5. Tag
Den Vormittag verbrachten Martin und ich im einem der beiden Digital Art Museen in Tokio. Hier betritt man digitale Kunstwerke, die von interdisziplinären Künstlern geschaffen wurden. Im Prinzip sieht man fast nur bunte, bewegte Bilder, Grafiken und "Filme", die sich auf den vielen großen Wänden bewegen und immer wieder verändern. Einige Sachen sind wirklich spektakulär. So kann man z.B. Fische verscheuchen oder Schmetterlinge vom Himmel holen, indem man gegen die Wand klatscht. Im Tea House entsteht in einer Schale Tee (die wie Kuhfladensuppe schmeckt) eine Blüte. Zieht man die Teeschale schnell weg, scheint sich die Blüte etwas zu ärgern, aber schon bald entsteht eine neue. Ein kurzweiliger Zeitvertreib, den man empfehlen kann. In Hamburg soll es sowas demnächst wohl auch geben.
Mittags machten wir es wie die Mexikaner: Siesta-Zeit! Wenn man bis weit nach Mitternacht seinen Kimono ausprobieren muss, kann man "morgens" auch nicht ausgeschlafen sein. Kein Problem, wir haben ja Ferien!
Am frühen Abend spazierten wir in Ameyoko durch eine Marktstraße, die sich entlang der Hochbahn zwischen den Bahnhöfen Okachimachi und Ueno ausdehnt. Früher war das ein Schwarzmarkt, heute gibt es hier Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse, Streetfood, Haushaltswaren und sonstigen Krempel. Mitten- drin stand ein Tempel, den wir etwas näher in Augenschein nahmen, um dem hektischen Treiben auf der Straße etwas zu entgehen.
Nachher wechselten wir das Stadtviertel und stürzten uns in Shibuya in den Trubel des abendlichen Straßenüberquerens. Hin- und her. Obwohl es ganz banal ist, macht es doch Spaß zuzuschauen und mitzulaufen.
6. Tag
Pünktlich um 9:09 Uhr rollte Shinkansen Nozomi 215 (der mit den wenigen Zwischenstops) von Tokio nach Süden in Richtung Shin-Osaka. Mit an Bord Martin und meine Wenigkeit. Diesmal hatte ich Plätze reserviert, wer will schon die 366 km bis Kyoto stehen? Mit 171,96 EUR pro Richtung für 2 Personen war das nicht gerade ein preiswerter Spaß. Die Zweier-Plätze sind immer an der Seite, von wo man durch das Fenster den Fuji sehen kann (vorausgesetzt man hat Glück und der Nebel läßt es zu). Man sollte es kaum glauben, aber diese Plätze sind immer schnell ausverkauft. Scheint für Japaner und Touristen gleichermaßen wichtig zu sein.
Nach gut zwei Stunden, um 11:21 Uhr kamen wir in Kyoto an. Pünktlich auf die Sekunde, selbstverständlich! Schon auf dem Bahnsteig konnte man den Unterschied zu Tokio spüren: Obwohl wir es kaum glauben konnten, hier in Kyoto war es noch quirliger und wuseliger als in der Hauptstadt. Lag bestimmt vor allem an den Touristenmassen. Japaner überall :-).
Der Stadtteil Gion gilt als ein Geisha-Viertel und besticht durch seine traditionelle Architektur. Alte japanische Wohnhäuser wie dort habe ich sonst noch nie gesehen, allerhöchstens in Filmen. Statt Geishas liefen hier viele Einheimische und Touristen in (gekauften oder geliehenen) Kimonos herum. Ich hatte mir als Reisetipp eine Wegbeschreibung durch Gion aus dem Internet heruntergeladen. Dachte, die Strecke sei evt. in 1,5 bis 2 Stunden zu schaffen. In Wirklichkeit brauchten wir den ganzen Nachmittag, wobei wir es geruhsam angehen ließen. Nur die Gegend um die Pagodentempel war etwas owercrowded.
7. Tag
Nach einer erholsamen Nacht spazierten wir ein paar Straßen weiter zur Burg Nijo. Unterwegs kam eine merkwürdige Prozession mit verschiedenen Fußgruppen und einigen Reitern an uns vorbei. Nach kurzer Zeit war sie hinter ein paar Häuserecken verschwunden.
Burg Nijo wurde 1601 von einem Shogun errichtet und diente als Residenz der Shogune während ihres Aufenthaltes in der Kaiserstadt. Die Burg wird von einem Wassergraben und einer Mauer umgeben. Im Innenbereich gibt es noch einen Wassergraben, der den Honmaru Palace umgibt. Dieser war heute nicht zugänglich. Hat uns nicht geschmerzt, wir waren mit dem verschachtelt angelegten Ninomaru Palace (Fotografierverbot !) schon ausgelastet. Hier gibt es den berühmten Nightingale Floor (Nachtigallenboden). Das ist ein hölzerner Fußboden, der bei jedem Schritt durch Nägel im Boden ein zirpendes Geräusch verursacht und dadurch Eindringlinge verrät.
Martin war von der Schlichtheit der Burg enttäuscht. Er hatte prunkvollere Räumlichkeiten erwartet. Doch bald war er wieder bester Laune, als wir in Burg Nijo den Tea Garden ansteuerten und uns Tee bringen ließen. Martin hatte riesigen Spaß dabei, den Tee nach Anleitung zu kredenzen. Trotz seiner Mühe und obwohl ich bewußt eine andere Teesorte als noch am Vortag im Kunstmuseum wählte, schmeckte die Plörre grauenhaft.
In Kyoto gibt es einfach zu viele must-sees und wir waren uns im Klaren darüber, daß wir mehr als die Hälfte der absoluten must-sees in anderthalb Tagen nicht würden schaffen können. So stand am Nachmittag der Shinto-Schrein Fushimi Inari-Taisha auf dem Programm. Die Anlage ist den Gläubigen auch heute noch ein Heiligtum, das verehrt wird. Ich überließ es Martin, alle der über tausend Torii zu durchschreiten. Füße, Geist und Kreislauf brauchten bei mir eine Pause.
Am Bahnhof Kyoto ließ ich mich von Martin bequatschen, ein japanisches Restaurant aufzusuchen. Auf der Speisekarte durchforstete ich die Zutatenliste und schließlich blieben maximal zwei Gerichte übrig, die ich als potentiell essbar einstufte. Die Preise waren OK, der Service nett und das Essen schmeckte... nicht wirklich. Selbst mein Japan-Fanatiker schaffte es nicht, wenigstens die Hälfte seiner Portion zu verzehren. Nachher brauchten unsere Geschmacks- nerven eine Erholung und so steuerten wir zielgerichtet den nächsten Starbucks an. Hier trank Martin den ersten Kaffee seines Lebens und nun schwärmt er davon. Dabei war es nur ne Latte Macchiato mit Karamell-Geschmack.
8. Tag
Der letzte volle Urlaubstag in Japan war angebrochen. Und doch hatten wir es nicht geschafft, den Jetlag in den Griff zu kriegen. Die für 10 Uhr gebuchte (kostenlose) Tour im Garten des Kaiserpalastes musste ausfallen.
Hingegen konnten wir am frühen Nachmittag im Samuari Ninja Museum Tokyo an unserem Samurai-Kampfkurs wie geplant mitmachen. Den hätte sich Martin nie und nimmer entgehen lassen. Nach einer Einführung in die geschichtlichen Hintergründe der Samurais und dem Kennenlernen verschiedener Rüstungen ging es zum Shuriken-Werfen. Diese Kampfsterne dienten in erster Linie nicht dazu, einem Gegner Verletzungen zuzufügen, sondern um Geräusche vorzutäuschen. Beim anschließenden Kampf mit einem (stumpfen) Schwert gab ich mir alle Mühe, doch sehr elegent dürfte das nicht ausgesehen haben. Dafür habe ich jetzt einen Sohn, der meisterlich ein Samurai-Schwert führen kann. Hoffentlich rächt sich der Besuch dieses Kurses nicht irgendwann einmal.
22.10.24 * Urawa Red Diamonds - Kashiwa Reysol 0:1 * 19:30 Uhr * J League (Level 1) * Saitama Stadium 2002, Saitama * Eintritt: 6010 ¥ (36,68 € für 2 Tickets) * Zuschauer: 26 312 * An- u Abreise ab/bis Tokio in Nahverkehrszügen
Wir waren etwas spät dran und so mußten wir von der letzten Bahnstation bis zum Stadion etwas schneller laufen. Nicht, daß ICH es eilig gehabt hätte... Wir kamen vorbei an mehr als einem Dutzend Flaggen von Urawa-Fan Clubs, die an einem Zaun hingen. Auch diverse Imbiss-Stände passierten wir im Eilschritt, bis wir dann doch pünktlich zum Anstoß unsere Plätze einnehmen konnten.
Die Atmosphäre war deutlich besser und lauter, als die in Yokohama vor einer Woche. Alle Besucher im halbleeren Stadion beteiligten sich an der Stimmung. Beeindruckend, wie inbrünstig z.B. auch die Dame neben mir in etwa gleichem Alter, ohne Begleitung, mitsang. Der Auswärtsblock war proppevoll mit dem Anhang aus Kashiwa. Die hatten, ähnlich wie wir, nur eine knappe Stunde Anreisezeit gehabt.
Pipi Langstrumpf
Wenn man guten Fußball sehen will, fährt man nicht unbedingt nach Japan. So war ich ohne irgendwelche Erwartungen gekommen, die auch nicht erfüllt wurden. Beide Teams rangierten in der Tabelle der J League in der unteren Hälfte. In der Halbzeit lungerten wir am Imbiss-Stand herum, konnten aber mangels Bargeld nur eine Cola kaufen. VISA wurde hier nicht akzeptiert, merkwürdiger Laden. Auf Fahnen mit Mannschaftsfotos vergangener Jahre begegneten uns Michael Rummenigge und mehrfach Guido Buchwald. Was hat uns der Schwabe bei der WM 1990 Freude gemacht!
Ein Tor bei einem Fußballspiel in Japan hätten wir ja gerne mitgenommen. Auch hier in Saitama stand es nach 90 Minuten 0:0. Martin wollte unbedingt gehen und ich dachte an die noch zu packenden Koffer und gab nach. Folgerichtig fiel in der 90.+10. Minute das 1:0 für Urawa. Was soll´s?!
Um dem bevorstehenden Jetlag in Deutschland entgegenzuwirken, entschieden wir uns, die Nacht mehr oder weniger durchzumachen. So unternahmen wir u.a. eine Nachtwanderung durch die beleuchteten aber fast menschenleeren Straßen in der Gegend um unser Hotel herum.
9. Tag
Tatsächlich gelang es uns, die Nacht nahezu vollständig durchzumachen und nicht zu verschlafen. Rechtzeitig drei Stunden vor Abflug waren wir am Narita Airport. Dort konnten diverse Rekorde gebrochen werden: Den schnellsten Check In, den schnellsten Baggage Drop Off und die schnellste Gepäckkontrolle erlebten wir hier am NRT, alles eine Sache von Sekunden! Scheinbar ganz wenige Passagieren verloren sich in den großen weiten Gängen des Airports. Sehr chillig und sowas von stressfrei. Traumhaft!
Kurz nach dem Start staunte ich nicht schlecht, daß wir statt zurück nach Westen nun weiter ostwärts flogen. Wir nahmen die Route entlang Kamtschatka, Alaska, knapp am Nordpol vorbei und streiften noch kurz Grönland. Unser mit 14 h längste Nonstop-Flug ever schlug mit satten 12 364 km zu Buche.
Fazit: Japan oder China? Japan!!!