27.6.21 (10. Tag)
Zwischenzeitlich hatte sich Dirk alias Teamchef bei mir gemeldet. Er war auch scharf auf Dinamo Batumi, während seine beiden Genossen lieber in Kutaissi bleiben wollten. So machte er sich früh morgens mit dem Minibus alleine auf den Weg ans Schwarze Meer. Mein Hotel war irgendwie schon ausgebucht, so daß er sich woanders für die Nacht nach dem Spiel einquartieren mußte. Für ihn wurde es das Orbi Residence, nur 750 m von meiner Bleibe entfernt und somit auch ziemlich in Stadionnähe.
Wir trafen uns um die Mittagszeit in Dirks Hotel. Weil sein Zimmer noch nicht bezugsfertig war, hatte er der Hoteldirektion ein kostenfreies Frühstück abgerungen, von dem ich mir einen Kaffee abzweigen konnte. Wir waren uns darin einig, bis zum Spiel am Abend von der Stadt was sehen zu wollen. Zunächst ging es mit einer Seilbahn auf einen Berg. Bei Tageslicht und bewölktem Himmel büßt Batumi einiges von seiner Attraktivität ein. Batumi ist für die Nacht gemacht! Übrigens: Der Strand mit seinen fiesen Steinen taugt für einen Familienurlaub auch nur bedingt.
BATUMI, Georgien, 26. Juni (Reuters) - Der britische Zerstörer "Defender", der Russland mit seiner Fahrt durch die Gewässer vor der Krim verärgert hatte, hat am Samstag im georgischen Schwarzmeerhafen Batumi angelegt.
Russland gab an, Warnschüsse auf die Defender abgegeben zu haben, und drohte später, britische Marineschiffe im Schwarzen Meer zu bombardieren, falls es vor der Krim, die Russland 2014 von der Ukraine annektiert hat, zu weiteren "provokativen" Aktionen komme. Die Halbinsel wird international immer noch als Teil der Ukraine anerkannt.
Der Kommandant der Defender, Vince Owen, sagte, die britische Marine sei verpflichtet, "für Sicherheit in der Region zu sorgen und diejenigen abzuschrecken, die versuchen, die globale Sicherheit zu untergraben".
27.6.21 * Dinamo Batumi – FC Shukura Kobuleti 2:2 * 20:00 Uhr * Erovnuli Liga (1. Liga) * Batumi Stadium, Batumi * Zuschauer: 10 000 * Eintritt: 25 GEL
Die Eintrittskarte: Ich hätte es im Falle Dinamo Batumi nicht verkraftet, am Spieltag vor dem Stadion ohne Ticket zu stehen, um dann evt. nicht reinzukommen. So hatte ich schon frühzeitig den Verein angeschrieben und um Hilfe gebeten. Die Kartenstelle versprach mir sogar den Eintritt gratis, ich solle mich aber an den Pressesprecher wenden. Das tat ich dann auch, ohne aber je eine Antwort zu erhalten.
Vor langem hatte ich mal gesehen, daß auf tkt.ge Karten für Heimspiele von Dinamo Batumi zu kaufen waren. Da tat sich aber nix. Dann stellte ich ein paar Tage vorher fest, daß Dinamo aktuell seinen Vorverkauf über biletebi.ge abwickelte. Als dann endlich Karten verfügbar waren, loggte ich mich sofort ein und landete in einer Schlange von ca. 900 anderen Usern. Letztendlich hat es geklappt und ich hatte für 25 GEL (ca. 6,79 EUR) mein Ticket im teuersten Sitzplatzbereich. Weil ich meinem Handy und seiner Akkukapazität noch immer nicht ganz vertraue, ließ ich mir das e-Ticket vorsichtshalber von der Besitzerin meines Appartments in Kutaissi ausdrucken.
Für den Teamchef war nicht einzusehen, in Georgien auch nur einen Lari für Eintritt auszugeben. So wies er mich an, einfach mal hier stehen zu bleiben, um dann in der Pressestelle zu verschwinden. Einen kurzen Augenblick später kam er dann mit zwei "Media"-Umhängern und dem Pressesprecher von Dinamo im Schlepptau wieder heraus. Ich habe zu dem Thema Groundhopping & Presseausweis meine eigene Meinung. Aber ich gebe zu, es war eine nette Abwechslung, auch mal selbst mit den Spielern vor dem Anpfiff über den künstlichen Rasen zu wandeln und sich anschließend auf der Pressetribüne herumzulümmeln.
Dinamo bietet seinen Pressegästen leider keine Getränke an, so daß Dirk und ich nach einer ersten Inspektion des Medienbereiches gezwungen waren, den Ground nochmal zu verlassen, um uns mit Wasser/Cola/Bier zu versorgen. Dabei umrundeten wir einmal die Batumi Arena und schnupperten ein wenig Auswärtsspiel-Atmosphäre. Wegen Corona sollen angeblich nur etwa ein Drittel der sonst üblichen 20 000 Tickets in den Verkauf gegangen sein. Der Teamchef ("Im Schätzen von Zuschauerzahlen macht mir keiner was vor!") war sich aber später ziemlich sicher, daß 10 000 Leute im Stadion waren. Dirk klärte mich auch darüber auf, daß Dinamo die stärkste fan base im Kaukasus habe, was mir sehr glaubhaft schien. Selbst Dinamo Tblissi kann nicht einmal 5 - 10% der Zuschauerzahlen von Dinamo Batumi mobilisieren.
Auf dem Papier war Dinamo Batumi gegen Shukura Kobuleti eine klare Sache: Favorit gegen Außenseiter. Auf dem Rasen sah das an diesem Abend anders aus. Dinamo mußte lange einem frühen Rückstand hinterherlaufen, Shukura verteidigte die überraschende Führung mit allen Mitteln. Die paar Gästefans aus dem nahen Kobuleti wären kaum aufgefallen, hätten sie nicht 2x Anlaß zum Torjubel gehabt und hätten sie nicht etwas Pyro im eigenen Block gezündet.
Was soll ich sagen? Ein toller Abend, der sich so ganz von dem abhob, was man stadiontechnisch in Rest-Georgien zu sehen bekommt. Wobei ich beides mag: Sympathische moderne Stadien und abgewrackte Old School Grounds.
Dirk bestand anschließend darauf, mit in mein Hotelzimmer zu kommen, um den tollen Panorama-Ausblick abzulichten. Vorher fanden wir noch eine geeignete Stelle in einem Hotelflur, um einen genialen Blick auf das noch beleuchtete Batumi Stadion zu erhaschen.
28.6.21 (11. Tag)
Privattransfer in einem Toyota Camry (gotrip.de): Batumi - Ozurgeti zu 124 GEL (ca. 33,70 EUR) EUR * Zugfahrt: Ozurgeti - Lantschchuti zu 8 GEL (ca. 2,15 EUR) * Taxifahrt Lantschchuti - Samtredia zu 30 GEL (ca. 8,15 EUR) * bei deutschen Groundhoppern mitgefahren: Samtredia - Abasha - Kutaissi zu 5 EUR
Am nächsten Morgen um 6:45 Uhr wurde ich von Giorgi am Hotel abgeholt, um nach Ozurgeti gefahren zu werden. Ozurgeti hat die einzige Besonderheit, daß hier eine Bahnlinie beginnt - und ich wollte ja möglichst viele Bahnstrecken in Georgien abrailen. Direkt von Batumi ging in diesen Tagen gar nichts. Doch bevor mich Giorgi am Bahnhof abliefern durfte, mußte er mit mir zum örtlichen Stadioni Megobroba. Einige Senioren nutzten die Laufbahn zum Frühsport. Mir reichte es schon, eine Serie Fotos zu machen. Toller Ground!
Da ich den Streckenverlauf vorher nicht kannte, überraschte mich die nun folgende Zugfahrt vollends. Es wurde ein ziemlich ungewöhnlicher Schienen-Trip! Von Ozurgeti wollte ich ursprünglich zurück nach Rioni / Kutaissi (mittlerweile wurde Samtredia angepeilt). Doch statt nach Osten fuhr der Zug, ich konnte es auf meinem Handy stets verfolgen, ständig nach Westen. Und das in einer atemberaubender Geschwindigkeit: Für die 19 Kilometer nach Natanebi brauchte der Zug genau 60 Minuten. Unfassbar! Rekord! Nun war ich wieder am Schwarzen Meer und näher an Batumi als vorher. Ab Natanebi nahm der Zug nach einem längeren Aufenthalt dann endlich "Fahrt" auf und railte genau in die Gegenrichtung, nämlich ostwärts. Nach insgesamt 2 Stunden und 4 Minuten Fahrzeit kam man in Lantschchuti an. Diese Teilstrecke ist insgesamt 60 km lang und beschreibt einen ausschweifenden Bogen, wobei die Ausgangspunkte Ozurgeti und Lantschchuti nur 28 km Luftlinie auseinanderliegen. 28 km in 2 Stunden und 4 Minuten, das hätte ich auf dem Fahrrad schneller geschafft.
Warum Lantschchuti, wenn ich eigentlich nach Samtredia wollte? Ganz spontaner Impuls: Mir gefiel der Bahnhof so gut und ein Stadion sollte es auch in der Nähe geben :-). Der Schaffner reagierte hektisch "No, not Rioni here!", aber ich hüpfte einfach mal raus. Meine Vorliebe für sowjetische Bahnhöfe konnte das Bahnhofspersonal in Lantschchuti nicht akzeptieren. Mit meiner Spiegelreflex in der Hand zog ich gleich drei aufgeregte Männer an, die sehr ausdrücklich darauf bestanden, daß ich alle Fotos vom Bahnhof löschte. Nicht einmal eine Nahaufnahme der Stationsbeschilderung ging durch. Na ja, dafür ich konnte auf meinem Handy etwas retten...
Und auch das Stadioni Evgrapi Shevardnadze war den Zwischenstopp wert gewesen.
Der Taxifahrer im Stadtzentrum von Lantschchuti schlug mir einen akzeptablen Preis vor und so nahm ich seine Dienste in Anspruch und ließ mich von ihm nach Samtredia kutschieren. Hier war man mit dem Teamchef, Boris und Moritz verabredet, die in Abasha nachmittags kurzfristig ein Spiel ausgemacht hatten.
Frühzeitig in Samtredia angekommen, reichte mir die Zeit dazu, um das Stadioni Erosi Manjgaladze zu spotten. Am sehenswerten Bahnhof von Samtredia schaute ich einem streunenden Hund dabei zu, wie er einem Passanten ins Bein biss und unterhielt mich mit einem anderen Taxifahrer mittels einer Sprachen-Übersetzungs-App. So erfuhr ich von ihm, das er alte Münzen sammle (zum Beweis zeigte er mir ein fast 100 Jahre altes Kopeken-Stück) und das es auf der Welt gute, aber auch viele schlechte Menschen gäbe. Ich konnte ihm im Gegenzug davon berichten, daß ich auf drei Bekannte aus Deutschland warte und wir nach Abasha zu einem Fußballspiel wollten. Ein Hoch auf die moderne Technik!
Etwa 90 Minuten vor Anpfiff kamen die vier deutschen Groundhopper in Abasha an und checkten zunächst den Ground des SC Zana. Danach gingen zwei von ihnen einen Kaffee trinken und die andere Hälfte unternahmen einen Stadtrundgang, wobei ich die ausgedehnteren wählte. So gelang es mir immerhin, eine Stunde lang einen strammen Fußmarsch hinzulegen und einen LOST GROUND zu spotten.
28.6.21 * SC Zana Abasha - FC Martve Kutaissi 1:2 * 18:00 Uhr * Regional League * Mevlud Mimioshvili Central Stadion, Abasha * Zuschauer: 120 * Eintritt: nix
So ziemlich pünktlich zum Anpfiff war ich zurück im Stadion. Böse Zungen behaupten, ich sei zu spät gewesen... vergesst es! Dirk, Moritz und Boris hatten sich irgendwo im Ground versteckt und verfolgten das Spiel. Ich konzentrierte mich mehr auf die Zuschauer, das Stadion und den Nebenplatz. Trotzdem war mir nicht entgangen, daß es auf dem Rasen ziemlich hektisch zu ging und ich glaube, kurz vor dem Abpfiff erzielten die Gäste den Siegtreffer.
Ich befand mich hinter dem Clubhaus, als es urplötzlich zu einer Rangelei kam, die sehr schnell zu einer Massenschlägerei ausartete. Beteiligt waren Spieler und Anhänger beider Mannschaften. Keine Ahnung, worum es dabei ging, aber die Emotionen schlugen hohe Wellen und die Jungs kräftig aufeinander ein. Besonders ein krakelender Zana-Fan tat sich damit hervor, immer wieder zu provozieren und die Schlägerei, bei der ca. 40 Mann (33% der Stadionbesucher - eine gute Quote) mitmachten, anzufachen. Der einzige Polizist vor Ort war natürlich total überfordert und so brach mindestens 2x eine neue Schlägerei aus. Einmal sprang einer vom Dach eines Autos in die sich prügelnde Menge.
Vielleicht nach 15, 20 Minuten beruhigte sich die Lage wieder. Als wir vier auf der Rückfahrt nach Kutaissi waren, bekamen wir mit, daß zwei, drei Autos mit Zana-Anhängern vor uns waren und die sich plötzlich am Straßenrand postierten. Mit ziemlicher Sicherheit warteten die auf ebenfalls heimfahrende Fans oder Spieler von Martve Kutaissi. Ob die dritte Halbzeit dann nochmal in Verlängerung ging, wissen wir nicht... Aber wie ich später in einem Forum las, gehören Schlägereien in Georgien z.B. auch zu jedem guten BBQ dazu und sind daher allgemeines Kulturgut.
Zurück in Kutaissi, gingen die anderen irgendwo zum Bierchentrinken und Fernsehgucken (ja, es war gerade EURO... gähn). Ich kann ja mit beidem wenig anfangen und drehte daheim im Appartment erstmal die Klimaanlage auf.
29.6.21 (12. Tag)
In den Tagen zuvor hatte ich ja vom Teamchef einige Hopperregeln dazugelernt: "Freundschaftsspiele zählen nicht", "Der Profihopper läßt kein Spiel aus" usw. Am meisten aber beeindruckte mich Dirks Dreistigkeit, den Verein Meshakhte Tkibuli wortreich anzuschreiben und die Vereinsführung darum zu bitten, ihr nächstes Heimspiel um einen Tag vorzuziehen, da "etwa 50 Leute aus Deutschland" darauf hofften, das Spiel besuchen zu können. Und das ginge eben nur, bei einer Spielverlegung... Man hat Dirks Wunsch nicht entsprochen, aber den Versuch war es wert.
29.6.21 * Samgurali Tskaltubo – Saburtalo Tbilissi x:x * 18:00 Uhr * Erovnuli Liga (1. Liga) * Stadioni 26 Meisi, Tskaltubo * Zuschauer: xx * Eintritt: xx
Einer von den Jungs hatte erfahren, daß das von uns allen eingeplante Spiel von Samgurali Tskaltubo aus irgendwelchen Gründen ohne Zuschauer würde ausgetragen werden. So trennte sich heute wieder die Spreu vom Weizen: Die Herren Profihopper mußten schon um 7 Uhr morgens los in Richtung Osten, um irgendwo einen sinnlosen Kunstrasen plus Zestafoni zu kreuzen. Der Gelegenheitshopper Höller hingegen blieb in der Stadt und schob einen Ruhetag ein. An dem konnte ich immerhin in der Nähe des Botanischen Gartens einen neuen Ground (Leselidze II Aly) entdecken und auf ein Spiel mußte ich auch nicht verzichten.
29.6.21 * Torpedo Kutaissi 2 - Samegrelo Chkorotsku 1:2 * 18 Uhr * 4. Liga Georgien * Torpedo Baze (Kunstrasenplatz), Kutaissi * Zuschauer: 50 * Eintritt: nix
Das match im Trainingszentrum von Torpedo war wie erwartet unspektakulär. Ich war ziemlich träge und hatte Mühe, eine geeignete Sitzgelegenheit zu finden. Letztendlich hab ich das Spiel größtenteils im liegend verfolgt. Selbst der zur Pause einsetzende leichte Sprühregen konnte mich nicht dazu anregen, meine Position zu verändern.
30.6.21 (13. Tag)
Zugfahrt Rioni - Senaki und zurück zu 24,70 GEL (ca. 6,71 EUR). * Privattransfer in einem Opel Safira , Rundfahrt durch und um Senaki herum für 42 EUR *
Weil heute kein Spiel anstand und ich den Tag keineswegs wieder in Kutaissi abhängen wollte, machte ich mich auf Socken, Schiene & Weg zu einem LOST PLACE in Senaki. Den hatte ich eine Woche vorher bei einem georgischen Urbexer auf FB gesehen und als klar war, daß man den im Rahmen einer Tagestour besuchen kann, wollte ich unbedingt hin. Ab Senaki heuerte ich wieder Mister X an, der mich ja schon Tage zuvor in der Nähe, in Khobi, abgeholt hatte. Das Resort Menji ist ein phantastischer Ort. Besonders der Haufen an leider beschädigten Badewannen ist einzigartig. Mit mir gleichzeitig war ein junges Pärchen gekommen. Aber die beiden gucken mir nur hinterher und machen selber keine Fotos. Klar, die warteten darauf, daß ich bald abzog, damit sich die Dame dann auszog. Tja, mußten die aber fast ne Stunde drauf warten. Vorfreude ist die schönste Freude.
Mister X und der Wagen standen ja nun mal zu meiner Verfügung und so klapperten wir noch das Tsentraluri Stadioni und einen schlecht einsehbaren LOST GROUND in Senaki ab. Gegen 17 Uhr fuhr der letzte Zug zurück nach Rioni.
Der Tip (und der Text) kam von Geo Stalk - Urbex And More!
Den Volkslegenden zufolge ist das Wort "Menji" ein megrelianisches Wort und steht für saures Wasser. In der Nähe der Stadt Senaki befindet sich ein Ort mit saurem Heilwasser, das "Menji" genannt wird. Aufgrund der heilenden Wirkung des Wassers gaben ihm die Menschen den Spitznamen "Friedhof für Krücken". In den 20er und 30er Jahren begann man, das heilende Potenzial des Ortes zu erkennen. Es ist bekannt, dass der lettische Wissenschaftler Robert Kupts das Heilwasser von Georgien erforschte. Im Jahr 1938 wurde "Menji" zum Nationalen Kurort erklärt und die Arbeiten zur Umwandlung in einen solchen begannen. 1938 wurde mit dem Bau einer angemessenen Infrastruktur begonnen, ein Sanatorium wurde errichtet, ein Krankenhaus und eine Kurklinik. Der Kurort sollte zu jeder Jahreszeit geöffnet sein. Heute steht der Kurort "Menji" leider verlassen und zerstört da. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde der Ort aufgegeben, in den 90er Jahren waren dort einige Militäreinheiten stationiert. Nach dem Abchasien-Krieg begannen Flüchtlinge in dem verlassenen Ferienort zu leben. Das Resort, das bis zu 2000 Besucher gleichzeitig aufnehmen konnte, steht heute zerstört und verlassen da, und das heilende Wasser fließt in einen Fluss namens "Tsivi".
1.7.21 (14. Tag)
Zugfahrt Rioni - Gori in der Business Class zu 41 GEL (ca. 11,14 EUR) * Privattransfer in einem Toyota Aqua (gotrip.ge): Gori - Kutaissi (ca. 155 km) zu 47 EUR
Am Vortag kam gegen Nachmittag von der Sakartwelos Rkinigsa, der Georgischen Bahn, per SMS die erfreuliche Botschaft, daß für den Zug Rioni - Gori doch noch Tickets in den online-Verkauf gehen. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet - mich aber auch gewundert, warum nicht schon vorher Fahrkarten buchbar gewesen waren. So blieb mir die Anreise zu meinem letzten Spiel dieser Tour in einem klapprigen Minibus erspart. Aus einer spontanen Eingebung heraus buchte ich mir einen Sitz in der Business Class. War fast 4x so teurer wie die 2. Klasse. In Georgien kosten übrigens die Fahrkarten für einen Zug immer gleich viel, egal wie weit man mit ihm fahren will.
So freute ich mich am nächsten Tag auf duftenden Kaffee, warme Croissants und das Handelsblatt - serviert in einem der neuen, hochmodernen Stadler-Doppelstockwagen. Vergeblich! Es rollten wie immer Waggons des alten, muffigen Fuhrparks ein. Der einzige Vorteil der Business Class war ein abgetrennter Bereich in einem Waggon mit Aircon. Auf der Fahrt veränderte sich die Vegetation von üppig in ziemlich karg und baumlos. Der Schaffner zog mich schon lange vor unserer Ankunft in Gori, die sich um 30 Minuten verspätete, aus der Business Class und setzte sich neben mich. Er wollte wohl sicher sein, daß ich Gori auf keinen Fall verpasse. Vielen Dank, Herr Aufseher!
In Gori angekommen, marschierte ich vom Bahnhof über eine Brücke, die über den Großen Liachwi führt, ins Stadtzentrum der Geburtsstadt von Stalin. Der Heini ist noch heute omnipräsent: Als Namensgeber einer Avenue, auf Plakaten oder als Hauptattraktion der Stadt, das Stalin-Museum.
Genau auf der Stalin Avenue gab plötzlich meine georgische SIM-Card ihren Geist auf. Worst case Szenario, ich war verloren! Wie sollte ich Alex, der mich am Abend nach dem Spiel zurück nach Kutaissi fahren sollte, meinen genauen Standort mitteilen können? Wir hatten doch noch keinen Treffpunkt vereinbart gehabt. Beim Herumfragen nach dem nächsten Magti-Shop geriet ich an Lewan, der vor einem Handy-Laden stand und eine rauchte. Ruck-Zuck nahm sich Lewan dem aufgeschmissenen Touri an und lud ihm seine SIM-Card an einem der zahllosen Automaten auf. Was für ein Goldjunge, alleine hätte ich das niemals geschafft. Bolschoi Spaßibo oder so ähnlich! Der Tag war gerettet.
Anschließend heuerte ich für 30 GEL (ca. 8,15 EUR) einen Taxifahrer an, der mich die 15 km nach Uplisziche fuhr, dort eine gute Stunde auf mich wartete, um mich dann wieder zurück nach Gori zu kutschieren. Uplisziche ist eine sehenswerte Höhlen- und Festungsstadt, die schon im 6. Jahrhundert vor Christus entstand und an der berühmten Seidenstraße lag. Zu Recht gehört Uplisziche zum Pflichtprogramm eines jeden Georgien-Reisenden. Ein junges Mädel, das als Guide ein Pärchen aus Indien über das Gelände führte, enttarnte mich als Deutschen und plapperte vergnügt mit mir in meiner Muttersprache. Hatte sie wohl irgendwo in Regensburg gelernt. Nach einer Runde über die heißen Felsen war ich froh, mir im Taxi einen Liter Mineralwasser reinkippen zu können.
Zurück in Gori, ließ mich der Taxifahrer am Stalin-Museum raus. Geballtes Kulturprogramm! Im Park stieß ich zuerst auf Stalins Privat-Waggon. Vor dem Museum dann endlich meine erste Stalin-Statue. Die vor dem Rathaus von Gori hat man erst 2010 vom Sockel gestoßen.
Für 15 GEL nahm ich an einer englischsprachigen Führung teil, ohne die man das Museum nicht besichtigen kann. In 45 Minuten wurde ich inmitten einer kleinen Gruppe durch die Räume und anschließend draußen in den Park und durch den Waggon geführt. Ich hab die Erklär-Dame kaum verstanden. Aber soviel hab ich kapiert, daß auch die negativen Dinge, die Stalin angerichtet hat, erwähnt wurden. Ich fand es sehr interessant, so viele autentischen Gegenstände aus dieser dunklen Zeit zu sehen. Klare Besuchs-Empfehlung von mir!
Einerseits finde ich es schade, daß es ein ähnliches Museum nicht über das Dritte Reich gibt, in der man originale "Nazi-Gegenstände" sehen kann, zumal vieles nach dem Krieg zerstört wurde. Ich würde gerne solche Dinge wie Fahnen, Uniformen usw. einmal näher betrachten können. Aber andererseits ist natürlich die Gefahr zu groß, daß Menschen diese Sachen aus ideologischen Gründen verehren. Dem Gesocks darf man keinerlei Möglichkeiten geben. Daher verzichten wir lieber auf ein Hitler-Museum.
Nachher umrundete ich einmal das Gori Fortress und kletterte so weit wie möglich hoch auf den Berg, um ein gutes Stadionfoto vom Tengiz Burjanadze zu machen. Der Erfolg war semi. Danach Abkühlung und Auftanken in einem Café an der Stalin Avenue (in Chatham, UK, gibt es eine Straße gleichen Namens), und kurzer Taxi-Ausflug an den nördlichen Stadtrand, wo mich ein netter kleiner Ground, das Kartlis Stadioni, mit seiner abgewrackten Anzeigetafel überraschte.
1.7.21 * Dila Gori – Locomotive Tbilissi 2:1 * 21 Uhr * Erovnuli Liga (1. Liga) * Stadioni Tengiz Burjanadze, Gori * Zuschauer: 4 000 * Eintritt: 1 Lari
Die Anstoßzeit für das Heimspiel von Gori war kurzfristig nach hinten verlegt worden, auf späte 21 Uhr. Das war möglich geworden, nachdem heute die curfew, die Ausgangsperre ab 22 Uhr, endete. Endlich kam man mal in den Genuß, sich in eine Schlage am Kassenhäuschen einzureihen, um ein altmodische Eintrittskarte aus Papier erwerben zu können. Der Preis von 1 Lari (ca 0,27 EUR) schien mir eher symbolisch zu sein. Das Stadion war ganz OK, zwei Tribünen und hinter den Toren nix. Dazu geile Flutlichter! Wenn es einen Preis gewinnen sollte, dann höchstens aufgrund der wunderschönen Landschaft, in der es liegt.
Der Ticker zum Spiel: *** Ground gut gefüllt, geschätzte 4 000 Besucher * Viele Kinder! * Kein Catering * 1:0 fü Dila, alles jubelt * 1:1 für Locomotive, 40 Leute aus Tbilissi feien auf der Haupttribüne * Zwei Lattenknaller von Dila * 1x blauer Pyro-Rauch von einer Minderjährigen * 2x Gerangel im Publikum auf der Gegengerade, viel Emotionen im Spiel * Begegnung auf dem Rasen mittelprächtig * Zum Spielende viel Härte und Unterbrechungen * 2:1 für Dila geht in Ordnung! ***
Nach dem Spiel mußte ich noch ein wenig auf meinen Fahrer, der mich direkt zurück nach Kutaissi bringen sollte, warten. Der höchstens 22 Jahre alte Alex steckte irgendwo im Stau. Um 23:30 Uhr trudelte er dann am Stadion. Ich beruhigte ihn, daß seine Verspätung nicht schlimm seie. Sicherheit geht vor Schnelligkeit :-). Auf der Hauptverkehrsader Tbilissi - Batumi war auf dem Abschnitt Gori - Zestafoni heute Nacht ziemlich was los. Es gibt nur wenig Autobahn, dafür viele Baustellen. Hier merkt man, wie wichtig (und gar nicht selbstverständlich) eine vernünftige Infrastruktur sein kann. Nach 3 Stunden, 15 Minuten lieferte mich Alex, der sogar etwas Deutsch sprach, vor meinem Appartment in Kutaissi ab. Er selber fuhr leer zurück nach Telavi. Das liegt weit hinter Tbilissi. Alex wird gut zwölf Stunden bei Tempo 40 - 70 km/h auf georgischen Straßen unterwegs sein, um sich die 47 EUR plus Trinkgeld verdienen zu können. Verrückt!
2.7.21 (15. Tag)
KUT → DTM mit Wizz Air zu 163,60 €
Nach zwei Wochen ging eine phänomenale Tour zu Ende. Zwar kein neuer Länderpunkt, aber immerhin acht Spiele & neue Grounds, zwölf LOST GROUNDs und 26 gespottete Stadien waren zu verbuchen.