Wo finden in meinem Zwei-Wochen-Timeslot die meisten interessanten Spiele statt? Tatsächlich in Zentralasien. Dabei in Bishkek und Dushanbe sogar AFC-Pokal, was bei den Terminen Planungssicherheit bedeutet. Die Länderpunkte Kirgisistan und Tadschikistan fehlen mir noch beide. Diese Nachbarländer sind sich bekanntlich nicht ganz grün, so gibt es zwischen ihnen z.B. keine direkte Flugverbindung. Das wiederum bedeutet (da ein kurzer Abstecher nach Kasachstan Pflicht ist), dass ich mir einen von beiden Fußballverbänden aussuchen muss. Andernfalls würde ich mehr Zeit an Flughäfen vertrödeln als ich Spiele sehe.
Kirgisistan oder Tadschikistan? Die letzte Bemerkung in meinem Reisebericht zu Usbekistan 2015 lautet: „Sollte ich eines Tages wiederkommen, würde ich unbedingt nach Termiz reisen und den dortigen Zoo besuchen. Nicht wegen der Tiere. Man hat von dort angeblich einen tollen Ausblick auf Afghanistan.“ Termiz und Tadschikistan lassen sich ggf. auf dem Landweg miteinander verbinden. Also wird Tadschikistan statt Kirgisistan anvisiert - trotz eVisum und PCR-Test-Pflicht.
Ein Traum von mir ist es, einmal den legendären Pamir Highway zu absolvieren (in einer Reisegruppe oder als Beifahrer), der 1252 km u.a. durch das Pamir-Gebirge von Dushanbe nach Osch in Kirgisistan führt. Der Highway schlängelt sich u.a. durch die Provinz Berg-Badachschan (internationale Abkürzung: GBAO) und einen großes Stück an der afghanischen Grenze entlang. Wegen Unruhen in GBAO (für das normalerweise ein Permit einfach zu bekommen ist) und der Flüchtlingssituation in Afghanistan ist derzeit an den Pamir Highway nicht zu denken. Daher habe ich den in meine Planungen gar nicht erst mit einbezogen. Aber die Zeit für diese Straße wird kommen!
1. Tag (Samstag)
Flüge CGN -> SAW und SAW -> ALA mit Pegasus zu 359,78 EUR
Die Reise beginnt schon so semi. *** 9:50 Uhr Ich erreiche die S-Bahn-Station in GL *** 9:53 Uhr S-Bahn fällt aus *** 9:54 Uhr Renne zum Bus nach Köln-Dellbrück und steige dort um *** 11:03 Uhr Ankunft am Flughafen CGN *** 11:45 Uhr Koffer aufgegeben *** 11:50 Uhr Stelle mich ans Ende einer 100 m-Schlage vor den Sicherheitskontrollen *** 13:15 Uhr Mein Flug nach Istanbul sollte jetzt starten, mein Handgepäck wird gerade durchleuchtet *** 13:20 Uhr Ankunft am Gate, das Flugzeug steht noch da. Schon mal gut! Aber Boarding ist auch nicht *** 14:15 Uhr Boarding *** 14:35 Uhr Boarding completed, nichts passiert *** 15:00 Uhr Irgendeine Durchsage, die ich nicht verstehe *** 16:00 Uhr Das Flugzeug startet mit einer Verspätung von 2 h 45 min *** 19:45 Uhr Ortszeit Ankunft in SAW und sofortiges Umsteigen nach ALA ***
2. Tag (Sonntag)
1x ÜF im Hotel Turkestan, Almaty, Kasachstan zu 13 EUR
*** 5:15 Uhr Ortszeit nach 4 h 30 min Flugzeit Ankunft in Almaty ***
Sonnenschein und geiles Panorama: Almaty liegt wunderschön am Rande der riesigen Bergkette des Tian Shan.
Hatte mich im Hotel Turkestan angekündigt. Und zwei Nächte gebucht: Will ja nach der strapaziösen Anreise gleich nach meiner Ankunft morgens um 7 Uhr die Gemeinschaftsdusche nutzen, um mich dann auf´s Bett zu werfen. Aber: Mein Zimmer ist weg! So lese ich es auf dem Übersetzungsprogramm auf dem Handy des Mannes an der Rezeption. Hatte wohl vergessen anzugeben, dass ich nicht am Abend sondern erst am nächsten Morgen eintreffen werde! Mea culpa!
Ich solle in einer Stunde wiederkommen, dann sei mein Zimmer fertig. So drehe ich eine Runde um den menschenleeren Häuserblock und bin bald auf meinem Zimmer. Nun bezahle ich sogar nur eine Nacht. Hat sich das Warten fast gelohnt!
Bis 12 Uhr müssen Schlafdefizite ausgeglichen werden. Anders als allgemein üblich, brauche ich mit zunehmendem Alter wohl immer mehr Schlaf.
Zeitlich hätte ein Ausflug zum gar nicht so weit entfernten Big Almaty Lake ins Tagesprogramm gepasst. Aber ein Touranbieter, den ich von daheim kontaktiert hatte, meinte, der See sei derzeit nur erreichbar, wenn man für eine fünfstündige Wanderung bereit sei. Das war mir dann doch zu viel. Zufällig wollte der Typ mit dem merkwürdigen Namen Max am Abend auch zum Fußball. Trotz Verabredung sollte er nicht auftauchen.
Gefühlt ist es um die Mittagszeit brütend heiß. Zum Glück stehen in der ganzen Stadt an den Gehwegen Bäume, so dass man fast immer nur im Schatten unterwegs ist. Ich besuche den Green Bazaar und andere Märkte, den Gorky Park und das darin befindliche Spartak Stadion, den Park der 28 Panfilowzy mit seiner Kriegsgedenkstätte und der Christi-Himmelfahrt-Kathedrale aus der Zarenzeit.
Alles nicht schlecht, aber so ganz kann sich mir der Charme der Stadt noch nicht erschließen. Vermutlich bin ich noch nicht richtig angekommen und muss zwei, drei Tage Akklimatisierung in Zentralasien abwarten, bevor ich mich wohlfühlen kann.
19.06.2022 * Kairat Almaty - Maqtaaral Atakent 1:0 * 19:00 Uhr * 1. Liga * Stadion Ortaliq , Almaty * Eintritt: 1000 Tenge (ca. 2,20 EUR) * 5 774 Zuschauer
Mit der Metro fahre ich von Zschibek Zoly (wo das Stadt- und Vergnügungszentrum in Almaty liegt) zur Station Baikonur. Die Metro ist schön und modern, es gibt sie auch erst seit elf Jahren. Bin viel zu früh am Stadion Ortaliq, aber für einen Abstecher zum Dinamo-Stadion hab ich bei der Hitze keine Lust. Mein Ticket hatte ich mir schon online besorgt. Im Fan-Shop geht ein Kairat-Schal und ein -Wimpel in meinen Besitz über. Es sollten die einzigen Fanartikel sein, die ich in Zentralasien würde kaufen können. Ich warte irgendwo im Schatten, bis man ins Stadion rein kann.
Der Ground von Kairat ist ziemlich Bruch und ich habe meinen Platz auf der falschen Seite ausgewählt, nämlich in der prallen Sonne. Boah…! Jungs mit Tank-Rucksäcken und Zapfpistolen verkaufen Cola. Was zum Beißen gibt’s nicht. Das ganze Umfeld von Kairat wirkt auf mich sehr kommerziell und eher unsympathisch.
Das Spiel ist langweilig. Erst nach 27 Minuten hat Kairat die erste Torchance. 60 – 70 Ultras, unterstützt von Trommlern, rufen ab und zu „Kairat“ in den Abendhimmel. Sehr einfallsreich! Ansonsten Kinderchor. Kairat kann nix gegen den Tabellenletzten Maqtaaral. Wenig Qualität und noch weniger Torchancen auf beiden Seiten. Zur Halbzeit wechsle ich auf die Haupttribüne in den Schatten.Einmal muß der VAR ran. Statt Elfmeter nach Handspiel im Sechzehner gibt es nur Ecke. Maqtaaral ist ohne Anhang. Der hätte kurz vor Ende fast noch das 1:1 gesehen, wenn er denn gekommen wäre. Schlußpfiff.
Somit habe ich meine Leiche aus dem Länderpunkte-Keller entsorgt. Nachdem vor Jahren der Länderpunkt Kasachstan auf recht abenteuerliche Weise zustande kam und dabei in Atakent nur die letzten 40 min der 2. Hälfte heraussprangen, musste dieser Makel irgendwann beseitigt werden.
Mission erledigt. Mit dem gleichen Gefühl falle ich abends ins Bett. Das Hotel Turkestan ist übrigens schlicht und sehr sauber. Unbedingte Empfehlung für low budget-Reisende.
3. Tag (Montag)
Flug ALA → TAS mit Air Astana zu 90 EUR * 3x ÜF im Hotel Adras, Tashkent, Usbekistan zu je 25 EUR
Morgens um 7:30 Uhr ruft mir die Rezeption via Yandex ein Taxi. Yandex ist sowas wie Uber in russischsprachigen Ländern. Natürlich habe ich versucht, mir diese Yandex App selbst auf meinem Handy zu installieren. Aber es ging und ging nicht. Entweder war die App „not available in your country“ oder mein „device“ war nicht dafür geeignet oder der nötige Bestätigungscode kam via SMS nie an. Boah, ich hasse das…! Na, hoffentlich klappt das in Usbekistan. Ich brauche Yandex!
Der Flug nach Tashkent ist pünktlich. Dort am Flughafen kann ich schon am baggage claim an einem Schalter meine usbekische SIM-Card ergattern. 9 US-Dollar: Spottbillig und funktioniert tadellos!
Draußen wartet der übliche Mob aus Taxifahrer-Geiern. Ich drängle mich abwehrend durch die Massen, als plötzlich jemand „Michael“ ruft. Oh… das ist Forhad. Was für eine Überraschung!
Forhad, 27, hatte ich während meiner ersten Reise nach Usbekistan 2015 kennengelernt. Er hatte damals in meinem Hotel gearbeitet und mich in einer saugeilen Tour von Tashkent bis zur kasachischen Grenze und zurück chauffiert. Ich hatte ihm zwar gesagt, dass ich komme und man sich ja mal treffen könnte… aber dass er mich direkt vormittags am Flughafen abholen würde, damit hab ich nicht gerechnet!
Forhad fährt mich zum Hotel Adras, wo ich nach kurzer Zeit einchecken kann, obwohl ich viel zu früh da bin. Das Hotel hatte ich gewählt, da es strategisch günstig am Südbahnhof von Tashkent liegt. Am nächsten Tag soll es nämlich schon früh mit der Bahn nach Namangan im Ferghana-Tal gehen, um dort Navbahor - Metalourg Bekobod zu gucken.
Verabrede mich für 19 Uhr mit Forhad. Er muß jetzt zur Arbeit.
Nach einem Mittagsschläfchen laufe ich zum Südbahnhof. Es ist angenehm kühl aber gewittrig.
Am heutigen Montag ist übrigens kein match im Angebot. Eigentlich hätte Bunyodkor ein Heimspiel gehabt, aber da am Vortag im gleichen Stadion das U23 Asian Cup-Finale zwischen Usbekistan u Saudi Arabien (0:2) stattfand, hat man dieses Spiel auf den Dienstag verschoben. Kacke!
Am ATM decke ich mich mit Bargeld ein und mache mich so kurzzeitig zum Sum-Millionär! 2015 war der 5000 Sum-Schein der größte, der im Umlauf war. Das Papierchen war damals schon nix wert, was dazu führte, dass man – nicht übertrieben – sein Geld in Plastiktüten mit sich führen musste. Heute erleichtert ein 100 000 Sum-Schein das Einkaufen, auch wenn er keine 10 EUR wert ist.
Als nächstes „to do“ steht ein PCR-Test an. Den brauche ich zwingend für die Einreise nach Tadschikistan in drei Tagen. Meine Planung geht so: Heute (Montag) am frühen Nachmittag mache ich den 72 h gültigen Test in Tashkent und hole mir das Ergebnis (zwingend in Papierform, via Handy geht nicht) am Mittwoch nachmittags persönlich ab, um damit donnerstags gegen 12 Uhr kurz vor Ablauf der 72 h die tadschikische Grenze zu passieren. In der Zwischenzeit kann ich dienstags bequem nach Namangan railen, nen Ground machen und dort auch übernachten, um am Mittwoch um 14:06 Uhr wieder in Tashkent aus dem Zug zu steigen.
Das SHOX International Hospital wirkt auf mich wie aus einem US-amerikanischen Film entsprungen. Alles topmodern! Ne Privat-Klinik eben. Die süßen Damen am Empfang scherzen ob meiner Nachfrage, dass ich für Reisezwecke einen PCR-Test brauche, indem sie ansatzweise die Arme wie Flugzeugflügel ausbreiten. „Da will wohl jemand verreisen…!“ Nein, ich will nicht – ich muss! Länderpunkt ist Pflicht!
Dann wird mir die schlechte Nachricht aufgetischt: Der Test sei nur noch 24 h gültig, weshalb ich den nur am Mittwoch bis 15 Uhr machen kann, wenn ich das Zertifikat mit dem Ergebnis am gleichen Tag nach 22 Uhr noch haben möchte. Sonst am nächsten Tag ab 9 Uhr…. Geht nicht, dann bin ich längst unterwegs. Großer, ganz großer Bullshit!
Im Klartext heißt das: Mittwoch nach meiner Ankunft um 14:06 Uhr in Tashkent habe ich gerade noch 54 Minuten Zeit, um mit allem Gepäck vom Bahnhof zum Hospital zu fahren, mich anzumelden und den Test auch durchführen zu lassen. Wenn der Zug auf seiner stundenlangen Fahrt Verspätung bekommen sollte, kann ich meine Einreise nach Tadschikistan vergessen. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Bullshit!
Heute kann ich im SHOX nix mehr machen, also zurück zum Hotel. Fast alle Autos in Tashkent sind weiß, auch die Taxis. Nur haben die Taxis keine Taxi-Schilder auf dem Dach oder sonst ein Erkennungsmerkmal. Woher soll man wissen, ob ein weißes Auto ein Taxi ist oder nicht? Eben, man kann es nie wissen! Genau dafür wäre Yandex wichtig, aber auch um beim Preis nicht abgezockt zu werden. Doch auch in Usbekistan krieg ich Yandex nicht installiert. Aaahrgs! So ruft mir einer der netten Engel vom Empfang ein Taxi. Gerade rechtzeitig, denn der Himmel öffnet lautstark alle Schleusen.
Forhad kommt erst gegen 22 Uhr. Eigentlich habe ich keine Lust mehr, etwas essen zu gehen, aber ich lasse mich überreden. Eine gute Entscheidung! Forhad bestellt für seinen Gast aus Germany und für sich usbekische Küche: Samsa und Lamm-Kebab. Aber das scheint nicht reibungslos zu funktionieren. Erst lässt der die Getränke zurückgehen („nicht kalt genug“), dann die Samsa („sehen nicht gut aus, dass Auge will auch was haben“) und zum Schluss bemängelt er, die Kebabs seien zu kalt. Mir ist das Reklamieren unangenehm, aber ich lasse mir nichts anmerken. Später mache ich u.a. in einem Supermarkt die Erfahrung, dass mir der Kassierer das ausgewählte Brot wegnimmt, es prüft und zurück in den Laden geht, um mir ein „viel besseres, frischeres“ Brot zu geben. Ich kapiere, dass dieses Zurückgehenlassen bzw. Umtauschen ein Zeichen der Höflichkeit an den Gast ist, dass er nur das Allerbeste bekommen möge. Reisen bildet. Tatsächlich!
Beim Essen tausche ich mit Forhad die „Entwicklungen“ der letzten sieben Jahre aus. Er hat die Uni abgeschlossen, geheiratet und ist Vater zweier Kinder geworden. Er träumt davon, in die USA auszuwandern, um dort mit einem Truck Transporte durchzuführen. Hier in Usbekistan gäbe es nicht genug zu verdienen.
Es folgt eine unruhige Nacht. Um 3:45 Uhr treffe ich schweren Herzens die Entscheidung, den Ausflug ins Ferghana-Tal nach Namangan zu canceln und stattdessen in Tashkent zu bleiben. Ich storniere alle Unterkünfte und Zugfahrkarten, soweit noch möglich. Ich muss einfach sicher sein, das Ergebnis dieses blöden PCR-Tests rechtzeitig zu bekommen. Das Risiko, dass das in die Hose geht, ist einfach zu groß. Als „Entschädigung“ für Namangan winkt mir am Abend wenigstens das Stadion Bunyodkor, dass ich schon zweimal verpasst habe.
4. Tag (Dienstag)
Wenn ich in die Stadt will, lasse ich mir über die Rezeption immer via Yandex ein Taxi rufen. Dann gibt es keine Diskussionen über den Preis und den genauen Zielort.
Ich lasse ich mich zum Bunyodkor Stadion (auch Milliy Stadioni genannt) bringen. Mal checken, ob das angepeilte Spiel hier heute tatsächlich über die Bühne gehen wird. Die Bestätigung bekomme ich umgehend: In großen Lettern wird der Kick dort angekündigt.
Jetzt steht der Chorzu Bazaar im Herzen Tashkents auf dem Plan. Dazu fahre ich mit der Metro vom Stadion in die Innenstadt. Dieser riesige Markt findet nicht nur in einer tollen Kuppelhalle statt, sondern auch in mehreren Nebengebäuden und unter freiem Himmel. Hier gibt es alles für den täglichen Bedarf, vor allem aber Lebensmittel (tod oder lebendig). Zwischen den Ständen warten Männer mit eigentümlichen Wägelchen auf Kundschaft. Wenn die Dame des Hauses nicht alles selbst zum Auto tragen möchte (oder es aufgrund der Menge nicht kann), dann nimmt sie die Transportdienstleistung der Männer in Anspruch. Den Chorzu Bazaar gibt es nicht erst seit Sowjetzeiten (wie die Markthallen vermuten lassen könnten), sondern schon seit Jahrhunderten. Früher war er ein wichtiger Handelsplatz entlang der Seidenstraße.
21.06.2022 * Bunyodkor Tashkent – Kokand 1912 1:1 * 20:00 Uhr * 1. Liga * Stadion Bunyodkor , Tashkent * Eintritt: 30 000 Sum (ca. 2,70 EUR) * 1 575 Zuschauer
Bin um 18:30 Uhr am Ground. Am Ticketschalter ist keine Sau. Es gibt Karten zu 15 000 und 30 000 Sum. Als Sum-Millionär wähle ich die höhere Kategorie. Einlass ist erst um 19:20 Uhr. Es gibt zwei kleine Verkaufsstände, an denen Wasser, Nüsse etc. angeboten werden. Die Frau dort kann auf meinen 5 000 Sum-Schein (= 0,45 EUR) nicht rausgeben, so muss ich auf Wasser verzichten. Gefühlt eine Ewigkeit muss ich das Stadion umkreisen, bis ich endlich meinen Block 1D finde. Das liegt natürlich nicht an mir, sondern an der schlechtesten Blockkennzeichnung innerhalb moderner Stadien aller Zeiten. Für das lange Suchen werde ich mit dem zweifelsohne bequemsten Stadion-Sesselsitz aller Zeiten entschädigt. Mein Hintern versinkt in einem mindestens 5 cm dickem Polster.
Gegenüber auf den 15 000 Sum-Plätzen tummeln sich etwa 20 Ultras mit Trommeln und Trompeten. Sie lassen einige Musikstücke hören, ohne dabei mein Trommelfell zu quälen. Das Stadion hat eine Superakustik. Obwohl total leer, ist es Innen ziemlich laut. Ich selbst schätze ca. 400 Zuschauer im 34 000 Plätze fassenden Bunyodkor Stadium. Offiziell sind es mehr als dreimal so viel. Na ja…! Jedenfalls eine ziemliche Geisterkulisse..
Beim Wunschspiel Navbahor – Metallurg Bekhobod in Namangan sind parallel (offiziell) sage und schreibe 8 900 Zuschauer. Tabellenführer Navbahor ist derzeit der einzige Club in Usbekistan, der fünfstellige Besucherzahlen erreichen kann.
Spiel ist ähnlich anspruchslos wie in Almaty. Emotionaler Höhepunkt sind die Pokalübergaben an zwei Jugendteams in der Halbzeitpause. Besonders die Kleinen (ca. 8jährige) sind stolz wie Oskar! Die sind auch die einzigen, die Bunyodkor in der 2. Hälfte anfeuern. In der 90. Minute wird ein Spieler aus Kokand im gegnerischen Strafraum gefoult. Langes Warten, bis via VAR die Entscheidung „Elfmeter“ fällt. 0:1. In der 95. Minute dann köpft ein Bunyodkor-Spieler den Ball an den Pfosten, von wo dieser ins Tor springt: 1:1. Schlusspfiff. Tolles Stadion, aber heute war es trostlos.
So, wie komme ich nun ohne Yandex zurück zum Hotel? Ich mache es einfach mal, wie ich es mir bei den Einheimischen abgeguckt habe: Ich stelle mich an die Straße und strecke den rechten Arm in Schulterhöhe aus. Keine zwei Sekunden (nicht übertrieben !) stoppt schon einer der vielen weißen Autos vor meinen Füßen. Dem Fahrer zeige ich die Visitenkarte vom Hotel. Es kann losgehen. Offensichtlich weiß der Fahrer trotzdem nicht genau, wo sich das Hotel befindet. Unkompliziert löst er das Problem, indem er beim Hotel direkt anruft und sich den Weg erklären lässt. Die Fahrt kostet mich faire 0,90 EUR.
Übrigens hat sich in Usbekistan seit 2015 etwas verändert: Während ich damals noch fast an jeder Straßenecke und in allen Stadien jedem Polizisten meinen Reisepass vorzeigen musste, bleibe ich bei dieser Reise unbehelligt. Vielmehr kümmern sich die Cops um die einheimischen Autofahrer. Gut so! Auch das Fotografieren in Stadien geht nun problemlos.
5. Tag (Mittwoch)
Der Tag beginnt beschissen. Heftige Durchfälle plagen den ambitionierten Groundhopper. Genau das, was ich stets um jeden Preis zu verhindern suche.
Osmon von Go Travel Tajikistan ruft mich an. Er organisiert meine morgige Autofahrt von Samarkand nach Dushanbe. Alles im grünen Bereich. Bezüglich PCR-Test meint er, die Regeln würden sich ständig ändern und manchmal könnte auch ein Impfnachweis an der Grenze reichen. Notfalls könnte man für 5 US-Dollar einen Express-Test machen.
Ich bleib bei der offiziellen Regelung und lasse mich am frühen Nachmittag wieder zum SHOX International Hospital bringen. Der PCR-Test kostet um die 20 EUR und in weniger als 15 Minuten ist alles erledigt. Zurück ins Hotel. Schlafen, essen kann ich nix.
22.06.2022 * Olimpic Tashkent – AGMK Omaliq 1:1 * 19:00 Uhr * 1. Liga * Stadion Lokomotiv, Tashkent * Eintritt: frei * 505 Zuschauer
Später heißt es rechtzeitig „Durchfall ade“ und ich kann in die Stadt zum Fußball gucken. Ich erwarte einen ruhigen, entspannten Abend. Das Spiel von Olimpic wird stattfinden und wo das JAR Stadium liegt, weiß ich auch. Nämlich direkt neben dem Chorzu Bazaar. Was soll also schon schiefgehen?
Als ich am Stadion aus dem Taxi aussteige, sehe ich, dass der Eingangsbereich komplett abgerissen wurde und gerade neue Kassenhäuschen gemauert werden. Ein Bautrupp ist mit Pflasterarbeiten beschäftigt. Von der Security bekomme ich zu hören: Hier ist heute kein Spiel! Suuuper!
Ich rufe Forhad an und frage ihn, ob er herausfinden kann, wo denn das Spiel heute tatsächlich stattfinden wird, wenn denn nicht im JAR Stadium. Er ist zwar auf der Arbeit, aber er verspricht, sich darum zu kümmern. Feiner Kerl! In der Zwischenzeit frage ich an einem anderen Zugang zum Stadion nach. Ein Mann mit unbekannter Funktion meint, das Spiel würde hier und heute stattfinden. Er führt mich sogar ins Stadion rein. Aber vor Ort deutet wirklich nichts darauf hin, dass hier in 40 Minuten ein Erstligaspiel angepfiffen werden soll. Forhad spricht über mein Handy mit dem Mann, der jetzt sichtlich überfordert scheint. Plötzlich mischt sich ein Bauarbeiter ein, der zufällig vorbeiläuft. Forhad redet auch mit ihm und bekommt heraus, dass im Lokomotiv Stadion gespielt wird. Sofort hin da!
Ich bin natürlich nervös und kann nicht warten, bis Forhad vorbeikommt und mich dort hinfährt (das hatte er mir nämlich angeboten). Ich springe an die Straße, Arm raus und sitze Sekunden später in einem privaten Taxi. Der Fahrer wirkt auf mich wie ein Mittelschullehrer, der sich etwas dazuverdienen will. Ja, Lokomotiv-Stadion kenne er. Was ich zahlen wolle? 50 000 Sum! OK, einverstanden. Ich weiß nichts von einem Lokomotiv-Stadion und gucke auf gxxgle maps. Irgendwo im Süden, in 7 km Entfernung wird eines angezeigt. Prima, sind wir ja gleich da, denke ich mir. Ich versuche zu entspannen. Mein Gefühl ist, dass wir kreuz und quer durch die Stadt rauschen. Nach einiger Zeit gucke ich nochmal auf gxxgle maps, wo wir denn sind. Statt 7 km sind wir jetzt 14 km vom Lokomotiv-Stadion entfernt und statt in den Süden fahren wir konsequent nach Norden. Ich fasse es nicht. Es ist 19:45 Uhr. Ich versuche zu protestieren: Lokomotiv Stadion!!! sage ich mehrfach und deute mit meinen Fingern in die entgegengesetzte Richtung. Der Mann bleibt unbeirrt. Er gibt mir zu verstehen, dass ich der Fremde sei und er hier zu Hause ist. Er kenne sich aus. Es geht weiter nach Nordosten. Scheiße! Inzwischen ist es 20 Uhr. Ich interveniere nochmals: Wo ist das Stadion? Oh, noch 5 km! antwortet mir der Mittelschullehrer. Am liebsten wäre ich aus dem Wagen gesprungen. Nun denke ich daran, was der Arsch für ein Gesicht machen wird, wenn wir gleich an einem dunklen Kunstrasenplatz mit Maschendrahtzaun stehen werden, wo der Hund begraben liegt. Habe ich eine Wut im Bauch!
So um 20:10 Uhr, wir sind schon längst aus Tashkent raus, sehe ich Flutlichtmasten. Richtig große Flutlichtmasten, die sogar eingeschaltet sind. Hääh? Als wir an dem Stadion ankommen, steht dort in großen Buchstaben „Lokomotiv“ drauf. Der Typ hatte tatsächlich recht, unfassbar! Ich entschuldige mich tausendmal bei ihm für meine Ungeduld und Unhöflichkeiten und gebe ihm noch 20 000 Sum Trinkgeld. Später bekomme ich heraus, dass mir gxxgle maps das TTYMI Stadioni als Lokomotiv-Stadion angezeigt hat und ich deshalb auf dem völlig falschen Dampfer war.
Zur 20. Spielminute bin ich drin. Das Stadion ist ja soooo geil. Komisch, das ich das gar nicht auf dem Schirm hatte. Und viel besser, als dieses JAR Stadium. Endlich kann ich entspannen und ich bekomme in der 50. Minute das einzige Tor des Abends mit. Ich glaube, es sind sogar ein paar Fans aus Omaliq da, so alte Herren. Von Olimpic kein organisierter Support. Ansonsten nix nennenswertes zu berichten, aber dennoch ein feiner Fußballabend.
Nach dem Spiel holt mich Forhad am Stadion ab und wir düsen durch die ganze Stadt zum SHOX. Dort bekomme ich feierlich mein negatives Testergebnis überreicht. Die Dame macht sich Sorgen, ob ich es denn bis morgen um 12 Uhr tatsächlich über die Grenze schaffen würde. Ja, ich gebe mir Mühe! Forhad bringt mich anschließend zum Hotel. Ich bedanke mich überschwenglich für Forhads Dienste. Ohne ihn hätte ich das heutige Spiel niemals gesehen. Ich sagte es bereits: Forhad ist ein feiner Kerl. Wir verabreden uns für den Abend meiner Rückkehr nach Tashkent.
6. Tag (Donnerstag)
Zugfahrt in der VIP-Klasse von Tashkent North nach Samarkand zu 19,10 EUR * Privatfahrt im SUV von Samarkand nach Dushanbe * 5x ÜF im Hotel Sarvar ***, Dushanbe, Tadschikistan zu je 40,25 EUR
Heute steht Tashkent → Dushanbe auf dem Programm. Der Tag, von dem ich mir in Bezug auf Sightseeing am meisten verspreche. Ich werde nicht enttäuscht werden.
Morgens um 7 Uhr sitze ich in der VIP-Klasse des Schnellzuges Afrosiyob (ein Talgo) nach Samarkand. Zeitung, Frühstück und Wasser gibt es gratis. Viele russischsprachige Touristen sind an Board. Die 320 km Strecke sind in 2 Stunden 14 Minuten absolviert. Samarkand kenne ich bereits. Sonst wäre es ein unverzeihlicher Frevel, diese Stadt links liegen zu lassen, so wie ich es heute mache.
In Samarkand werde ich von Firdavs, meinem Fahrer, und seinem SUV erwartet. Firdavs ist am Vortag aus Tadschikistan gekommen. Er spricht Basic English und natürlich Russisch. In dieser Kombination werden wir uns den ganzen Tag bestens verständigen. Firdavs wird mir schnell sympathisch. Er ist ein sicherer Fahrer, smart und tough.
Zuerst stecken wir im Stadtgebiet von Samarkand heftigst im Stau. Unterwegs kommen die Berge am Horizont immer näher. Gegen 12:30 Uhr erreichen wir die Grenze.
Ich muss aussteigen, mein gesamtes Gepäck mitnehmen und die Grenze zu Fuß passieren. Firvads kommt mit dem Auto nach. Es ist nicht allzu viel los. Im Niemandsland zwischen Usbekistan und Tadschikistan treffe ich Firdavs wieder. Die Menschentraube vor dem tadschikischen Grenzbeamten umgehen wir, indem Firdavs die Beamten voll quatscht und mich hintenherum durch den Ausgang vor den Schalter schiebt. Keine Proteste, die Einheimischen sind duldsam.
Der Grenzer erklärt mir höflich, dass ich gar kein eVisa brauche, wenn ich als Tourist einreisen würde. 27,90 EUR umsonst ausgegeben. Und den obligatorischen PCR-Test, 24 h frisch… den brauch ich natürlich auch nicht. Aaahrgs, man hätte es sich denken können! Nochmal 20 EUR umsonst ausgegeben und unnötigerweise auf das Ferghana-Tal verzichtet. Masken, by the way, hab ich, außer im SHOX, sonst nirgends in Zentralasien gesehen.
Was soll´s? Sowas gehört ja irgendwie dazu.
Ich hatte bei Osmon von Go Travel Tajikistan einen genauen Plan eingereicht, was ich unterwegs alles sehen möchte. Der Transfer allein reicht mir nicht aus. Firdavs muß sich erst daran gewöhnen, daß der Deutsche nicht nur an antiken Mauerresten, sondern auch an Fußballstadien und -plätzen auszusteigen gedenkt.
1. Stopp schon direkt hinter der Grenze: Sarazm, erstes UNESCO Weltkulturerbe Tadschikistans. Man sieht die Grundmauern einer Siedlung aus der Zeit 3500 – 2000 v.Chr., in der Viehzucht, Landwirtschaft und später die Gewinnung von Bodenschätzen zur Metallverarbeitung nachgewiesen werden konnte.
2. Stopp: Stadion Zarafshon in Pandschakent.
Firdavs kennt noch ein Stadion in der Stadt, das er mir unbedingt zeigen möchte: 3. Stopp. Wir fahren auf eine Wiese, auf der große Busse von Hilfsorganisationen aus Saudi-Arabien stehen. Ein junger Mann erklärt mir, dass dies der älteste Fußballplatz von Pandschakent sei. Da ich keine Torgestänge sehe und auch sonst der Platz eher einer Kuhwiese gleicht, weise ich darauf hin, dass ich ebenso ein Faible für LOST GROUNDs habe. Äh, nee! Das ist nicht LOST, meint der Mann. Hier wird noch gekickt… oh oh! Aber das kennt man ja aus den Ex-Sowjetrepubliken. Was in den Augen des Westeuropäers abbruchreif oder untauglich erscheint, wird hier noch genutzt.
4. Stopp: Alt-Pandschakent, südlich des heutigen Pandschakents. Blütezeit im 7. u 8. Jahrhundert n.Chr., zerstört während der arabischen Eroberung. Fundort von Wandmalereien und Holzgegenständen. Die Stadt war einst von 8 m dicken Mauer umgeben.
5. Stopp: Mittagspause. Wir gehen Essen! Das Restaurant hätte ich aus eigenem Antrieb weder gefunden noch betreten. Uns wird Osch serviert, ein großer Teller mit Reis, Gemüse und etwas Fleisch, den ich mir mit Firdavs teile. Schmeckt sogar so gut, dass ich meine permanente Sorge wegen Dünnschiss kurz vergesse.
Die Fahrt geht weiter schnurstracks nach Osten. Die Berge werden höher und rücken dichter zusammen, die Straßen werden kurvenreicher. Wir folgen dem Verlauf des Flusses Serafschan (Zarafshon) und sind umgeben von dem Gebirge der Turkestan- und Serafschanketten.
Folgend ein paar Fotos von der Strecke, bevor es auf der nächsten Seite mit der Tour weitergeht.