugfrequenz haben dürfte, als dieser hier. Daran dürften auch die seit der Griechen-landkrise gekappten internationalen Verbindungen kaum schuld sein. Trostlos!

Mitten in der Nacht mußte ich raus, um meinen 6:15 Uhr-Flug von Athen nach Brüssel/Charleroi zu erwischen. Mir kam in den Sinn, ob die Troika oder Varou- fakis & Co. auch mal Ryanair fliegen?! Bietet jedenfalls einiges an Sparpotential.




Weil ich zuvor noch nie in Charleroi gewesen bin und die südbelgische Stadt lt. einer niederländischen Zeitung den zweifelhaften Ruf der "hässlichsten Stadt Europas" hat (zu Unrecht, wenn man an Chisinau denkt), hielt ich es für eine gute Idee, mich hier mal umzuschauen. Zu gerne hätte ich eine geführte Tour bei Charleroi Adventure - City Safari gebucht, doch an diesem Dienstagvormittag fanden sich nicht genug Teilnehmer. So mußte ich z.B. darauf verzichten in einem alten Flugzeug Mittag zu essen oder das Haus zu sehen, in dem einst Marc Dutroux lebte. Auch Wanderungen auf Kohleabfallberge und das Ein- dringen in verlassene Industrieruinen oder in eine der Ghost Subways fiel flach.

Und ich kam dennoch auf meine Kosten. Diese Stadt hat für mich als Liebhaber von vernachlässigten, verlassenen und verfallenen Orten jede Menge zu bieten. Und mir ist klar geworden, warum ich diese Plätze so liebe. Weil man in ihnen das "Anderssein" erkennt und man nicht selten von deren Absurdität völlig überrascht wird.

Während irgendwo in den französischen Alpen ein Flugzeug gegen einen Berg gesteuert wurde, umrundete ich das Stade du Pays de Charleroi und traf eher zufällig auf die Metrostation "Chet".  Diese ist , genauso wie die anderen Stationen der "Châtelet"-Linie, insofern skuril, als das sie nicht nur außer Betrieb ist, nein, durch sie ist nie eine Bahn gefahren. Die Linie wurde 1986 komplett fertiggestellt, in Betrieb ging sie aber aufgrund der Wirtschaftskrise nicht.

Unweit von "Chet" befindet sich das Stade de la Neuville vom Fünfligisten Royal Olympic Charleroi (ROCCM), doch von außen kann man außer der Flutlicht-masten leider nicht viel erkennen.


Nachmittags fuhr ich noch etwas mit der Metro durch die Gegend. Statt zielgerichtet etwas anzusteuern, ließ ich mich notgedrungen durch den Zufall irgendwo hinbringen. Denn bis heute hab ich das Liniennetz von Charleroi nicht durchschaut (im Zentrum fahren alle Linien im Kreis, doch nicht alle in beide Richtungen...?) und ich gab es schnell auf, mich zu orientieren.

Dennoch gelangte ich auf den Streckenabschnitt Dampremy <-> Providence. Was für Fußballfans einst das Maracanã war, dürfte für den Bewunderer alter Industrieanlagen heute die dort verlaufene Route de Mons sein. Man kann es nicht beschreiben, man muß es einfach erlebt haben: Wunderbar krass!

Am Abend war ich froh, als ich gegen 19 Uhr im Thalys ab Bruxelles Midi auf einem Comfort 1-Platz (zum Schnäppchenpreis) die Füße hochlegen und mich vom wieselflinken garçon mit kostenlosen Getränken, Brötchen und Zeitungen bedienen lassen konnte. Bonsoir!