"Wenn Du ein Land kennenlernen willst, gehe nicht zu den Ausgrabungsstätten, sondern in die  Tavernen." Das habe er so oder so ähnlich einmal gelesen. Michael Höller hat den Spruch nur  etwas abgewandelt und ihn zu seinem Lebensmotto gemacht: "Statt Tavernen sind es bei mir eben Stadien."[Allgemeine Zeitung / Rhein Main Presse, 1.8.2015]


11.3.11   FK DAC Dunajska Streda - MSK Zilina   2:2 * 17:30 Uhr * 1. Liga * Stadion Mestsky, Dunajska Streda * 3 757 Zuschauer * Eintritt: 4 EUR * Anreise: Köln/Bonn -> Wien mit Germanwings 77,99 EUR, Wien-Simmering -> Dunajska Streda und zurück bis Bratislava hl.n. per Bahn 18,36 EUR * Übernachtung: Penzion Berg, Bratislava, EZoF 28,85 EUR *

1. Tag

Ich muß zugeben, ich ärgere mich immer noch, wenn man für den Transport Flughafen <-> Innenstadt abgezockt wird. So auch in Wien: 10 EUR für eine lausige 16 minütige Bahnfahrt. Kruzitürken, würde der Österreicher sagen. Erstes Ziel war ein Stadionbesuch bei den Hütteldorfern. Rapid Wien hatte, als ich kam, gerade Training. Während die Kiebitze sich um den Nebenplatz versammelt hatten, schlich ich ins Gerhard-Hanappi-Stadion rein zum Fotoshooting. Zwei Tage später siegte Rapid im Stadtderby bei den "Veilchen" mit 1:0. Nach einem kurzen Abstecher in den Fan-Shop machte ich mich auf die gut ein- stündige Zugfahrt nach Bratislava hl.n.



In der Hauptstadt der Slowakei hatte ich mir 2 1/2 h Aufenthalt eingeräumt. Altstadt gucken? Nein, lieber die Grounds anschauen. Also in den Bus gestiegen und zum Tehelné pole ("Ziegelfeld") gefahren. In dem Stadion wurde zuletzt 2009 gespielt (das verriet mir ein Aushang an einem Kassenhäuschen für die Spiele Slowakei - San Marino und das "friendly" Slovan Bratislava - SSC Neapel) und nun verrottet es gänzlich. Lediglich als Parkplatz für die Slovan-Vereinsbusse scheint man das Gelände noch zu nutzen. Die Security-Bude war unbesetzt und so konnte ich reinhuschen und ein paar Pics machen.



Fast hätte ich ganz vergessen, daß es ja noch ein Stadion in unmittelbarer Nähe zum Tehelné pole gibt. Zum Glück sah ich die Flutlichtmasten des Stadion Pasienky ("Viehweide") rechtzeitig und lenkte meine Schritte dorthin. Der ground liegt nur etwa 300 m Luftlinie entfernt und gehörte wohl früher dem inzwischen Pleite gegangenen Rivalen von Slovan, nämlich Inter Bratislava. Heute kickt hier nur noch Slovan. Die Tribünen sind auf einem ringsum den Platz verlaufenden, aufgeschütteten Wall platziert.


Die Spiele der 1. Liga in der Slowakei sind üblicherweise samstags, aber eine Partie wurde für die Live-Übertragung im DigiTV vorgezogen. Kurioserweise traf es diesmal ausgerechnet den kick, auf den ich so sehr gehofft hatte: FK DAC – MSK Zilina! Gehofft wohl deswegen, weil er von Bratislava schnell erreichbar ist (für die ca. 50 km braucht der Bummelzug ne knappe Stunde) und vor allem deswegen, weil hier 1988/89 schon der FC Bayern im UEFA-Pokal angetreten ist. Das Gastspiel der „Roten“ gilt in der 24 000 Einwohner-Stadt noch heute als „Match of the Century“.



Der Bahnhof von Dunajska Streda (bedeutet etwa „Mittwochsmarkt an der Donau“) ist ziemlich assi. Als ich anderthalb Stunde vor Kick Off ankam und sich die Reisenden verflüchtigt hatten, blieben nur noch zwei zahnlose, betrunkene Zigeunerinnen und ein in seinem Erbrochenen schlafender Mann übrig. Aus dem ausgehängten Zugfahrplan wurde ich nicht schlau, also verließ ich mich auf meine Infos von www.bahn.de.

Den Ground, das Städtische Stadion sozusagen, fand ich nach 20 min Fußweg. Auf der Dorfstraße war es ruhig, aber vereinzelt liefen schon Leute mit gelb- blauen DAC-Schals herum. Ich besorgte mir mein Ticket und ging kurz in die Stadt. Als ich zurückkam, war der Pub gegen über dem Haupteingang gut besucht und an jeder Ecke wurde dieses eklige „Vogelfutter“ verkauft. Darauf hat man wohl bei der Konstruktion der Sitzschalen Rücksicht genommen. Die nämlich kann man ganz nach vorne klappen, um die ausgespuckten Körnerreste wieder beseitigen zu können. Wie dem auch sei, für mich hat diese Ange- wohnheit etwas Barbarisches!



In Dunajska Streda leben mehrheitlich Ungarn und so ist in dieser Stadt alles zweisprachig: Slowakisch und Ungarisch. Da machten auch das Stadionpro- gramm und die Durchsagen des Stadionsprechers keine Ausnahmen.


Aus Zilina sammelten sich nur neun Gestalten im Away-Fanblock. Wahscheinlich war man etwas müde von den vielen Reisen in der Champions League nach Chelsea, OM und Spartak Moskau? Für lautstarke Unterhaltung sorgten dann auch die Ultras vom FK DAC fast während des ganzen Spiels über. Neben mir stolperte plötzlich ein ziemlich angetrunkener Opa an einer Treppe und schlug sich den Kopf am Geländer an. Er war hart im Nehmen, denn er sah sich das Spiel – gelegentlich am Hinterkopf tastend – weiter an.



Der Tabellensiebte der Zwölferliga bot dem Tabellenführer aus Zilina (Trainer: Ex-Leverkusener Pavel Hapal) Paroli und als man sogar in Führung ging, kochte das Stadion über. In der Hälfte 2 schien DAC zunächst die Luft auszugehen, Zilina drehte per Doppelschlag das Spiel und zu diesem Zeitpunkt hätte ich keinen Pfifferling mehr auf Dunajska Streda gegeben. Aber ich muß ja nicht unbedingt Ahnung vom Fußball haben, denn DAC kam nach dem tatsächlich noch mal ins Spiel zurück: 2:2! Das Sportblatt „nike SPORT“ gab dem Spiel fünf von sechs möglichen Punkten. Klasse!

Inzwischen war es dunkel und kalt geworden und meine Rückfahrt konnte ich erst um 20:40 Uhr antreten. So what, Länderpunkt 41 im Sack!

Zurück in Bratislava hl.n. konnte ich an einer „Garküche“ was undefinierbares, jedoch essbares auftreiben und satt mit dem Bus über die Donau in den süd- lichen Stadtteil Petrzalka fahren. Ich verpasste natürlich die richtige Haltestelle zum Aussteigen und so musste ich in der Gosse einer Schnellstraße noch etwas laufen. Weil ich am nächsten Morgen schon um 6:04 Uhr ab Bratislava-Petrzalka abfahren wollte, hatte ich mir eine Pension in Bahnhofsnähe gesucht: Die „Penzion Berg“ lag zwar nicht weit weg, aber ziemlich verborgen in einem gänzlich unbeleuchteten Gewerbegebiet. Wenn es wenigstens „rote Laternen“ gegeben hätte… Dahinter fing wohl die Puzta an?! Doch dann wurde ich von dieser Absteige überrascht: Das Zimmer riesig, ganz neu eingerichtet, luxuriöses Bad, Flachbild-TV und Kaffee und Mineralwasser gratis: Und das für weniger als 30 EUR… !


2. Tag

12.3.11   NK Olimpija Ljubljana -NK Maribor   0:0 * 20:30 Uhr * 1. Liga * Stadion Stozice, Ljubljana * 7 000 Zuschauer * Eintritt: 15 EUR * Anreise: mit der Bahn von Bratislava-Petrzalka über Wien nach Ljubljana 78,20 EUR * Übernachtung: Hostel Alibi, Ljubljana zu 30 EUR/Nacht EZoF *

Alpenquerung bei Sonnenschein. In Graz stiegen drei „typische Jugos“ ein: „Milosevic“ (ein Opa im grauen Anzug und Sonnenbrille), ein Mitzwanziger mit Islamistenbart und „der Zuhälter“ mit schwarzer adidas-Kappe, grauer Nadelstreifenhose und einer locker ums Handgelenk hängender golden schimmernden Armbanduhr. Alle drei schwiegen beständig, ehe Opa und Bärtiger etwas murmelnd in Maribor ausstiegen.

Slowenien entpuppte sich entlang der Bahnstrecke landschaftlich sehr idyllisch. Bergbauern mit ihren Babuschkas saßen vor ihren Hütten, Heuschober warteten auf die Ernte… eben ganz die Welt von Hansi Hinterseer und den Original Oberkrainern. Das wollte so gar nicht zu der Vermutung meines Kollegen Andrej passen, dass es bei Olimpija – Maribor regelmäßig zu Ausschreitungen kommen würde.



Um 14:06 Uhr erreichte ich Ljubljana. Latschte direkt in die Altstadt zu meinem Hostel “Alibi“… und wollte glatt zunächst im falschen einchecken. Wie kann es in einer überschaubaren Stadt gleich zwei Unterkünfte mit dem selben albernen Namen geben? Und dieser Kontrast zur „Penzion Berg“: Shared facilities, wie in einer JH mußte ich mein Bett selber beziehen (für ein Doppelbett bekam ich einen Satz Bettwäsche) und… es gab tatsächlich keine Handtücher. "Wie bitte, Sie haben keine Handtücher?" Die blöde Kuh am Schalter guckte mich an, als würde ich nach etwas extraordinärem fragen, was vor mir noch keiner haben wollte. Na ja, Not macht bekanntlich erfinderisch.



Als ich das „Alibi“ verließ, waren es noch vier Stunden bis zum Anpfiff. So entschied ich mich, zum neuen Stadion Stozice quer durch die ganze Stadt zu Fuß zu laufen: Dabei nahm ich den Weg am stillgelegten Stadion Bezigrad (Centralnij Stadion) vorbei. Hier wird seit 2008 nicht mehr gekickt, das letzte Länder- spiel war 2004 gegen Serbien-Montenegro. Kurioserweise wurde im Straßenverkehr Ljubljanas nur diese Ruine ausgeschildert; auf die beiden anderen intakten grounds fehlte jeglicher Hinweis. Der Center Stozice war noch eine riesige Baustelle, nur der Sportkomplex (Halle, die wie ein wabbliger BigMac anmutete, und Stadion) waren fertig. Eine Vielzahl von Shoppingmöglichkeiten sollen noch folgen.





An einem Container stand zweieinhalb Stunden vor Anpfiff ein Rudel junger Burschen mit Bierflaschen herum. Die Aushänge am Container konnte ich nicht lesen, aber eine Flagge von ev___m, dem Ticketservice deutete mir an, dass ich hier mein online bestelltes Ticket würde abholen können. Tatsächlich bekam ich dort einen Umschlag mit Karte ausgehändigt - und noch den Hinweis mit auf den Weg, auf Karte und Abriss unbedingt handschriftlich Namen und Vornamen einzutragen. Um das Stadion herum war ein passables Polizeiaufgebot präsent, sogar die Pferde hatte man aus dem Stall geholt. Nur keine Fans in Sicht.



Das Stadion ist wirklich erste Sahne. Ich würde es sogar als mein neues, uneingeschränktes Lieblingsstadion bezeichnen. Von der einen Seite ist das Dach auf einer Höhe mit dem Erdboden (d.h. man steigt die Treppen wie in einen Maulwurfshügel hinunter). Zur anderen Seite hin fällt das Gelände ab, so dass man hier direkt in die Arena schauen kann. Auffällig die markante Dachkonstruktion mit weiß gestrichenen Eisenträgern.



Einlaß war erst um 19:30 Uhr und man ließ mich nicht rein, ehe ich nicht auch noch meine Pass-Nummer auf Ticket und Abriss geschrieben hatte. Kein Kommentar! Der Fanshop glänzte nicht gerade mit üppiger Auswahl: Es gab gerade mal zwei Artikel: Schal und mittelgroße Fahne. Ich nahm mit einem kostenlos verteilten Papierfähnchen vorlieb. Erstmals fand das große Derby im neuen Stadion statt.  

Um zehn nach acht waren vielleicht 500 Leute im Ground, doch dann kam noch ein großer Schwung auf den letzten Drücker. Mein Sitzplatz war in der erste Reihe ganz unten, fast auf Höhe der Mittellinie. In dem Moment, wo ich mich setzten wollte, fiel – Analogie zum Vorabend – hinter mir ein angetrunkener älterer Herr quer über die Sitzreihen. Ein Ordner und ich halfen ihm auf die Beine, wobei ich seine Füße erst einmal zwischen den Sitzreihen herausziehen musste. Sichtlich angeschlagen torkelte der Mann nach oben und ward nicht mehr gesehen.

Im Olimpija-Block hing ein großes Banner "Ein Leben - eine Liebe", hinter dem sich alle Dragons versammelten. Alles ruhig, es schien ein ganz normales Spiel zu werden. Wurde es aber doch nicht. Was sich in den nächsten knapp zwei Stunden im Stozice abspielte, übertraf alles, was ich an Gewalt im Stadion bisher erlebt habe. Hinter dem Olimpija-Block gab es draußen einen lauten Knall und wie die Ameisen rannten sofort fast alle raus. Maribor war angekommen! Hubschraubereinsatz! Ja, es gab ihn wirklich: ein Heli kreiste über dem ground.


Mit Beginn des Spiels begannen die Ultras auf beiden Seiten mit lautstarkem Support. Im Stadion gab es keine Zäune. Lediglich die Fanblocks waren mit hüfthohen Straßenabsperrgittern eher symbolisch als wirkungsvoll umgeben. Während der ersten Hälfte gab es unablässig Krawalle auf beiden Seiten. Die Sperrgitter flogen durch die Gegend, es wurde sich mit Security und Polizisten geprügelt, Leuchtraketen und Rauchbomben wurden auf den Rasen und in die Ränge geschossen. Auch hinter mir auf der Gegengeraden gab es Tumulte, Cops mussten einschreiten.



Einige Olimpija-Hools stürmten den Platz, waren aber mehr auf Provokation denn auf wirkliche Schlägereien aus. Die Dragons präparierten ihre grün-weißen Fahnen und zündeten grüne Rauchbomben in ihrem Block und zauberten so eine beeindruckende Choreo. Wie auf den Rängen, so schenkten sich auch die Spieler auf dem Rasen nichts. Es ging um viel Prestige in diesem großen Derby.



In der Halbzeitpause wechselten die Ljubljaner ihr Banner mit einer mit „green-dragons“-Fahne aus. Nun blieben zwar weitere Gewaltexzesse aus, aber die Atmosphäre war nach wie vor sehr aufgeheizt. Wenn eine Mannschaft den Ball ins Aus spielt, damit ein Gegenspieler wegen einer Verletzung behandelt werden kann, ist es allgemein üblich, dass diese Mannschaft den Ball zurück bekommt. Nicht so hier! Maribor war so dreist, den Vorteil zu einem vielver-sprechenden Angriff zu nutzen. Es folgte ein wüstes Gerangel zwischen den Akteuren, das fast zu einer Schlägerei ausartete. So eine Unfairness gibt es selten, Frechheit! In den Schlussminuten drückte Olimpija noch mal mit aller Macht auf den Siegtreffer, doch es blieb beim 0:0.



Beide Teams liefen anschließend in ihre Kurven und bedankten sich bei den Fans. Bei Maribor fand ich das etwas makaber, hatte die Meute doch in der ersten Hälfte einen Ordner krankenhausreif geprügelt. Ob sich die Spieler auch dafür bedankt haben? Fazit: Denkwürdiges Spiel, werde ich so schnell nicht vergessen. Erstmals seit über 20 Jahren wieder üble Krawalle im Stadion erlebt. Ich schnappte mir ein Taxi und ließ mich zum Bahnhof bringen. Der Fahrer meinte, im letzten Jahr hätte Maribor auf der Rückfahrt den Zug auseinander genommen. Die Szenen in Stozice fanden am nächsten Montag in der Presse ein breites Echo.



     

3. Tag

13.3.11   Interblock Ljubljana - NK Garmin Sencur   2:2 * 15 Uhr * 2. Liga * Stadion ZSD (ZAK), Ljubljana * 200 Zuschauer * Eintritt: 5 EUR * Abreise: mit dem Zug nach Zagreb Gl. kol. 13,40 EUR, Zagreb -> Köln/Bonn mit Germanwings 29,99 EUR *

Ich kreuzte schon früh am Stadion auf. Tickets gab es noch keine und so ging ich etwas auf dem Gelände  spazieren und schaute bei einem Jugendkick von NK BRAVO Ljubljana auf Kunstrasen zu. Ne Viertelstunde vor Anpfiff standen zwei Damen vor dem Ground und verkauften mir eine Eintrittskarte. Ich war so ziemlich der Erste. Frühes Erscheinen ist wohl nicht der Slowenen Ding. Interblock, lt. wikipedia einem Geschäftsmann gehörend und somit angeblich reichster Klub des Landes, empfing als Tabellenführer den Vorletzten der Zehnerliga aus der Nachbarschaft.



Was auf dem Papier eine klare Angelegenheit sein sollte, stellte sich auf dem Platz ganz anders dar. Zwar ging Interblock durch ein Freistoßtor in Führung (in Folge dessen eine Mami in kreischende Jubelstürme verfiel). Die übrigen 80 Minuten aber war NK Garmin überlegen und dominierte Interblock klar. War am Grübeln, ob die Teams nicht in der Kabine irrtümlich die falschen Trikot übergezogen hatten?! Ein friedlicher Nachmittag, aber etwas langweilig. Nachher lief ich nochmals am Bezigrad-Stadion vorbei, um ein paar Fotos zu machen und begab mich anschließend auf den Weg zum Hostel.


4. Tag

Montag, um kurz vor Sieben klingelte mich meine Handy-Weckfunktion raus... Hatte Geburtstag, den 41.! Aber statt Ausschlafen und Frühstück ans Bett gabs für mich heute zunächst einen Fußmarsch durch strömenden Regen zum Bahnhof von Ljubljana. Wie sag ich mir immer: "Groundhopping ist kein Vergnügen, es ist eine Leidenschaft [die eben manchmal Leiden schafft] ". Nach knapp zwei Stunden Zugfahrt erreichte ich die EU-Außengrenze und es gab erstmals Passkontrollen. In Zagreb Frühlingswetter vom Feinsten.





Ich machte mich mit dem Fahrplan der Tram vertraut, besorgte mir vier Fahrkarten und zuckelte erstmal in die Innenstadt. Zagreb wirkte auf mich ziemlich abstoßend, einfach scheußlich. War nur froh, hier nicht schon am Vortag angereist zu sein. Ich fuhr weiter zum Stadion Kranjčevićevoj von NK Zagreb. Hier hat es noch eine richtige Radrennbahn im Ground.



Letzte Station und letztes Stadion meiner Fünf-Länder-Tour war das Maksimir von Dinamo Zagreb. Ziemlicher Klotz, teilweise "modern" mit viel Stahl und Glas ausstaffiert, aber unvollendet. Der im Stadion integrierte Shopping-Center leer und dem Verfall preisgegeben. Ob hier jemals Geschäfte drin waren oder alle schon schließen mußten, kann ich nicht  sagen.



Am Ground gibt es einen Gedenkstein, der an die Ereignisse im Maksimir am 13. Mai 1990 erinnern, als es vor dem (letztendlich nicht ausgetragenen) Spiel Dinamo Zagreb - Roter Stern Belgrad zu massiven Ausschreitungen kam, der von einigen gar als Beginn des Jugoslawien-Krieges betrachtet wird: Hier nähere Details: 







3.12.11   Ethnikos Assias Nicosia - EN Parekklisias   1:1   * 14:00 Uhr * 2. Liga * Stadion Makariou, Nicosia * 70 Zuschauer * Eintritt: für mich gratis * Anreise: Düsseldorf/Weeze -> Larnaca mit Ryanair hin und zurück zu 84,98 EUR * 2x Übernachtung im Hotel Averof, Nicosia, EZoF 40 EUR / Nacht *

1. Tag

Nach vierstündigem Flug erreichte ich am Freitag Abend Larnaca. Ich musste noch etwas warten, bis der Airport-Shuttle nach Nicosia losfuhr. Die Fahrt in die zypriotische Hauptstadt dauerte eine knappe Stunde, kostete 7 EUR und führte über fast autofreie riesige Autobahnen vorbei am flutlichterleuchteten GSP-Stadion (es spielte gerade APOEL - Anagennisi FC Deryneia 2:0) bis zu einem Parkplatz, der noch reichlich weit weg von der historischen Altstadt lag. Unterwegs konnte man in der Ferne die weithin leuchtenden Flaggen der Türkei und Nordzyperns sehen, die aus zahlreichen Lichtern bestehend auf einem Bergrücken arrangiert waren. Obwohl mir die sogenannte Zypern-Frage eigentlich wurscht ist, machte das auf mich einen ziemlich provozierenden Eindruck.


Vom Parkplatz aus ging es mit dem Taxi weiter. Als ich einsteigen wollte, meine der Fahrer „No, I drive!“. Ach ja, Zypern hat Linksverkehr. „Sorry!“ murmelte ich und wechselte auf die andere Seite des Taxis. Die Neustadt Nicosias ist voll von modernsten Geschäften und Restaurants. Die Straßen wurden dominiert von weihnachtlicher Deko: Nikoläuse, Schlitten, Rentiere, Eiszapfen, stilisierte Schneeflocken und riesige, prachtvolle Weihnachtsbäume allen Ortens. Und natürlich alles bunt und strahlend erleuchtet. Ziemlich dekadent, wie ich angesichts der Tatsache finde, dass erst vor Monaten auf der Insel u.a. ein Kraft- werk in die Luft geflogen ist und es daher zeitweise täglich zwei Stunden keinen Strom gab. Als ich aus dem Taxi stieg, erreichte mich eine SMS meiner Frau mit dem Ergebnis der EURO 2012-Gruppenauslosung. Ich hab nun also Karten für Polen – Griechenland (na ja), Deutschland – Portugal (geil !!!) und Irland – Kroatien (auch nicht schlecht)!




Ich lief zwecks erster Orientierung etwas in der Altstadt herum. Schon ziemlich bald stand ich an einer Zoll-Bude. Ohne es zu bemerken, war ich die berühmte Ledra-Straße entlang gegangen und stand am Übergang in den Nordteil der Stadt. Dahinter sah es ziemlich duster aus. Von dort aus machte ich mich auf den Weg zum Hotel, das ein wenig außerhalb der Innenstadt lag.





2. Tag


 










Am nächsten Morgen machte ich zunächst einen Abstecher in den seit 1974 von den Türken besetzen Norden. Zwischen dem griechisch-zypriotischen und dem türkisch-zypriotischen Grenzposten befinden sich einige Meter Niemandsland, die „green line“. Die hier liegenden Gebäude sind stark beschädigt und heruntergekommen. Ein paar Typen der linken Szene haben sich hier mit Zelten eingenistet.





Die Türken stellten mir ein Visum aus und ich war drin in einem Land, dass es gar nicht gibt. Ich lief quer durch Türkisch-Nicosia nach Norden. Der Unter-schied zum Süden ist nicht so eklatant, wie ich mir das vorgestellt hätte und doch erinnerte mich das alles ein wenig an das frühere geteilte Berlin. Ich kam an einer großen Statue von Atatürk vorbei. Im Abstand von etwa 20 m standen ihm sechs Personen gegenüber, die – ebenso regungslos wie er selber - ihn anstarrten. Plötzlich salutierte die Gruppe, regte sich wieder, sprang in einen Transporter und brauste davon - die Zeremonie war zu Ende.





Samanbahce Area (Social Housing von 1894)


Ich ging weiter, vorbei an weißgestrichenen Betonbauten zu meinem eigentlichen Ziel, dem Şehit Hüseyin Ruso Stadi. Der Ground besteht nur aus einem Rasenplatz und einer Laufbahn. Kurioserweise befindet sich direkt dazwischen eine hoher Zirkuszaun. Als wolle man vermeiden, dass der kostbare, durch EU-Maßnahmen mit Wasser versorgte Rasen je von einer Menschenseele betreten werde.






Zurück im Süden, gönnte ich mir erstmal einen genaueren Blick auf den Spielplan der EURO 2012 und schlürfte dabei zwei Frappé, ehe ich mich am Solomos Square einfand, um einen Bus zum Stadio Makariou zu nehmen. Das es für nur 2 EUR eine Bus-Tageskarte gibt, gilt es löblich zu erwähnen.




Am einzigen Eingang zum Ground saß ein uniformierter Mann, der, gerade als ich an ihm vorbei kam, von seinem Handy abgelenkt wurde. So war ich drin, ohne was zahlen zu müssen. Glücklicherweise fielen mir später doch noch ein paar der obligatorischen Eintrittskarten in die Hand.



Das relativ große Stadion ist alt und in keinem guten Zustand. Als Highlight ist das gut bestückte Kiosk direkt hinter der VIP-Tribüne zu nennen. Kurz vor Anpfiff kollabierte ein paar Meter neben mir ein älterer Zuschauer. Einige probierten sich in Herz-Rhythmus-Massagen, andere gestikulierten herum, es sei doch nicht so schlimm. Schließlich wurde er von der Ambulanz abgeholt. Ich hoffe, der Mann hat es überlebt!

Die Sympathien unter den wenigen Zuschauern waren ausgeglichen verteilt. Das Geplänkel zweier Teams im tiefen Mittelfeld der zweiten Liga Zypern war wenigstens nicht langweilig. Länderpunkt gefallen!

3.12.11   Olympiakos Nicosia - Anorthosis Famagusta Larnaca   1:2 * 18:00 Uhr * 1. Liga * Neues GSP Stadion, Nicosia * 700 Zuschauer * Eintritt: 18 EUR *

Zügig nach dem Abpfiff latschte ich zur Bushaltestelle und brauchte auch nicht lange warten. Am Solomos Square wieder umgestiegen, war ich frühzeitig am GSP Stadion. Der Ground liegt am äußeren Stadtrand von Nicosia. Ich besorgte mir eine Tribünenkarte und lungerte noch etwas in der Stadiongaststätte herum. Im letzten „11 freunde“-Magazin, Rubrik Auswärtsspiele,  berichtete jemand von „Koupes“ genannten, schmackhaften Weizenpasteten. Die gab es hier und ich ging das Risiko des Verzehrs ein. Zwar kalt, das Hackfleisch, aber trotzdem seltsam lecker.



Im Stadion wunderte ich mich darüber, dass es keine Ultras der gastgebenden Olympiakaras gab. Nur einer der beiden Hinter-Tor-Blöcke war geöffnet und in dem supporteten die „Blauen“ von Anorthosis unermüdlich. Berichtenswert von dem Kick ist fast nur, dass von den 22 Spielern lediglich drei Zyprioten waren (bei Olympiakos spielte gar kein Einheimischer) und nur die letzten zehn Minuten richtig spannend waren. Dann nämlich verkürzte Olympiakos auf 1:2 und in der Folge wurde das bunte Nationalitätengemisch auf dem Platz etwas nervös. Erst flog ein Tscheche wegen üblen Nachtretens auf der einen, dann ein Portugiese auf der anderen Seite vom Platz. Der Sieg für die Exilanten aus Famagusta ging letztendlich in Ordnung.



Hätte ich schon vorher in meinen Reiseplänen nachgeschaut, hätte ich merken müssen, dass der letzte Bus vom Stadion in die Innenstadt schon vor zwei Stunden gefahren war. Jetzt stand ich am düsteren Stadtrand von Nicosia inmitten eines Gewerbegebietes und hatte den Hut an. Ich hielt Ausschau nach einem Taxi, aber natürlich fuhren in solchen Gegenden keine. So lief ich mindestens eine Stunde entlang einer Fernstraße, bis ich endlich an eine Tanke kam. Der Tankwart war so freundlich, mir ein Taxi zu rufen, was dann tatsächlich auch kam. Der Fahrer fragte mich, woher ich denn komme. „Germany!“ „Oh Germany“, meinte er, „Angela Merkel… Good economy…“. Wie gut es um Deutschlands Wirtschaftskraft steht, ließ ich ihn an meinem Trinkgeld spüren, als er mich vor dem Hotel absetzte.


3. Tag    

4.12.11   Nea Salamis Larnaca - Alki Larnaca   0:1 * 17:00 Uhr * 1. Liga * Ammochostos, Larnaca * 1 300 Zuschauer * Eintritt: 18 EUR * Übernachtung im EasyHotel, Larnaca, EZoF 19 EUR *

Am nächsten Morgen steuerte ich nach dem Aus-Checken direkt wieder den Busbahnhof am Solomos Square an. Ich staunte nicht schlecht über wahre Scharen an philippinischen Hausmädchen, die ihren freien Tag hatten und meist gut gestylt und fröhlich schwatzend umher liefen. Viele versammelten sich im Park an der alten Stadtmauer, breiteten Picknickdecken aus, veranstalteten einen kleinen Markt oder chillten einfach nur.

Zur frühen Mittagszeit spuckte mich der Intercity-Bus am Strand von Larnaca aus.



Innerstädtische Busse fahren auf Zypern sonntags wohl fast nie oder gar nicht. Um also die Grounds der Stadt in Augenschein zu nehmen, musste ich mal wieder Taxi fahren. Zunächst ließ ich mich zum Stadio GSP bringen, wo AEK Larnaca üblicherweise seine Heimspiele austrägt. Ich konnte problemlos reinspazieren und Fotos machen, während AEK auf dem Nebenplatz trainierte.




Danach funkte ich den Taxi-Onkel wieder an und ließ mich zum Papadopoulos-Ground von Anorthosis bringen. Abermals waren 8 EUR fällig…*Malaka*!. Hier konnte ich nicht rein und ich musste mich mit einer Runde außen herum begnügen. Bemerkenswert die an einem der Eckpunkte des Stadions stehende kleine Kirche. In Sichtweite in Richtung Innenstadt liegt das Ammochostos, wo am Abend Nea Salamis die Truppe von Alki(s) empfangen würde.





Ich war im easyHotel abgestiegen. Diese Unterkunft kann wirklich gelobt werden. Klasse Zimmer: Modern, sauber, geräumig und das für nur 19 EUR die Nacht. Die Zeit bis zum Spiel verbrachte ich damit,  Ronald Reng´s Hörbuch „Ein allzu kurzes Leben“ über Robert Enke zu lauschen. Nur bedingt dazu geeignet, um einen in gute Laune zu versetzen.



Der Kick im Ammochostos war nicht viel anders als der am Vorabend in Nicosia. Wieder Flutlicht, gleicher Eintrittspreis und Multikulti auf dem Rasen: Beim Anpfiff war gar nur ein Zypriot auf dem Platz. Die anderen hatten ihren Weg aus der Slowakei, den Kapverdischen Inseln, Liberia, Spanien, Uruguay, Griechenland, England, Ghana, Portugal, Polen, Argentinien, Mazedonien, Belgien, Angola und Bulgarien nach Zypern gefunden. Nicht zu vergessen ein nicht eingewechselter Este.



Weitere Parallelen: Mäßiges Spielniveau, zwei (Gelb-)Rote Karten (je eine auf beiden Seiten), spannende zehn Schlußminuten und als Resultat ein Auswärts- sieg, der erst in der 89. Minute zu Stande kam. Mit welcher Sorte von Getränken die Alkis diesen Sieg gefeiert haben, kann ich nur mutmaßen. Wenigstens einen Unterschied zum gestrigen Match gab es doch noch: Das Heimteam hatte ein paar lautstarke Fans dabei. Alles ziemlich unspektakulär.








4. Tag

Montags ging mein Flieger gegen Mittag wieder ab Larnaca. Ich hatte genug Zeit, zu Fuß zum Flughafen zu laufen. Ja, zu laufen! Ist jemand von Euch schon mal zum Flughafen gelaufen? Also. Ich aber! Schön an einem Salzsee entlang, in deren Mitte Hunderte von Flamingos wateten. Deren Exkremente waren bis zum Ufer zu vernehmen. Nun ja.

Fazit: Länderpunkt gemacht, geruhsame Reise ohne sonderliche Höhepunkte. Das wird sich ja in Zukunft hoffentlich ändern: Es steht ja noch der komplette Kaukasus, Kasachstan usw. aus.