"Wenn Du ein Land kennenlernen willst, gehe nicht zu den Ausgrabungsstätten, sondern in die  Tavernen." Das habe er so oder so ähnlich einmal gelesen. Michael Höller hat den Spruch nur  etwas abgewandelt und ihn zu seinem Lebensmotto gemacht: "Statt Tavernen sind es bei mir eben Stadien."[Allgemeine Zeitung / Rhein Main Presse, 1.8.2015]

zum Fußball 2019 (3)



zum Fußball 2019 (2)

 



21.9.19 * Bayer Leverkusen - 1. FC Union Berlin   2:0 * 15:30 Uhr * Bundesliga * BayArena, Leverkusen * Zuschauer: 27 430 * Eintritt: Freikarten von der Bank meines Vertrauens * An- und Abreise: mit dem Bus

Martin waren Pommes und Fanta mal wieder wichtiger als Fußball. Unser kleinster gemeinsamer Nenner war der Jubel, wenn Tore der Bayern gegen Köln (vier Stück) angezeigt wurden. Union hatte einen großen, stimmgewaltigen Anhang dabei. Klasse!


7.9.19 * SF Lotte - Rot-Weiß Oberhausen   0:2 * 14:00 Uhr * Regionalliga West (4. Liga) * Stadion am Lotter Kreuz, Lotte * Zuschauer: 1 192 * Eintritt: 19,60 + 16,60 + 4,60 EUR * An- und Abreise: bis/ab Osnabrück Hbf zu 47,80 EUR * bis/ab Lotte mit dem Bus R31 zu 6,50 EUR

Besuch beim großen Sohn in Osnabrück, im Schlepptau den Kleinen. Saßen im Kids-Block, wegen der Ticket-Ermäßigungen. Die nervige Dorfjugend trampelte durchgehend gegen die metallenen Werbebanden. Der Kids-Block ist also genauso wenig zu empfehlen, wie überhaupt Lotte. Der niveauvolle Hopper muß hier nicht unbedingt kreuzen.





Julius Hirsch


Walther Bensemann






26.7.19 * Red Star FC - C´Chartres Football   2:0 * 20:00 Uhr * Freundschaft * Stade Bauer, Paris * Zuschauer: ca. 400 * Eintritt: 10 EUR * Anreise: Köln Flughafen -> Paris-Bercy mit Flixbus zu 28,49 EUR * Tageskarte Metro, Busse usw. 12 EUR * ÜoF im 4 Bett-Zimmer im St Christopher´s Inn, Paris zu 37,50 EUR *

Der heißteste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und dann nachts im Bus nach Paris. In der französichen Hauptstadt war es nicht merklich kühler, die ganze Zeit über lief an einem die Suppe nur so runter. Trotzdem spulte ich diszipliniert mein Tagesprogramm ab: Erste Station das Stade de Colombes in der gleichnamigen Banlieue.

Stade Olympique Yves-du-Manoir


Eröffnet 1907 als Stade du Matin, Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 1924 und u.a. des WM-Finals 1938 zwischen Italien und Ungarn 4:2.

Mit Beginn des 2. Weltkriges diente das Stadion als Pariser Sammellager für deutsche und österreichische Internierte (dazu gibt es vor Ort eine Gedenktafel). 1969 wurde hier ein Entscheidungsspiel im Viertelfinale des Europapokals der Landesmeister zwischen Ajax Amsterdam und Benfica Lissabon ausgetragen. Es gilt als Durchbruch der Niederländer zu einem europäischen Topklub. Am LOST GROUND De Meer in Amsterdam wird an dieses Spiel erinnert. Bis heute ist der Ground Heimat von Racing Paris.





Ein Restaurant das sie Pferd nannten?!

Dann einmal quer von West nach Ost durch Paris in den Bois de Vincennes, wo sich noch heute das Stade Pershing befindet. Allerdings hatte es bis 1960 noch Wälle und Tribünen, die man jedoch mangels Bedarf zurückgebaut hatte. In den 1920 -Jahren fanden hier vier französische Pokalfinals und vor bis zu 35 000 Zuschauern) sieben Länderspiele statt. Ach ja, Olympischen Fußball gab´s auch noch.

Stade Pershing


Dritte Station: Das Stade Elisabeth an der Porte d' Orléans. Hier fiel am 11. September 1932 beim Spiel FC Antibes - Red Star das allererste Tor in der Geschichte des französischen Profifussballs. Torschütze: Karl Klima. Von der einst schönen Tribüne ist natürlich nix mehr übrig. Ich wagte einen Blick in den Innenraum (Kunstrasen) und wage nun die Behauptung, daß hier allenfalls noch Kinder (von denen sich viele in einem Pool in Platznähe vergnügten) kicken. Das Stade Elisabeth bekam von mir den Status LOST GROUND.

Auf dem Weg zurück zur Metro sah ich von weitem große Flutlichtmasten. Google informierte mich, daß die zum Stade Charléty gehören mußten. Kannte ich gar nicht. Kurzer Besuch dort konnte nicht schaden. Den Ground gibt es schon seit 1939, es ist sogar der zweitgrößte von Paris (für 20 000 Zuschauer) [das Stade de France steht ja NICHT in Paris, sondern in St. Denis] nach dem Prinzenpark. Neben Fußball (durch den FC Paris) wird hier vor allem auch Leichtathletik und Rugby betrieben. Na ja, was dazugelernt.

Stade Elisabeth
Stade Charlety


Nach zwei Stunden Schlaf in meinem Mixed-Dorm am Gare du Nord stand am Abend der eigentiche Grund meiner Anreise an: Ein Heimspiel von Red Star im Stade Bauer (offiziell: Stade de Paris). 2013 war ich (aus Marrakech kommend und mit dem Weltpokal des FC Bayern im Gepäck) schon mal hier, konnte aber nur um den geschlossenen Ground außen herumlungern. Und trotzdem hatte mich verliebt. Richtig Old-School, aber so richtig!

Stade Bauer


Linke Fanszene



Das Stade de France auf einem Foto, das ich bei ebay ersteigert hatte. Stammt aus der deutschen Besatzungszeit.

Fußball an einem Sommerabend, an dem die Hitze im Glutofen Paris ein kleines wenig nachließ, mit ner kalten Cola, ein paar Pommes in der Hand, ein flottes Spiel vor Augen und ein Sitz im Stade Bauer unterm Hintern... Momente, die hätten nie zu Ende gehen mögen. Zuschauer waren gar nicht so viele da (etwa 400), alle versammelt auf nur einer Tribüne. Der politisch linke Fan-Block von Red Star machte zwischenzeitlich etwas Stimmung, es wurde sogar ein Bengalo gezündet. Einer!

Wer es nicht weiß: Zu den Mitbegründern des Red Star Football Club gehörte Jules Rimet, der vor allem als Begründer der Fußball-Weltmeisterschaften bekannt ist. Mein Schwiegervater würde übrigens ein gutes Double von Jules Rimet abgeben, he he...!


Brusselpoort, Mechelen
Radeln am Kanaal Leuven-Dijle


27.7.19 * Waasland-Beveren - Club Brugge   1:3 * 20:30 Uhr * First Division A * Freethielstadion, Beveren * Zuschauer: 5 229 * Eintritt: 25 EUR * Anreise: Paris-Nord -> Bruxelles Midi im Thalys zu 25 EUR (Urlaubsguru-Special), weiter bis Beveren via Mechelen und Antwerpen mit der Bahn zu 13,60 EUR * ÜoF AirBnb Nähe Park Spoor Noord, Antwerpen zu 28 EUR *

Im ersten Thalys des Tages war es am frühen Morgen nach Brussels Zuid gegangen. Die Weiterfahrt nach Mechelen verzögerte sich arg, denn die Belgischen Bahnen streiken an diesem Samstag ziemlich heftig. So lange Wartezeiten an Bahnhöfen können positiv zur Entschleunigung beitragen. Auf einem meiner inzwischen lieb gewonnenen Blue-bikes (Mietfahrrad) radelte ich bei noch passablem Wetter in die östlichen Outskirts von Mechelen. Dort irgendwo nahe der A1 sollte sich mit dem Sylvester Stadion ein eher unbekannter LOST GROUND befinden. Doch mein Weg dorthin endete in einer Sackgasse: Privatgelände. Mist. Auf dem Rückweg sollte ich Plan B ausprobieren.

So radelte ich erstmal ein paar Kilometer weiter in Richtung Leest. Das Kaff beheimatet den Club Rapid Leest, dessen Nebenplatz mit altertümlicher Stehtribüne ich in Augenschein nahm. Ich überquerte das Flüsschen Zenne und kam an der Dorpstraat an. Dort sah schon zwischen den Häusern die alte Tribüne der Spielstätte von VV Leest auftauchen. Der Ground dient wohl heute nur noch als Trainingsplatz, aber die Tribüne war baufällig. Eindeutig ein Fall für die Kategorie LOST GROUND.


Stehtribüne am Nebenplatz von Rapid Leest.


baufällige Tribüne an der Dorpstraat, Leest
Anreise zum Stadion Sylvester.


Auf dem Rückweg versuchte ich mich dann, dem Sylvester Stadion von der Rückseite aus zu nähern. Dazu bahnte ich mir mit meinem Blue-bike einen Weg durch Gestrüpp und Matsch... und wurde am Ende belohnt. Geiler LOST GROUND, abandoned since 2016. Hier spielten wohl nur Freizeitmannschaften. Auf dem Platz wucherten Gräser und Disteln, es gab noch eine kleine Tribüne und die Tore standen auch noch. Das Vereinsheim bot einen guten Einblick, weil (leider leider) fast alle Fensterscheiben, wie auch das Interieur ziemlich zerstört waren. Trotzdem zweifellos das Highlight des Tages!



Sky is the limit: Zugbrücke in Mechelen...
...und Wohnhaus in Antwerpen.




Meine Pläne, in Antwerpen ein paar LOST GROUNDS zu spotten, wurden durch den Bahnstreik und inzwischen strömenden Regen massiv behindert. Ein kurzer Ausritt zur Columbusstraat war dann wortwörtlich ein Schlag ins Wasser. Man wurde nass bis auf die Knochen und von dem Ground war nix mehr übrig.

Alte Lagerhallen am Antwerpener Hafen.
Trucker bei Grillen. Es roch köstlich...!


Abends kurze Fahrt nach Beveren. Erster Spieltag der 1. Liga. sportliche Heimat von Jean-Marie Pfaff, in Benelux immer noch ein (Fernseh-)Star. Mußte irgendwie immer an Leberkäs und Eier denken. Wer das blöde Lied kennt, weiß warum. Der Weg vom Bahnhof zum Freethielstadion zog sich... 45 Minuten durch den Regen patschen. In Beveren konnte man leider keine Blue-bikes leihen.

Das Stadion gefiel mir irgendwie richtig gut. Eine Seite hinter dem Tor war gesperrt, vermutlich baufällig. Stimmung war Klasse, sowohl im Away-Block der Brügger als auch im restlichen Stadion. Einem Belgier, der schon gut gebechert hatte, mußte ich offenbaren, daß ich kein Flämisch verstand, weil ich aus Deutschland käme. "Oh aus Deutschland! Warum kommst Du hierhier? In Deutschland gibt es guten Fußball, aber hier spielen nur Bauern.... ha ha ha!" Na ja, so schlecht war der Kick nicht.




Streik! Nix geht mehr nach Antwerpen in dieser Nacht!

Zurück am Bahnhof in Beveren mußte ich feststellen, daß die letzten zwei Züge des Tages nach Antwerpen streikbedingt ausfallen würden. Ich hätte es wissen können, aber die blöde SNCB-App ließ sich auf meinem Handy nicht installieren. Ein junger Bulgare wollte auch dringend nach Antwerpen und so teilten wir uns ein Taxi, jeder 20 EUR. Hätte schlimmer sein können...




28.7.19 * Racing Waregem - Svd Kortemark   2:1 * 16:00 Uhr * Croky Cup, 1. Runde * Mirakelstadion, Waregem * Zuschauer: ca. 70 * Eintritt: 6 EUR * An- und Abreise: mit der Bahn zu 61,15 EUR

Nach meiner Nacht in einem Studentenzimmer in der Oranjestraat (AirBnb) lief ich die ganze Dambruggestraat zum Bahnhof Amsterdam Centraal. Hier bekam ich einen guten Einblick in das Multikulti der Stadt... wobei soviel multi war da in Muslimisch-Afrika nicht, abgesehen von ein paar asiatischen Ausnahmen.

Ab Antwerpen-Berchem stand für mich noch eine Fahrradtour auf dem Programm. Unterwegs zur Sneeuwbeslaan kam ich am Ludo Coeckstadion von Berchem Sport vorbei. Dort ist ja bekanntlich die kleine Gegentribüne und, viel schlimmer, die Stehkurve (oder gar beide ?) mit ihren so charakteristischen massiven Wellenbrechern verschwunden. Schande!

An der Sneeuwbeslaan liegt der Cricket Ground des Antwerp Indian Cricket Clubs mit einer sehr schönen, alten Tribüne. Leider war das Gelände nicht zu gänglich, konnte nur über den Zaun des Nachbargrundstücks lugen. Hab´s ja nicht so mit Cricket, aber dennoch ist das Bauwerk für den Fußballromantiker interessant. Denn die Macher der website www.pitchd.tv haben herausgefunden, daß hier bis zu Beginn der 1960er Jahre der KSC Maccabi gekickt hat. Somit wäre die Verbindung zum Fußball hergestellt. Hm... sich hier mal ein Cricket-Spiel anzuschauen, nur um in den Genuß dieser tollen Tribüne zu kommen... gar nicht so abwegig!



Letzte Stadt des verlängerten Wochenendes wurde Waregem. Waregem war mir bisher nur wegen des KSV Waregem ein Begriff, der es Mitte der 1980er Jahre schaffte, bis ins Halbfinale des UEFA-Pokals zu kommen. Dort war der 1. FC Köln Endstation. Glaube, es gab da irgendwie Randale, weswegen die Kölner ihr Final-Heimspiel (es gab ja Hin- und Rückspiele) in Berlin austragen mußten. Pokalsieger wurde Real Madrid.

Regenboogstadion, Heimat des SV Zulte Waregem



Ich umkurvte mit meinem Blue-bike das Regenboogstadion und lenkte es dann sicher zum am Stadtrand gelegene Mirakelstadion. Ob hier Kortemark wieder ein "blaues Wunder" erleben würde? Die letzte Partie war mit 1:7 verloren gegangen. Das Spiel für heute hatte ich mir aus den unzähligen Erstrundenkicks des Belgischen Pokals ausgewählt, weil es hier etwas Ausbau (sprich Tribünen) gab.

Das großzügige Vereinsheim, durch das jeder Besucher gehen muß, um zum Platz zu gelangen, nutzte ich, um erstmals seit sechs Stunden wieder etwas Trocken zu werden. Ground und das ganze Ambiente waren mir auf Anhieb sympathisch. Wurde ein geruhsamer Nachmittag.

Die Rückreise gelang problemlos, der Eisenbahnerstreik war längst beendet. Fazit: Es bleibt dabei: Ich liebe Belgien, aber an das Stade Bauer kommt so schnell nix ran!




links Eintrittskarte, rechts: verhasste Coins




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